Hodenentzündung (Orchitis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Orchitis (Hodenentzündung) ist eine entzündliche Erkrankung des Hodenparenchyms (Hodengewebe), die durch infektiöse und nicht-infektiöse Mechanismen verursacht werden kann. Die Entzündung des Hodengewebes führt zu einer Ödembildung (Flüssigkeitseinlagerung), Gewebeschädigung und kann im Verlauf zu einer Fibrosierung (Vernarbung) des Gewebes führen.

Formen der Orchitis

Man kann die Orchitis je nach Ursache und Entstehungsweg in verschiedene Formen unterteilen:

  • Hämatogen-metastatische Orchitis:
    • Diese Form tritt hämatogen (über den Blutweg) als Komplikation einer systemischen Infektion auf. Häufige Infektionserkrankungen, die zu einer hämatogenen Orchitis führen, sind:
      • Mumps-Orchitis: Die Mumps-Orchitis ist die häufigste Ursache einer viralen Hodenentzündung und tritt in 20–30 % der Fälle als Komplikation bei einer Mumps-Infektion (Parotitis epidemica) auf. Die Entzündung betrifft meist postpubertäre Männer und führt zu einer diffusen Entzündung des Hodengewebes. Das Mumpsvirus verursacht eine Schädigung der Spermatogonien (Vorläuferzellen der Spermien), was im Verlauf zu einer Hodenatrophie (Hodenschrumpfung) führen kann.
      • Tuberkulöse Orchitis: Wird durch das Mycobacterium tuberculosis verursacht und tritt meistens in Verbindung mit einer Epididymitis (Nebenhodenentzündung) auf. Hierbei erfolgt die Infektion über eine hämatogene Streuung oder einen direkten Übertritt aus den benachbarten Strukturen.
      • Brucellose: Eine durch Brucella-Bakterien ausgelöste zoonotische Erkrankung, bei der die Orchitis ein Zeichen einer systemischen Infektion darstellt.
  • Aszendierende Orchitis (aufsteigende Infektion):
    • Diese Form tritt im Rahmen einer aufsteigenden Infektion aus der Harnröhre (Urethra), der Prostata oder dem Nebenhoden auf. Die Infektion erfolgt über den Ductus deferens (Samenleiter), wobei die Keime aus der Harnröhre oder Prostata in den Hoden aufsteigen.
    • Häufige Ursachen sind:
      • Sexuell übertragbare Infektionen (STIs): Gonokokken (Neisseria gonorrhoeae) und Chlamydia trachomatis führen zu einer aufsteigenden Hodeninfektion, die in der Regel mit einer Urethritis (Harnröhrenentzündung) kombiniert ist.
      • Bakterielle Epididymitis: Bei einer bakteriellen Nebenhodenentzündung tritt in bis zu 90 % der Fälle eine Begleitorchitis als Folge der Keimaszension (aufsteigende Infektion) auf.
  • Posttraumatische Orchitis:
    • Eine posttraumatische Orchitis tritt nach einer Verletzung des Hodens auf. Der Trauma-bedingte Schaden des Hodengewebes führt zu einer lokalen Entzündungsreaktion, die durch Ödem und Gewebeeinblutung gekennzeichnet ist. Auch chirurgische Eingriffe können eine sekundäre Orchitis verursachen.
  • Sterile (nicht-infektiöse) Orchitis:
    • Diese Form tritt ohne Beteiligung von Erregern auf und ist in der Regel mit systemischen Autoimmunerkrankungen oder granulomatösen Entzündungen assoziiert. Ein Beispiel hierfür ist die granulomatöse Orchitis, die in Zusammenhang mit Sarkoidose oder anderen granulomatösen Erkrankungen stehen kann.
    • Eine seltene Sonderform ist die Autoimmunorchitis, die im Rahmen einer immunologischen Fehlreaktion gegen das eigene Hodengewebe auftritt.

Pathophysiologischer Verlauf der Orchitis

  • Die Entzündung führt zu einer Ödembildung und einem Anstieg der intratestikulären Druckverhältnisse, was eine Mikrozirkulationsstörung im Hoden zur Folge hat. Dies begünstigt eine ischämische Schädigung (Minderdurchblutung) des Gewebes.
  • Im weiteren Verlauf kann es zur Störung der Spermatogenese (Bildung von Spermien) kommen. Insbesondere bei viralen Orchitiden (z. B. Mumps-Orchitis) ist das Risiko einer Hodenatrophie (Verkleinerung des Hodens) erhöht, was zu einer dauerhaften Infertilität (Unfruchtbarkeit) führen kann.
  • Bei chronischem Verlauf kommt es zur Fibrosierung (Narbenbildung) und Verkalkung des Hodens, was zu einer Verhärtung und Verkleinerung des Hodens führt.

