Hodenhochstand (Maldeszensus testis) – Operative Therapie
Der Hodenhochstand (Maldescensus testis, Fehllage des Hodens) bezeichnet eine ausbleibende oder unvollständige Wanderung des Hodens in das Skrotum (Hodensack). Die operative Therapie ist indiziert, wenn eine Hormontherapie bis zum 12. Lebensmonat nicht erfolgreich ist.
Die S2k-Leitlinie empfiehlt in diesen Fällen eine Orchidopexie (operative Fixierung des Hodens im Hodensack) zur Vermeidung von Fertilitätsstörungen (Fruchtbarkeitsproblemen) und Hodentumoren (bösartige Neubildungen des Hodens).
Behandlungsschema: Hoden palpabel bzw. Hoden nicht palpabel
Hoden (tastbar) | Operative Maßnahme |
palpabel | inguinale Orchidopexie (s. u.) |
nicht palpabel: | |
+ Hoden in der Nähe des inneren Leistenrings | laparoskopische oder inguinale Orchidopexie |
+ Hoden > 2 cm vom inneren Leistenrings entfernt | Operation nach Fowler-Stephens (s. u) |
+ Gefäße enden blind im Abdomen (Bauchraum) | Vanishing testis*; keine weiteren Maßnahmen |
+ Gefäße und Ductus deferens (Samenleiter) ziehen in den Leistenkanal | inguinale Exploration |
*XY-Gonaden-Agenesie/vollständiges Fehlen der Keimdrüsen (Synonym: testikuläres Regressionssyndrom)
Operationsverfahren
Inguinale Orchidopexie
Die inguinale Orchidopexie (Fixierung des Hodens im Skrotum über einen Leistenschnitt) ist das Standardverfahren beim tastbaren Hodenhochstand.
- Zugang: Inguinaler Schnitt mit Darstellung des Hodens, Samenstrangs (Funiculus spermaticus) und Ductus deferens (Samenleiter)
- Funikulolyse (Mobilisation des Samenstrangs): Verlängerung des Samenstrangs zur spannungsfreien Verlagerung
- Fixierung des Hodens: Im Scrotalfach (Hodensacktasche) mittels Nähten
Operation nach Fowler-Stephens
Bei einem hoch intraabdominal liegenden Hoden (> 2 cm über dem inneren Leistenring) erfolgt eine zweizeitige Operation:
- Erster Eingriff:
- Durchtrennung der Hodengefäße (Testikulararterie und -vene) mit Erhalt der Kollateralversorgung über den Ductus deferens
- Vorbereitung der Verlagerung des Hodens
- Zweiter Eingriff (3-6 Monate später):
- Orchidopexie mit endgültiger Fixierung im Skrotum
Operation nach Koff und Sethi
Diese Methode ist eine Modifikation der Fowler-Stephens-Technik:
- Durchtrennung der Testikulargefäße näher am Hoden
- Bessere Durchblutung über die Kollateralgefäße des Ductus deferens
- Höhere Erfolgsrate bei Erhalt der Hodenvaskularisation (Blutversorgung)
Nachsorge
- Postoperative Verlaufskontrollen zur Beurteilung der Hodenlage und -funktion
- Ultraschalluntersuchung (Sonographie) zur Detektion einer Hodenatrophie (Schrumpfung des Hodens)
- Langfristige Selbstuntersuchung ab dem 15. Lebensjahr zur Früherkennung von Hodentumoren
- Empfohlene Plattform zur Selbstuntersuchung:
- Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V.
- Berufsverband der Deutschen Urologen e. V. (www.hodencheck.de)
Mögliche Komplikationen
Die Komplikationsrate ist insgesamt niedrig.
- Hodenatrophie (Schrumpfung des Hodens):
- 1 % nach Standard-Orchidopexie
- 8 % nach Fowler-Stephens-Operation
- Nachblutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen
- Verletzung des Ductus deferens (Samenleiter) → kann zu Sterilität (Unfruchtbarkeit) führen
- Nervenschädigungen:
- Nervus ilioinguinalis (Hüft- und Leistenregion innervierender Nerv)
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Hodenhochstand – Maldescensus testis. (AWMF-Registernummer: 006-022), August 2016 Langfassung