Mukoviszidose – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Mukoviszidose, auch als cystische Fibrose (CF) bekannt, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Mutationen im Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR)-Gen verursacht wird. Das CFTR-Gen kodiert für ein Regulatorprotein, das den Chlorid-Transport in den Zellen reguliert. Die häufigste Mutation, die bei etwa 70 % der Patienten vorkommt, ist eine Deletion von drei Basenpaaren (DeltaF508-Mutation), was zum Verlust einer Aminosäure (Phenylalanin) führt.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
CFTR-Mutation und Chloridkanal-Dysfunktion
Die Mutation im CFTR-Gen beeinträchtigt die Funktion der Chloridkanäle, die normalerweise für den Transport von Chloridionen über die Zellmembranen in verschiedenen Organen verantwortlich sind. Diese Störung des Chloridtransports hat weitreichende Folgen für den Wasser- und Elektrolythaushalt der Zellen.
- Gestörter Chlorid-Transport: Durch die Fehlfunktion der Chloridkanäle kommt es zu einem verminderten Chloridtransport in die Sekrete der exkretorischen Drüsen, was den Wassergehalt der Sekrete reduziert.
- Erhöhte Viskosität der Sekrete: Die wichtigste Folge der CFTR-Mutation ist die Erhöhung der Viskosität (Zähflüssigkeit) der Körpersekrete in verschiedenen Organen. Besonders betroffen sind die Atemwege, der Verdauungstrakt und die Schweißdrüsen. Die zähen Sekrete können nicht mehr ausreichend abtransportiert werden, was zu Verstopfungen und Entzündungen führt.
Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme
- Lunge und Atemwege: In den Atemwegen führt die erhöhte Zähflüssigkeit des Schleims zu einer gestörten mukoziliären Clearance (Selbstreinigung der Atemwege), was die Atemwege anfällig für chronische Infektionen macht. Bakterien, wie Pseudomonas aeruginosa, können sich in den Atemwegen ansiedeln und chronische Entzündungen auslösen, die zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes führen.
- Chronische Atemwegsinfektionen: Die zähen Sekrete bieten einen idealen Nährboden für Bakterien, was zu wiederkehrenden Infektionen und einer chronischen Bronchitis führt.
- Pankreasinsuffizienz (Bauchspeicheldrüsenschwäche): Bei etwa 90 % der Betroffenen kommt es zu einer exokrinen Pankreasinsuffizienz (EPI). Dies bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend Verdauungsenzyme produziert, was zu einer gestörten Nahrungsverdauung und Mangelerscheinungen führt.
- Pankreasfibrose: Die chronische Entzündung und Verstopfung der Pankreasgänge führt zur Fibrosierung (Vermehrung von Bindegewebe) des Pankreas. Mit der Zeit kommt es auch zur Degeneration der endokrinen Funktion, was den Verlust der Fähigkeit zur Insulinproduktion zur Folge hat. Dies führt bei vielen Patienten zu einer CF-assoziierten Diabetes.
- Schweißdrüsen: Der Schweiß von Mukoviszidose-Patienten enthält aufgrund des gestörten Chloridtransports einen deutlich erhöhten Salzgehalt. Dies kann zu einem Salzverlust-Syndrom führen, besonders bei heißem Wetter oder körperlicher Anstrengung.
- Darm und Verdauungssystem: Auch im Verdauungstrakt führt die zähe Konsistenz der Sekrete zu Problemen. Es kommt zu einer verzögerten Darmmotilität (Bewegung des Darms), was zu Verstopfungen und im schlimmsten Fall zu einem Mekoniumileus (Darmverschluss bei Neugeborenen) führen kann.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Chronische Entzündungen und Organschäden
Die dauerhafte Entzündung und die Akkumulation von zähen Sekreten führen in verschiedenen Organen zu irreversiblen Schäden. Besonders in der Lunge führt dies zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes, was zu Bronchiektasen (Erweiterung der Bronchien) und einer progressiven Ateminsuffizienz (fortschreitende Atemschwäche) führen kann.
- Lungenfibrose: Die chronische Entzündung und der wiederholte Gewebeschaden können zur Fibrosierung des Lungengewebes führen, was die Sauerstoffaufnahme weiter einschränkt.
Endokrine Pankreasinsuffizienz und CF-assoziierter Diabetes
Mit der Zeit geht nicht nur die exokrine, sondern auch die endokrine Funktion der Bauchspeicheldrüse verloren, was zur Entwicklung eines Diabetes mellitus bei CF-Patienten führt.
