Hodenverdrehung (Hodentorsion) – Operative Therapie
Eine Hodentorsion ist eine akute Notfallsituation, die eine sofortige chirurgische Intervention erfordert, um eine irreparable Hodenschädigung zu vermeiden. Bereits der Verdacht auf eine Hodentorsion macht eine umgehende Hodenfreilegung erforderlich.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Akute Hodenschmerzen mit Verdacht auf Torsion
- Fehlende oder abgeschwächte Durchblutung des Hodens im Doppler-Ultraschall
- Plötzliche Schwellung und Rötung des Skrotums (Hodensack)
- Hochstand des betroffenen Hodens
- Fehlender Kremasterreflex (Reflex, bei dem der Hoden nach oben gezogen wird)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Fortgeschrittene Nekrose (Gewebeabsterben) des Hodens ohne mögliche Wiederherstellung der Durchblutung
- Schwere systemische Infektionen, die eine sofortige Operation unmöglich machen
- Koagulopathien (Blutgerinnungsstörungen), die eine akute Gerinnungskorrektur benötigen
Operationsverfahren
Freilegung des Hodens:
- Inguinaler Zugang (Leistenbereich) – Indiziert bei Neugeborenen und Kindern mit Hodenhochstand.
- Skrotaler Zugang (Hodensack) – Standardzugang für alle anderen Patienten.
Detorquierung und Orchidopexie:
- Detorquierung (Lösen der Hodenverdrehung) erfolgt vorsichtig, um eine weitere Schädigung zu vermeiden.
- Orchidopexie (operative Fixierung des Hodens im Hodensack) zur Vermeidung einer erneuten Torsion.
- Die Orchidopexie sollte immer auch am kontralateralen Hoden erfolgen, entweder ein- oder zweizeitig.
Wiederherstellung der Perfusion (Durchblutung):
- Innerhalb von 4-6 Stunden → Hohe Wahrscheinlichkeit der Hodenerhaltung.
- Nach 8-10 Stunden Ischämie → Hohe Wahrscheinlichkeit einer Nekrose und Atrophie.
Postoperative Nachsorge
- Regelmäßige Kontrolle der Hodenperfusion (Hodendurchblutung) per Doppler-Sonographie
- Schmerzmanagement mit NSAR oder Opioiden bei Bedarf
- Aufklärung des Patienten über mögliche Spätfolgen wie Hodenatrophie oder Infertilitat (Unfruchtbarkeit)
- Sportkarenz für mindestens 4 Wochen
Mögliche Komplikationen
- Hodennekrose (Gewebeabsterben des Hodens) trotz operativer Therapie
- Infektion oder Wundheilungsstörungen
- Testikuläre Atrophie (Gewebeschwund des Hodens)
- Persistierende Schmerzen oder Beschwerden
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Skrotaler Zugang | Direktes Erreichen des Hodens über das Skrotum (Hodensack) | Schnelle Zugänglichkeit, weniger traumatisch (verletzend) | Bei Hodenhochstand nicht geeignet |
Inguinaler Zugang | Eröffnung der Leistenregion zur Freilegung des Hodens | Notwendig bei Hodenhochstand, erlaubt bessere Beurteilung | Größerer Eingriff, längere Wundheilung |
Weitere Hinweise
- Nach Orchidopexie (Opx) bzw. Orchiektomie und kontralaterale Opx ist gemäß einer israelischen Studie keine wesentliche Störung der Fertilität zu erwarten [1]:
- Nach Opx bis Schwangerschaftseintritt 6,6 Monate, nach Orchiektomie (Oec) 7,2 Monate
- Schwangerschaftsraten waren nach beiden Eingriffen ähnlich hoch (90,9 % bzw. 90,2 %) (Allgemeinbevölkerung: 82-92 % nach zwölf Menstruationszyklen). Lebendgeburtenrate lag bei 87,8 % bzw. 86,3 %.
Fazit
Die sofortige operative Versorgung der Hodentorsion ist essenziell, um den Hoden zu erhalten und Spätschäden zu vermeiden. Die Wahl des Zugangswegs richtet sich nach dem Patientenalter und der individuellen Anatomie. Eine beidseitige Orchidopexie ist empfehlenswert, um das Rezidivrisiko zu minimieren.
Literatur
- Gielchinsky I et al.: Pregnancy rates after testicular torsion. J Urol 2016, online 23. April; doi: 10.1016/j.juro.2016.04.066