Lungenfibrose – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Lungenfibrose umfasst eine Gruppe von chronisch verlaufenden Erkrankungen, bei denen es zu einem Umbau des Lungengerüsts kommt. Dieser Umbau ist durch eine Zunahme von Bindegewebe in der Lunge gekennzeichnet, was die normale Struktur und Funktion der Lunge beeinträchtigt. Die Lungenfibrose kann durch verschiedene Ursachen entstehen, darunter Infektionen, Umweltfaktoren oder Autoimmunprozesse. Im Fall der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), bei der keine spezifische Ursache gefunden werden kann, spielt die gestörte Wundheilung nach Schäden am Lungenepithel eine zentrale Rolle.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Störung der Regeneration
Bei der idiopathischen Lungenfibrose kommt es durch den Zelltod (Apoptose) von Alveolarepithelzellen (Zellen der Lungenbläschenwand) zu einer Störung der normalen Regeneration des Lungengewebes. Statt eines ordnungsgemäßen Reparaturprozesses wird der Wundheilungsmechanismus fehlgeleitet, was zur Narbenbildung führt. Die Schäden am Alveolarepithel verhindern die Wiederherstellung der normalen Lungenstruktur, wodurch die Lungenbläschen (Alveolen) ihre Funktion verlieren.
- Apoptose des Alveolarepithels: Der Zelltod der Alveolarepithelzellen aktiviert eine abnorme Wundheilungsreaktion, die zur Anhäufung von Bindegewebe führt.
Aktivierung von Fibroblasten und Differenzierung zu Myofibroblasten
Durch die Schädigung des Lungenepithels werden Fibroblasten aktiviert, die in das geschädigte Gewebe einwandern. Diese Zellen spielen eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Bindegewebe und der Gewebsreparatur. Bei der IPF wird dieser Prozess jedoch fehlreguliert, was zur Differenzierung von Fibroblasten zu Myofibroblasten führt.
- Myofibroblasten: Diese Zellen, die auch bei der normalen Wundheilung vorkommen, sind für die Kontraktion des Gewebes und die Bildung von Narbengewebe verantwortlich. Bei der Lungenfibrose proliferieren sie jedoch übermäßig und tragen zur Ablagerung von extrazellulärer Matrix (EZM) bei.
Ablagerung der extrazellulären Matrix (EZM)
Die Ablagerung der extrazellulären Matrix (ECM), die hauptsächlich aus Kollagen und anderen Bindegewebsproteinen besteht, führt zur Vernarbung (Fibrosierung) des Lungengewebes. Diese übermäßige Akkumulation von ECM verändert die Struktur der Lunge und beeinträchtigt die Flexibilität und den Gasaustausch.
- Kollagenanreicherung: Die zunehmende Ablagerung von Kollagen und anderen Proteinen in der Lunge macht das Gewebe steif, was die Ausdehnung der Lunge und den Gasaustausch behindert.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Verdickung der Alveolarwände und Verlust der Lungenfunktion
Die Ablagerung von Bindegewebe in den Alveolen führt zu einer Verdickung der Alveolarwände, was den Gasaustausch zwischen den Alveolen und den Blutkapillaren erschwert. Dies führt zu einer verminderten Sauerstoffaufnahme und einem gestörten Kohlendioxid-Abtransport.
- Hypoxie: Der eingeschränkte Gasaustausch führt zu einer chronischen Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie), was zu Kurzatmigkeit und Müdigkeit führt.
Progressiver Lungenumbau
Die IPF verläuft fortschreitend, wobei das Lungengewebe durch irreversible Fibrosen ersetzt wird. Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Lungenfunktion kontinuierlich ab, was zu schwerer Atemnot und einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit führt.
Mechanismen auf molekularer Ebene
Inzwischen wurde ein Mechanismus identifiziert, der darauf hinweist, dass Proteine der Histonfamilie eine entscheidende Rolle beim Krankheitsprozess spielen, wenn sie von Immunzellen freigesetzt werden [3]. Diese Histonproteine fördern die Entzündungsreaktion und die Gewebefibrosierung, indem sie die Aktivierung von Fibroblasten und die Differenzierung zu Myofibroblasten verstärken.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Dyspnoe (Atemnot): Die Fibrosierung des Lungengewebes führt zu einer zunehmenden Atemnot, die sich zunächst bei Anstrengung und später auch in Ruhe bemerkbar macht.
