Sterilität des Mannes – Labordiagnostik
Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen
- Kleines Blutbild
- Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) – und ggf. Glukosetoleranztest (oGTT)
- Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin
- Triglyceride
- HIV
Hormondiagnostik
Basisdiagnostik
- FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) [obligat bei Verdacht auf Störung der Spermatogenese (Samenzellbildung); während der Serumspiegel des FSH ansteigt, sinken die Konzentrationen von Inhibin B]
- LH (Luteinisierendes Hormon)
- Testosteron (Gesamttestosteron)
- 17-Beta-Östradiol [obligat bei Gynäkomastie/Vergrößerung der männlichen Brustdrüse]
- Prolaktin [obligat bei Libidostörungen und Gynäkomastie] (Verdacht auf ein Prolaktinom → Magnetresonanztomographie (MRT) der Sellaregion)
- TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) [bei erhöhtem Prolaktin-Serumspiegel]
Typische Befundkonstellationen der Hormonparameter und Ejakulatuntersuchung und deren klinische Verdachtsdiagnosen:
FSH | LH | Gesamttestosteron | Spermiogramm | Klinische Verdachtsdiagnose | |
Hypergonadotroper Hypogonadismus (primärer Hypogonadismus) | ↑ | ↑ | ↔ / ↓ | Azoospermie | v. a. Klinefelter-Syndrom |
Normogonadotrope Azoospermie | ↔ | ↔ | ↔ | Azoospermie | Verschlussazoospermie |
Hypergonadotrope Azoospermie / OAT | ↑ | ↔ | ↔ | Azoospermie / OAT | Primar testikulärer Schaden (Hodenschaden):
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Hypogonadotroper Hypogonadismus (sekundärer Hypogonadismus) | ↓ | ↓ | ↓ | Azoospermie /OAT | Hypophysäre / hypothalamische Störung |
Normogonadotropes OAT | ↔ | ↔ | ↔ | OAT | Patienten mit:
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Legende
- Azoospermie (= vollständige Fehlen von Samenreifungszellen und Samenzellen im Ejakulat)
- OAT = Oligo-Astheno-Teratozoospermie (= verminderte Anzahl, reduzierte Beweglichkeit und hoher Anteil an fehlgebildeten Spermien)
Latente/manifeste Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- TSH [obligat bei erhöhten Prolaktin-Serumspiegel]
- Ggf. ft4
- Ggf. TRH-TSH-Test (Schilddrüsenfunktionstest)
Immunologische Diagnostik
Folgende Antikörper werden bestimmt:
- Auto-Antikörper gegen Spermienantigene* – finden sich in circa 1 von 10 Fällen bei Sterilität.
Hinweis! Das Fehlen von Antikörpern im Serum schließt nicht aus, dass diese in Körpersekreten vorhanden sind. Deshalb ist auch stets das Cervixsekret und das Ejakulat nach Antikörpern zu untersuchen.
*Das Vorliegen von Spermieantigene bedeutet, das der Körper Antikörper gegen sich selbst, das heißt gegen seine eigenen Spermien bildet.
Diese Antikörper können zur Agglomeration (Verklumpung) der Spermatozoen führen und beeinträchtigen deren Motilität (Beweglichkeit) und Fertilität.
DNA-Fragmentation der Spermien
Die DNA-Fragmentierung der Spermien bezieht sich auf Brüche oder Beschädigungen des Genmaterials der Spermatozoide. Umso mehr Schäden vorhanden sind, desto geringer ist die Vollständigkeit des genetischen Materials und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Abort kommen kann.
Bei eingeschränkter Spermienqualität kann die die Einschätzung der DNA-Fragmentation der Spermien in Erwägung gezogen werden.
Bakteriologische und virologische Diagnostik
Als Screeningmaßnahme oder wegen Verdacht auf Prostatitis – Kulturen zum Keimnachweis von Bakterien, Mykoplasmen, Ureaplasmen und Viren (Chlamydien, Herpes genitalis, HPV) im Ejakulat (Samenzellerguss).
Mikrobiologie des Ejakulates – Bedingungen für eine antibiotische Therapie
- Positive Ejakulatkultur: > 103 Keime/ml (relevante Keimart)
- Leukospermie: > 106 Leukozyten/ml
Eine bakteriologische Ejakulatuntersuchung besteht aus: Bestimmung der Keimart und Keimzahl [KBE/ml] inklusive einem Resistogramm.
Humangenetische Diagnostik
Die Häufigkeit genetischer bzw. chromosomaler Veränderungen korreliert negativ mit der Spermatozoenkonzentration. Bei Patienten mit einer Azoospermie (Ejakulat ohne Samenzellen) bei bis zu 15 % der Fälle [1].
Eine Chomosomenuntersuchung (Bestimmung des Karyotyps/Erscheinungsbild eines Chromosomensatzes) bzw. Gendiagnostik sollte erfolgen bei:
- Gesamtspermienkonzentrationen: < 10 Millionen
- Karyotypisierung (Chromosomuntersuchung)
- Diagnostik einer Azoospermiefaktor(AZF)-Mikrodeletion bei Konzentrationen < 5 Millionen/ml Ejakulat
- Azoospermie (vollständige Fehlen von Spermien/Samenzellen im Ejakulat) → Testung auf AZF-Mikrodeletionen (AZF Azoospermiefaktor)
- Verdacht auf Klinefelter Syndrom: häufigste Chromosomenanomalie, die zu Azoospermie oder (selten) zu schwerer Oligozoospermie führt – Gonosomen des männlichen Geschlechts (Geschlechtschromosomen)-Anomalie (Karyotyp 47,XXY bzw. Mosaikformen in 6,3 % der Fälle mit 47,XXY/46,XY), die zu einem primären Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion) führt.
- Strukturelle Auffälligkeiten des Samenstranges → CFTR-Gen („cystic fibrosis transmembrane conductance regulator“)-Mutationsdiagnostik (GR A): als mögliche Ursache einer obstruktiven Azoospermie (= Verschluss der Samenwege)
- Bei unfruchtbaren Paaren sollten beiden Partnern eine Chromosomenanalyse angeboten werden.
- Eine Chromosomenanalyse bei Paare mit zwei oder mehr Aborten ist ebenfalls sinnvoll.
Präventive Gendiagnostik – Carrier-Screening
Dieses Screening wird am häufigsten von Paaren in Anspruch genommen, die eine Schwangerschaft erwägen und vorher feststellen möchten, ob das Kind genetische Erkrankungen erben würde.
In dieser Bevölkerungsgruppe erkennen die derzeitigen beiden Carrier-Screenings nur 55,2 Erkrankungen auf 100.000 Kinder; erkennen die derzeitigen beiden Carrier-Screenings nur 55,2 Erkrankungen auf 100.000 Kinder; per gesamten Panel wären es 159,2 Erkrankungen auf 100.000 Kinder [1].
In dieser Bevölkerungsgruppe erkranken 392,2 von 100.000 Kindern an einer schweren rezessiven Erkrankung [2].
Hinweis: Carrier (Träger) zu sein, bedeutet nicht, dass eine rezessive Krankheit ausgelöst wird. Der doppelte Chromosomensatz schützt in der Regel davor.
Literatur
- Johnson MD: Genetic risks of intracytoplasmic sperm injection in the treatment of male infertility: recommendations for genetic counseling and screening. Fertil Steril. 1998;70(3):397-411
- Haque IS et al.: Modeled Fetal Risk of Genetic Diseases Identified by Expanded Carrier Screening. JAMA. 2016;316(7):734-742. doi:10.1001/jama.2016.11139