- CF-assoziierter Diabetes: Aufgrund der Degeneration der Langerhans-Inseln im Pankreas verlieren viele Patienten die Fähigkeit, Insulin zu produzieren, was eine häufige Komplikation der Mukoviszidose darstellt. Zur Früherkennung ist ab dem 10. Lebensjahr ein jährlicher oraler Glukosetoleranztest (OGTT) erforderlich.
Genetische Formen der Mukoviszidose
Es gibt verschiedene Mutationen im CFTR-Gen, die zur Mukoviszidose führen, wobei die Formen I bis III in der Regel schwerere Verläufe verursachen:
- Klasse I: Kompletter Mangel an CFTR-Protein aufgrund eines Gendefekts.
- Klasse II: Fehlfaltung des CFTR-Proteins, wodurch es nicht in die Zellmembran eingebaut wird (häufigste Mutation: DeltaF508).
- Klasse III: Funktionsstörung des CFTR-Proteins, das zwar in die Zellmembran eingebaut wird, aber nicht richtig funktioniert.
- Klasse IV: Reduzierte Funktion des CFTR-Proteins bei normalem Einbau in die Zellmembran (mildere Verlaufsformen).
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Chronischer Husten und Atemnot: Durch die gestörte Schleimproduktion und den chronischen Entzündungsprozess in den Atemwegen.
- Fettstühle und Untergewicht: Durch die Pankreasinsuffizienz kann die Nahrung nicht richtig verdaut werden, was zur ungenügenden Nahrungsaufnahme aus dem Verdauungstrakt (Malabsorption) und Mangelernährung führt.
- Salziger Schweiß: Patienten mit Mukoviszidose haben einen auffallend salzigen Schweiß, der durch den gestörten Chloridtransport entsteht.
Fortgeschrittene Symptome
- Ateminsuffizienz: In fortgeschrittenen Stadien kann die Zerstörung des Lungengewebes zu schwerer Ateminsuffizienz führen.
- Diabetes: Die Zerstörung der endokrinen Pankreasfunktion führt bei vielen Patienten zur Entwicklung eines CF-assoziierten Diabetes.
Progression und Organbeteiligung
Lungenfibrose und Bronchiektasen
Die chronische Entzündung und Infektion der Atemwege führen langfristig zur Entwicklung von Bronchiektasen und einer Fibrosierung des Lungengewebes, was die Atmung weiter beeinträchtigt.
Systemische Auswirkungen
Durch die fortschreitende Zerstörung der Lunge und die Malabsorption von Nährstoffen kann es zu systemischen Komplikationen wie Unterernährung, Osteoporose und Wachstumsstörungen kommen.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Lungenüberblähung und Gasaustauschstörung: Die Zerstörung der Alveolen und die zunehmende Obstruktion (Verlegung/Verschluss) der Atemwege führen zu einer gestörten Sauerstoffaufnahme und zur Überblähung der Lunge.
- Pankreasfibrose: Die fortschreitende Fibrosierung der Bauchspeicheldrüse führt zu einem vollständigen Funktionsverlust und damit zur exokrinen und endokrinen Insuffizienz.
Die Pankreasfibrose bei Mukoviszidose ist eine fortschreitende und irreversible Veränderung des Pankreasgewebes, die durch die Ablagerung von Bindegewebe (Fibrose) und den Verlust der funktionsfähigen Drüsenzellen gekennzeichnet ist. Diese Veränderung führt zu einer exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz, was schwerwiegende Folgen für die Verdauung und den Glukosehaushalt hat.
Exokrine Pankreasinsuffizienz
Die exokrine Funktion des Pankreas besteht in der Produktion von Verdauungsenzymen (Amylase, Lipase, Protease), die in den Dünndarm abgegeben werden, um Kohlenhydrate, Fette und Proteine aufzuspalten. Bei Mukoviszidose führt die erhöhte Viskosität des Sekrets durch die CFTR-Mutation dazu, dass der Pankreasgang zunehmend verstopft wird.
- Verstopfung der Pankreasgänge: Die dicken, zähen Sekrete blockieren die Pankreasgänge, wodurch die Enzyme nicht mehr ausreichend in den Darm gelangen. Dies verursacht eine unvollständige Verdauung der Nahrung, insbesondere von Fetten.