- Reizhusten: Ein trockener, anhaltender Husten ist ein weiteres typisches Symptom der Lungenfibrose.
Fortgeschrittene Symptome
- Hypoxie: Mit fortschreitender Erkrankung kann es zu Sauerstoffmangel kommen, was zu Blaufärbung der Lippen und Nägel (Zyanose) und anderen Zeichen der Unterversorgung führt.
- Erschöpfung und Gewichtsverlust: Aufgrund der erschwerten Atmung und des hohen Energiebedarfs bei der Atemarbeit kann es zu chronischer Erschöpfung und Gewichtsverlust kommen.
Progression und Organbeteiligung
Lungenumbau und Rechtsherzbelastung (Cor pulmonale)
Mit zunehmender Fibrosierung des Lungengewebes kommt es zu einer Drucksteigerung im Lungenkreislauf. Dies belastet das rechte Herz, da es gegen den erhöhten Widerstand arbeiten muss, was langfristig zu einem Cor pulmonale (Rechtsherzbelastung) führen kann.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen
- Pulmonale Hypertonie: Die Zunahme des Gefäßwiderstands in der Lunge führt zu einem erhöhten Druck im Lungenkreislauf, was eine pulmonale Hypertonie zur Folge hat.
- Multiorganschäden: Die Hypoxie kann auch andere Organsysteme betreffen, insbesondere das Herz und die Nieren.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Verlust der Elastizität: Durch die Ablagerung von Bindegewebe verliert die Lunge ihre Elastizität, was die Ausdehnung der Lunge bei der Atmung erschwert.
- Beeinträchtigter Gasaustausch: Die Verdickung der Alveolarwände behindert den Sauerstoffaustausch, was zu einer fortschreitenden Ateminsuffizienz führt.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Fehlgeleitete Regeneration
Statt einer normalen Regeneration des Lungenepithels nach Schädigung kommt es bei der Lungenfibrose zu einer abnormen Wundheilung, die durch eine überschießende Fibroblastenaktivität und eine übermäßige Produktion von Bindegewebe gekennzeichnet ist.
Kompensatorische Mechanismen
- Erhöhte Atemarbeit: Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel durch eine verstärkte Atemfrequenz zu kompensieren, was jedoch zu schneller Erschöpfung führt.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Pathogenese der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) ist durch eine gestörte Regeneration des Lungenepithels und eine überschießende Fibroblastenaktivität gekennzeichnet, die zur Ablagerung von extrazellulärer Matrix und zur Fibrosierung des Lungengewebes führt. Dieser Prozess beeinträchtigt den Gasaustausch und führt zu einer fortschreitenden Einschränkung der Lungenfunktion. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Histonproteine, die von Immunzellen freigesetzt werden, eine entscheidende Rolle in der Entstehung und dem Fortschreiten der Erkrankung spielen.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
Genetische Belastung
- 20 % familiäre Fälle bzw. familiäre Prädisposition
- Mutationen im Gen NAF1, das für den Erhalt der Telomere am Ende der Chromosomen benötigt wird, können die erblich bedingte syndromale Lungenfibrose auslösen [1].