Zusammenfassung

Die Orchitis ist eine entzündliche Erkrankung des Hodens, die durch hämatogene Infektionen, aufsteigende Keimaszension, Verletzungen oder autoimmunologische Prozesse verursacht wird. Die häufigste Ursache einer viralen Orchitis ist die Mumps-Infektion, während bei der bakteriellen Form meist sexuell übertragbare Erreger beteiligt sind. Eine chronische Orchitis führt oft zu einer Gewebeatrophie (Gewebeschwund) und kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und zielt auf die Behandlung der Grunderkrankung und die Vermeidung von Folgeschäden ab.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – im höheren Alter ist eine subvesikale Obstruktion mit konsekutiven Miktionsbeschwerden eine mögliche Ursache einer Orchitis in Kombination mit einer Epididymitis (Nebenhodenentzündung) 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontakt zu erkrankten Personen
    • Kontakt mit infektiösen Personen in der ansteckenden Phase vermeiden. Diese Phase beginnt etwa eine Woche vor dem Auftreten der charakteristischen Schwellung der Ohrspeicheldrüse und dauert bis zu neun Tage danach.
  • Hygiene
    • Mangelhafte Hygiene vermeiden – Insbesondere an Orten mit hohem Personenaufkommen wie Schulen, Kindergärten und öffentlichen Verkehrsmitteln sind Hygienemaßnahmen essenziell.
    • Regelmäßiges Händewaschen – Reduziert die Übertragung von Viren.
    • Verwendung von Einmalhandtüchern – Verhindert eine Schmierinfektion.

Krankheitsbedingte Ursachen

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Bakterielle Infektionen (ca. 10 % der Fälle):
    • Brucellose (Oberbegriff für Erkrankungen wie der Morbus Bang oder das Malta-Fieber, die durch die Gattung Brucella verursacht werden; Erreger: gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien der Gattung Brucella)
    • Syphilis (Lues; eine Geschlechtskrankheit); Erreger: Bakterium Treponema pallidum spp. pallidum
    • Tuberkulose (Schwindsucht; Erreger: Mycobacterium tuberculosis, ein aerobes gram-positives Stäbchen-Bakterium)
    • Typhus (Erreger: Typhusbakterium (Salmonella enterica subsp. enterica Serovar Typhi), ein gram-negatives, begeißeltes Bakterium)
    • Weitere Bakterien wie Chlamydien (gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen), E. coli, Klebsiellen (z. B. Klebsiella pneumoniae), Mykoplasmen, Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe, Tripper; eine Geschlechtskrankheit), Staphylokokken, Streptokokken etc.; diese können zu einer aszendierenden/aufsteigenden Infektion führen
  • Mykotische Infektionen (Pilze; sehr selten!) – Candida albicans, Histoplasma capsulatum
  • Virale Infektionen:
    • Mononukleose (Pfeiffer´sches Drüsenfieber; Erreger: Epstein-Barr-Virus (EBV))
    • Mumps (Erreger: Mumpsvirus) – Orchitis tritt in etwa 18 % der Fälle (wenn keine Mumpsimpfung vorliegt) und üblicherweise etwa 5 bis 10 Tage nach einer Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung) auf
    • Weitere Viren wie Coxsackieviren, Echoviren, Rubella (Rötelnvirus), Influenza‑, Varizella-Zoster-Virus (Windpocken und Gürtelrose), humanes Immundefizienzvirus u. a. (Zikavirus?)
  • Parasitäre Infektion:
    • Malaria (Erreger: Plasmodium falciparum, Plasmodium vivax, Plasmodium ovale, Plasmodium malariae und Plasmodium knowlesi), Trichomonas vaginalis

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Posttraumatisch (nach Verletzungen auftretend) – Genitaltrauma, Vasektomie (Sterilisation des Mannes)

Weiteres

  • Systemische Autimmunkrankheiten – Morbus Behçet, systemischer Lupus erythematodes, Purpura Schönlein-Henoch u. a. Vaskulitiden

Medikamente

  • Amiodaron

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Schwermetalle (z. B. Quecksilberverbindungen)