Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Bronchialkarzinoms (Lungenkrebs) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie häufig Tumorerkrankungen?
Soziale Anamnese
- Welchen Beruf üben Sie aus?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Haben Sie Symptome wie Reizhusten, Fieber oder Atemnot bemerkt?
- Haben Sie schon einmal Blut gehustet?
- Fühlen Sie sich schlapp?
- Haben Sie Nachtschweiß?
- Haben Sie Brustschmerzen?
- Haben Sie Atemnot?*
- Haben Sie Gewichtsverlust?
- Sind Ihnen Heiserkeit oder Schluckbeschwerden aufgefallen?
- Haben Sie einen Leistungsknick festgestellt?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Haben Sie ungewollt an Körpergewicht verloren?
- Ernähren Sie sich ausgewogen?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Sind Sie Passivraucher?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen (Tumorerkrankungen, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung)
- Operationen
- Allergien
Medikamentenanamnese
- ACE-Hemmer – Angiotensin-konvertierende Enzym metabolisiert neben Angiotensin I auch Bradykinin, einen aktiven Vasodilatator; Bronchialkarzinome exprimieren Bradykininrezeptoren; Bradykinin kann die Freisetzung von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren stimulieren (= Förderung der Angiogenese und damit des Tumorwachstums). Bei Patienten, die ACE-Hemmer erhalten hatten, betrug die Inzidenz 1,6 pro 1.000 Personenjahre gegenüber 1,2 pro 1.000 Personenjahre bei den anderen Hochdruckpatienten; die ACE-Hemmer Therapie erhöhte das Risiko relativ um 14 % [5].
ACE-Hemmer und Lungenkrebs: Kausalzusammenhang nach Bewertung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nicht belegt [6]. - Sartane (Angiotensin-Rezeptorblocker): signifikante Korrelation zwischen dem Grad der kumulativen Exposition gegenüber Sartanen und dem Risiko für Bronchialkarzinome (slope = 0,16; 95%-Kl: 0,05–0,27], p = 0,003) [7]
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors, SSRI) ? [4]
- Trizyklische Antidepressiva (tricyclic anti-depressants, TCA) ? [4]
Umweltanamnese
- Beruflicher Kontakt
- mit Karzinogenen – z. B. Asbest, künstliche Fasern (engl. man made mineral fibers, MMMF), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Arsen, Chrom-VI-Verbindungen, Nickel, halogenierten Ethern („Haloethern“), insbesondere Dichlordimethylether, radioaktive Stoffe, Acrylnitril etc.
- Kokereirohgase
- Umgang mit Teer und Bitumen (Straßenbau)
- Inhalation von Kohlestaub (Bergleute)
- Inhalation von Quarzstaub (Quarzfeinstaub gilt als Gruppe 1-Karzinogen)
- Arsen [3]
- Männer: Mortalitätsrisiko (Sterberisiko)/relatives Risiko (RR) 3,38 (95-Prozent-Konfidenzintervall 3,19-3,58)
- Frauen: Mortalitätsrisiko/relatives Risiko 2,41 (95-Prozent-Konfidenzintervall 2,20-2,64)
- Tetrachlorethen (Perchlorethylen, Perchlor, PER, PCE)?, bei Frauen [2]
- Dieselabgase (wg. polyzyklischer Kohlenwasserstoffe, PAH)
- Luftschadstoffe: Feinstaub (durch Autoabgase, Verbrennungsprozesse in der Industrie und Hausbrand) – bereits Feinstaubkonzentration unterhalb des europäischen Grenzwerts erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken [1]
- Radon – nach dem Rauchen ist das unfreiwillige Einatmen von radioaktivem Radon in den eigenen vier Wänden der häufigste Auslöser von Lungenkrebs
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Literatur
- Weinmayr G et al.: Air pollution and lung cancer incidence in 17 European cohorts: prospective analyses from the European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE). Lancet Oncology, doi: 10.1016/S1470-2045(13)70279-1; 2013
- Mattei F et al.: Exposure to chlorinated solvents and lung cancer: results of the ICARE study. Occup Environ Med. 2014 Jul 11. pii: oemed-2014-102182. doi: 10.1136/oemed-2014-102182.
- Smith AH et al.: Lung, Bladder, and Kidney Cancer Mortality 40 Years After Arsenic Exposure Reduction. JNCI: Journal of the National Cancer Institute, djx201, https://doi.org/10.1093/jnci/djx201
- Boursi B et al.: Anti-depressant therapy and cancer risk: A nested case-control study. Eur Neuropsychopharmacol. 2015 Apr 17. pii: S0924-977X(15)00113-3. doi: 10.1016/j.euroneuro.2015.04.010.
- Hicks BM et al.: Angiotensin converting enzyme inhibitors and risk of lung cancer: population based cohort study. BMJ 2018; 363 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k4209 (Published 24 October 2018)
- EMA: Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC): Minutes of PRAC meeting on 11-14 February 2019: https://www.ema.europa.eu/en/documents/minutes/minutes-prac-meeting-11-14-february-2019_en.pdf. London,
- Siphal I: Risk of cancer with angiotensin-receptor blockers increases with increasing cumulative exposure: Meta-regression analysis of randomized trials s. PLoS ONE 2022;17(3): e0263461. https://doi.org/10.1371/journal. pone.0263461