- Autodigestion (Selbstverdauung): Die Verdauungsenzyme, die im Pankreas verbleiben, können beginnen, das eigene Pankreasgewebe anzugreifen, was zu entzündlichen Prozessen und Gewebeschäden führt. Dieser Schaden verstärkt die Entzündung und den Umbau des Gewebes in fibröses Bindegewebe.
- Fibrosierung des exokrinen Gewebes: Die chronische Entzündung und die durch die Verstopfung bedingte Selbstverdauung des Pankreas führen langfristig zur Fibrosierung. Funktionsfähiges Drüsengewebe wird durch narbiges Bindegewebe ersetzt, was die exokrine Pankreasfunktion stark beeinträchtigt.
Folgen der exokrinen Pankreasinsuffizienz:
- Malabsorption: Durch den Mangel an Verdauungsenzymen wird die Nahrungsaufnahme gestört, was zu einer Malabsorption von Nährstoffen, insbesondere von Fetten und fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K), führt.
- Fettstühle (Steatorrhoe): Unverdaute Fette führen zu fettigen, voluminösen und übel riechenden Stühlen, die typisch für die exokrine Pankreasinsuffizienz sind.
- Gewichtsverlust und Mangelernährung: Da die Nährstoffe nicht richtig verdaut und aufgenommen werden, kommt es häufig zu Gewichtsverlust, Mangelernährung und Wachstumsstörungen, insbesondere bei Kindern.
Endokrine Pankreasinsuffizienz
Die endokrine Funktion des Pankreas umfasst die Regulation des Blutzuckerspiegels durch die Produktion der Hormone Insulin und Glukagon in den Langerhans-Inseln des Pankreas. Mit fortschreitender Fibrosierung wird nicht nur das exokrine, sondern auch das endokrine Gewebe zunehmend geschädigt.
- Degeneration der Langerhans-Inseln: Die zunehmende Fibrose betrifft schließlich auch die Langerhans-Inseln, die für die Insulinproduktion verantwortlich sind. Diese Zellen werden allmählich durch fibröses Gewebe ersetzt, was zur endokrinen Pankreasinsuffizienz führt.
- Verlust der Insulinproduktion: Der allmähliche Verlust der Insulin-produzierenden Zellen führt zu einem Mangel an Insulin, was die Entwicklung eines CF-assoziierten Diabetes (CFRD) begünstigt.
- CF-assoziierter Diabetes (CFRD): Dieser Diabetes ist eine häufige Komplikation der Mukoviszidose und vereint Merkmale des Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Er entwickelt sich langsam, meist nach Jahren der exokrinen Insuffizienz, und erfordert eine regelmäßige Überwachung durch jährliche Glukosetoleranztests ab dem 10. Lebensjahr.
Folgen der endokrinen Pankreasinsuffizienz:
- Hyperglykämie: Der Insulinmangel führt zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels (Hyperglykämie), was typische Symptome eines Diabetes wie verstärktes Durstgefühl und häufiges Wasserlassen (Polyurie) verursacht.
- Schlechtere Prognose: Die Kombination aus Pankreasinsuffizienz und Diabetes verschlechtert die Langzeitprognose und erhöht das Risiko für weitere Komplikationen, wie Infektionen und gestörte Wundheilung.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Mukoviszidose ist eine schwerwiegende, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Mutationen im CFTR-Gen verursacht wird. Die Fehlfunktion der Chloridkanäle führt zu einer Erhöhung der Viskosität der Sekrete in verschiedenen Organen, was zu chronischen Infektionen, Atemwegsobstruktion und einer fortschreitenden Zerstörung von Lungen- und Pankreasgewebe führt. Insbesondere die exokrine Pankreasinsuffizienz und die damit verbundene Mangelernährung stellen schwerwiegende Komplikationen dar. In fortgeschrittenen Stadien führt die Erkrankung oft zu einer Ateminsuffizienz und zu CF-assoziiertem Diabetes, der regelmäßig überwacht werden muss.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern ‒ Europäer und Nordamerikaner sind mit 1:3.000 Lebendgeburten am häufigsten betroffen
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Gene: CFTR
- SNP: rs113993960 im Gen CFTR („Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator“-Gen)
- Allel-Konstellation: DI (Träger der Mukoviszidose)
- Allel-Konstellation: DD (verursacht Mukoviszidose)
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen: