Hodenentzündung (Orchitis) – Einleitung

Die Orchitis ist eine entzündliche Erkrankung des Hodens (altgriechisch: ὄρχις orchis). Sie tritt häufig in Kombination mit einer Epididymitis (Nebenhodenentzündung) auf, in diesem Fall wird die Erkrankung als Epididymoorchitis bezeichnet.

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM N45.-: Orchitis und Epididymitis

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten)
  • Bakteriologische Untersuchung des Urins: Nachweis von Erregern bei bakterieller Orchitis
  • Serologische Tests: Nachweis spezifischer Antikörper, insbesondere bei viraler Orchitis (z. B. Mumpsvirus)

Formen der Orchitis

  • Hämatogen-metastatisch (über den Blutwege)
    • Tritt als Komplikation von Infektionserkrankungen wie Mumps (Mumpsvirus), Rubella (Rötelnvirus), Varizellen (Windpocken), Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) auf.
    • Mumps-Orchitis ist die häufigste Ursache.
  • Aszendierend (aufsteigende Infektion)
    • Infektion, die über den Ductus deferens (Samenleiter) bei vorbestehender Urethritis (Harnröhrenentzündung) oder Prostatitis (Prostataentzündung) aufsteigt.
    • Häufige Erreger: E. coli, Neisserien (Gonorrhoe, Tripper), Proteus, Staphylokokken, Streptokokken (bakterielle Orchitis).
  • Posttraumatisch
    • Tritt nach Verletzungen auf.

Hinweis

  • Eine isolierte Orchitis tritt viel seltener als eine Epididymitis (Nebenhodenentzündung) auf.
  • Im Rahmen einer bakteriellen Epididymitis tritt in bis zu 90 % der Fälle eine Begleitorchitis auf.

Ursachen

Die Ursachen der Orchitis variieren je nach Form der Erkrankung:

  • Viral: Mumpsvirus ist die häufigste Ursache für die hämatogen-metastatische Orchitis, insbesondere bei präpubertären Jungen.
  • Bakteriell: Aufsteigende Infektionen durch Bakterien wie Escherichia coli und Neisseria gonorrhoeae führen zu einer aszendierenden Orchitis.
  • Traumatisch: Direktes Trauma kann zu einer posttraumatischen Orchitis führen.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Die meisten Fälle einer Mumps-Orchitis treten vor der Pubertät auf. Etwa 30 % der männlichen Mumps-Patienten entwickeln nach der Pubertät eine Orchitis.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Die Prävalenz der Orchitis ist aufgrund ihrer variablen Ätiologie nicht exakt bekannt.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz der akuten isolierten Orchitis ist nicht genau dokumentiert. Für die akute Epididymitis wird eine Inzidenz von 290 Fällen pro 100.000 Männer pro Jahr angegeben [1].

Infektionsepidemiologie

Erreger: Mumpsvirus, Rubellavirus, Varizellen-Zoster-Virus, Mycobacterium tuberculosis, Escherichia coli, Neisseria gonorrhoeae.

Erregerreservoir: Der Mensch ist das primäre Reservoir für die meisten viralen und bakteriellen Erreger.

Vorkommen: Global verbreitet, abhängig von den jeweiligen Erregern.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Insbesondere beim Mumpsvirus durch Tröpfcheninfektion.

Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Hoch bei viralen Infektionen wie Mumps.

Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion (viral), aufsteigende Harnwegsinfektion (bakteriell).

Eintrittspforte: Respirationstrakt (viral), Harnröhre (bakteriell).

Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Bei Mumps-Orchitis beträgt die Inkubationszeit in der Regel 14 bis 25 Tage.

Krankheitsdauer: Orchitis dauert in der Regel einige Wochen, kann aber bei Komplikationen länger persistieren.

Dauer der Infektiosität: Patienten mit Mumps sind etwa 3 Tage vor bis 9 Tage nach Beginn der Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung) infektiös.

Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Hohe Seroprävalenz für Mumpsvirus in Ländern mit Impfprogrammen.

Erregerspezifische Immunität: Nach durchgemachter Mumps-Infektion besteht lebenslange Immunität.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Die Orchitis beginnt mit einer Schwellung des Hodens (Ödem) und Hodenschmerzen (Orchialgie), die von einem unangenehmen Ziehen bis zu starken Schmerzen im Sinne eines akuten Skrotums reichen können. Dieses Beschwerdebild kann bereits innerhalb weniger Stunden auftreten.
  • Häufig liegt die Orchitis in Kombination mit einer Epididymitis vor, als Epididymoorchitis bezeichnet.
  • Bei einer Mumps-Orchitis kommt es nach einer bis zwei Wochen zu einer spontanen Besserung.

Prognose

  • Eine adäquate antibiotische Therapie und supportive Maßnahmen wie Kühlen und Hochlagern des Skrotums sind entscheidend.
  • Eine der schwerwiegendsten Folgen einer Orchitis kann die Sterilität (Unfruchtbarkeit) sein.

Literatur

  1. Collins MM, Stafford RS, O’leary MP et al.: How common is prostatitis? A national survey of physician visits. J Urol 1998;159:1224-1228

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 006-023), August 2015 Langfassung