Pneumothorax – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Ein Pneumothorax bezeichnet die Ansammlung von Luft im Pleuraraum (Raum zwischen Lunge und Brustwand), die zur teilweisen oder vollständigen Kollabierung der Lunge führt. Je nach Ursache wird zwischen dem primären Spontanpneumothorax, dem sekundären Spontanpneumothorax und dem Spannungspneumothorax unterschieden. Diese Formen haben jeweils spezifische Ursachen und Pathomechanismen.
Primärer Spontanpneumothorax
Der primäre Spontanpneumothorax tritt bei Menschen auf, deren Lungengewebe ansonsten gesund ist. Besonders betroffen sind oft junge, schlanke Männer. Die Ursache liegt in der Ruptur subpleuraler Bullae (auch Blebs genannt; luftgefüllte, dünnwandige Blasen, die durch destruktive Prozesse mit Rarefizierung des Lungenparenchyms entstehen), die sich in der Lungenspitze (apikal) befinden.
Pathophysiologische Mechanismen
- Subpleurale Bullae (Blebs): Diese kleinen Lungenbläschen befinden sich direkt unter dem Pleuraüberzug (Lungenfell) und können durch Druckschwankungen oder mechanische Belastungen reißen. Es kommt zu einem Luftaustritt in den Pleuraraum.
- Lufteintritt in den Pleuraraum: Die Luft gelangt in den Pleuraraum, was dazu führt, dass der Druck im Pleuraraum steigt und die Lunge teilweise oder vollständig kollabiert.
Folge
Die betroffene Lunge verliert ihre Fähigkeit zur vollen Entfaltung, was zu einer eingeschränkten Sauerstoffaufnahme führt. Dies löst meist plötzlich aufkommende Atemnot (Dyspnoe) und Thoraxschmerzen aus.
Sekundärer Spontanpneumothorax
Der sekundäre Spontanpneumothorax tritt bei Patienten auf, die bereits an einer vorgeschädigten Lunge leiden. Die häufigsten Ursachen sind chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Lungenfibrose, Tuberkulose und Lungenemphysem.
Pathophysiologische Mechanismen
- Vorgeschädigtes Lungengewebe: Bei Patienten mit Lungenkrankheiten ist das Lungengewebe anfälliger für Risse aufgrund von Verwachsungen und Narbenbildung. Diese Gewebeschäden machen die Lunge anfälliger für Spontanrupturen.
- Verwachsungen und Fibrosen: Bei einigen Erkrankungen bildet sich bindegewebiges Narbengewebe (Fibrosen), das die Flexibilität der Lunge einschränkt und zu einer erhöhten mechanischen Spannung führt.
Sonderform: Katamenialer Pneumothorax
Bei Frauen kann es im Rahmen eines katamenialen Pneumothorax während der Menstruation zu einem Pneumothorax kommen. Dieser ist eine seltene Form des sekundären Pneumothorax und tritt häufig bei subpleuraler Endometriose auf, bei der sich Endometriumgewebe in der Pleura befindet.
- Subpleurale Endometriose: Endometriose-Herde in der Pleura können im Zyklus der Frau hormonell bedingt wachsen und bluten, was die Pleura schwächt und die Bildung von Luftlecks fördert.
Unter Endometriose versteht man das Vorkommen von Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) extrauterin (außerhalb der Gebärmutterhöhle), beispielsweise in oder auf den Ovarien (Eierstöcken), den Tuben (Eileitern), der Harnblase oder dem Darm. Es handelt sich um eine chronische, östrogenabhängige (weibliches Sexualhormon) Erkrankung.
Folge
Die betroffene Lunge kollabiert, was zu starker Atemnot, Husten und Thoraxschmerzen führt. Bei bereits bestehender Lungenkrankheit kann sich die Ateminsuffizienz schnell verschlimmern.
Spannungspneumothorax
Der Spannungspneumothorax ist eine lebensbedrohliche Form des Pneumothorax, bei der der Druck im Pleuraraum kontinuierlich steigt. Dies geschieht durch einen Ventilmechanismus, bei dem Luft in den Pleuraraum einströmt, aber nicht entweichen kann. Der Spannungspneumothorax erfordert eine sofortige Notfallbehandlung.
Pathophysiologische Mechanismen
- Ventilmechanismus: Eine Verletzung der Lunge oder der Brustwand kann als Einwegventil fungieren, sodass bei jedem Atemzug Luft in den Pleuraraum eindringen kann, jedoch nicht entweichen kann. Dadurch steigt der Druck im Pleuraraum kontinuierlich an.
- Verdrängung der Organe: Der zunehmende Druck führt zur Verschiebung der mediastinalen Strukturen (Herz, große Blutgefäße und die Luftröhre) zur Gegenseite. Dies behindert den Blutfluss zum Herzen und führt zu einem Kreislaufversagen.
Folge
Der steigende Druck im Pleuraraum verhindert die Entfaltung der gesunden Lunge, was zu einer schnellen Verschlechterung der Atemfunktion führt. Zusätzlich kommt es zu einem verminderten venösen Rückfluss zum Herzen, was zu einem Blutdruckabfall, schwerer Zyanose (Blaufärbung der Haut) und schließlich zum Kreislaufversagen führt.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
- Beim primären Spontanpneumothorax handelt es sich meist um eine Ruptur von subpleuralen Bullae bei ansonsten gesunden Menschen, was zu einem partiellen oder vollständigen Kollaps der Lunge führt.
- Der sekundäre Spontanpneumothorax tritt bei Patienten mit vorgeschädigtem Lungengewebe auf, insbesondere bei chronischen Lungenerkrankungen. Eine seltene Sonderform ist der katameniale Pneumothorax bei Frauen, der durch subpleurale Endometriose verursacht wird.
- Der Spannungspneumothorax ist die schwerste Form, bei der ein Ventilmechanismus zu einem steigenden Druck im Pleuraraum führt, was die Atemfunktion stark einschränkt und schnell zu einem Kreislaufversagen führt.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetische Erkrankungen
- Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (BHDS) – genetische Erkrankung mit autosomal dominantem Erbgang; Keimbahnmutationen im Gen FLCN wurden in Familien mit BHDS gefunden; klinisches Bild: Hautläsionen, Nierentumoren und Lungenzysten, evtl. in Verbindung mit einem Pneumothorax (Lungenkollaps aufgrund von Luft im Pleuraspalt (Raum zwischen Rippen- und Lungenfell, in dem physiologischerweise ein Unterdruck herrscht))
- Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.
- Genetische Erkrankungen
Verhaltensbedingte Ursachen
- Rauchen ‒ erhöht das Risiko beim primären Spontanpneumothorax
Krankheitsbedingte Ursachen
Atmungssystem (J00-J99)
- Asthma bronchiale
- Atemwegserkrankungen, nicht näher bezeichnet (z. B. Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, COPD)
- Infektiöse Lungenerkrankungen, nicht näher bezeichnet (z. B. Tuberkulose)
- Interstitielle (bindegewebige) Lungenerkrankungen, nicht näher bezeichnet (z. B. Lungenfibrose)
- Pneumonie (Lungenentzündung)
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Tuberkulose
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Histiozytose/Langerhans-Zell-Histiozytose (Abkürzung: LCH; früher: Histiozytose X; engl. histiocytosis X, langerhans-cell histiocytosis) – systemische Erkrankung mit Proliferation von Langerhans-Zellen in unterschiedlichen Geweben (Skelett 80 % der Fälle; Haut 35 %, Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) 25 %, Lunge und Leber 15-20 %); in seltenen Fällen können auch neurodegenerative Zeichen auftreten; in 5-50 % der Fälle tritt bei Befall der Hypophyse ein Diabetes insipidus (Hormonmangel-bedingte Störung im Wasserstoffwechsel, die zu einer extrem hohen Harnausscheidung) auf; die Erkrankung tritt disseminiert ("über den ganzen Körper oder bestimmte Körperregionen verteilt") häufig bei Kindern zwischen 1-15 Jahren auf, bei Erwachsenen seltener, hier vorwiegend mit einem isolierten pulmonalen Befall (Lungenbefall); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ca. 1-2 pro 100.000 Einwohner
- Lymphangioleiomyomatose (LAM) – sehr seltene Erkrankung der Lunge, die meistens progredient (fortschreitend) ist, zur chronischen Hypoxie (Sauerstoffmangel) führt und letztendlich lebensbedrohend ist; betrifft nahezu ausschließlich Frauen
- Neubildungen der Lunge, nicht näher bezeichnet
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Husten, starker bzw. Pressen → Spontanpneumothorax
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Thorakale Endometriose ‒ Auftreten von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter; hier im Brustkorb
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Traumatische Thoraxverletzungen (Verletzungen des Brustkorbs) führen zum traumatischen Pneumothorax:
- Rippenfrakturen (am häufigsten)
- penetrierende Stichverletzungen
- stumpfes Thoraxtrauma
Weitere Ursachen ‒ die folgenden ärztlichen Maßnahmen können zum iatrogenen Pneumothorax führen:
- Barotrauma ("Druckverletzung") durch künstliche Beatmung
- Paravertebrale Nervenblockaden ‒ Nervenblockaden, die neben der Wirbelsäule durchgeführt werden
- Punktion der Vena subclavia ‒ Punktion der Unterschlüsselbeinvene
- Transbronchiale Biopsie ‒ Probegewinnung durch die Bronchien
- Transthorakale Feinnadelpunktion ‒ Probegewinnung durch den Brustkorb