- Genetische Erkrankungen
- Hermansky-Pudlak-Syndrom – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die mit Albinismus, Lichtscheu und erhöhter Blutungsneigung einhergeht; in der Regel auch Lungenfibrose und gesteigerte Blutungsneigung
- Morbus Niemann-Pick (Synonyme: Morbus Niemann Pick, Niemann-Pick-Syndrom oder Sphingomyelinlipidose) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; gehört zur Gruppe der Sphingolipidosen, die wiederum zu den lysosomalen Speicherkrankheiten gerechnet werden; Hauptsymptome des Morbus Niemann-Pick Typ A sind eine Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzvergrößerung) und ein psychomotorischer Abbau; beim Typ B werden keine zerebralen Symptome beobachtet
- Neurofibromatose – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; zählt zu den Phakomatosen (Erkrankungen der Haut und des Nervensystems); es werden drei genetisch unterschiedliche Formen unterschieden:
- Neurofibromatose Typ 1 (Morbus von Recklinghausen) – Patienten bilden während der Pubertät multiple Neurofibrome (Nerventumoren), die häufig in der Haut auftreten jedoch auch im Nervensystem, Orbita (Augenhöhle), Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) und Retroperitoneum (Raum, der hinter dem Bauchfell am Rücken in Richtung der Wirbelsäule liegt) auftreten; typisch ist das Auftreten von Café-au-Lait-Flecken (CALF; hellbraune Makulae/Flecken) und multiplen benignen (gutartigen) Neubildungen
- [Neurofibromatose Typ 2 – charakteristisch sind ein bilateral (beidseitig) vorliegendes Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom) und multiple Meningeome (Hirnhauttumoren)
- Schwannomatose – hereditäres Tumorsyndrom]
- Tuberöse Sklerose – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang, die mit Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns, Hautveränderungen und meist benignen Tumoren in anderen Organsystemen einhergeht
- Genetische Erkrankungen
- Lebensalter – höheres Lebensalter (bei idiopathischer Lungenfibrose (IPF); insb. männlichen Ex-/Rauchern)
- Berufe – bes. Berufe mit Asbest- oder Quarz-Exposition
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen)
- Drogenkonsum
- Kokain
- Inhalation von Noxen (Tabakrauch + weitere Noxen: s. u. "Umweltbelastungen – Intoxikationen"); tritt aber nicht vorrangig bei Rauchern auf; ehemalige oder aktive Raucher haben allerdings ein insgesamt 1,6-fach höheres Risiko
Krankheitsbedingte Ursachen
- Allergische Alveolitis (Hypersensitivitätspneumonitis; z. B. Farmerlunge, Vogelhalterlunge)
- Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie (BOOP): tritt bei Behandlung mit Amiodaron, Gold, und Sulfasalazin auf; kann des Weiteren im Verlauf einer Pneumonie auftreten; Vorkommen bei rheumatischen und Autoimmunerkrankungen (z. B. Kollagenosen)
- Chronisch interstitielle Pneumonien (Synonyme: interstitielle Lungenkrankheiten; Lungengerüstkrankheiten)
- Desquamative interstitielle Pneumonitis (DIP) – interstitielle Pneumonie, die vor allem bei Rauchern auftritt; Auftreten vorwiegend im 4. oder 4. Lebensjahrzehnt
- Diabetes mellitus
- Eosinophiles Lungensyndrom – heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch eine Akkumulation von eosinophilen Granulozyten in den Alveolen und/oder dem Interstitium gekennzeichnet sind; Ursachen sind u. a. allergische bronchopulmonale Aspergillose, Autoimmunerkrankungen (z. B. eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis), Helminthen, Drogen (z. B. Kokain), Medikamente (z. B. Phenytoin, L-Tryptophan)
- Exogen-allergische Alveolitis (EAA) – immunmeditierte, allergische Erkrankung, die durch Inhalation von vor allem organischen Partikeln (z. B. Vogelprotein), Schimmelpilzen und entsprechender Prädisposition auftritt.
- Gewöhnliche interstitielle Pneumonie/Pneumonitis (Sammelbegriff für jede Form der Lungenentzündung (Pneumonie), welche nicht die Alveolen (Lungenbläschen), sondern das Interstitium bzw. den Zellzwischenraum betrifft) (Usual Interstitial Pneumonia, UIP)
- Gastroösophageale Refluxkrankheit (Synonyme: GERD, Gastro-oesophageal reflux disease; Gastroesophageal Reflux Disease (GERD); Gastroösophageale Refluxkrankheit (Refluxkrankheit); gastroösophagealer Reflux; Reflux-Ösophagitis; Refluxkrankheit; Refluxösophagitis; peptische Ösophagitis) – entzündliche Erkrankung der Speiseröhre (Ösophagitis), die durch den krankhaften Rückfluss (Reflux) von saurem Magensaft und anderen Mageninhalten hervorgerufen wird
- Pneumonie (Lungenentzündung) – z. B. nach Legionellose
- Rheumatologische Erkrankungen – Dermatomyositis, Granulomatose mit Polyangiitis, Lupus erythematodes, Morbus Bechterew, Polymyositis, rheumatoide Arthritis, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose
- Sarkoidose
- Strahlenpneumonitis (Bestrahlungspneumonie) − Lungenentzündung als Folge einer Bestrahlung; interstitielle Lungenerkrankung
Medikamente (inkl. medikamenteninduzierter interstitieller Lungenerkrankungen (engl. Drug-induced interstitial lung disease, DILD))
- Amiodaron [2], Flecainid (Antiarrhythmika)
- Antibiotika – Nitrofurantoin, Daptomycin [2]
- Antikonvulsiva, nicht näher bezeichnet (z. B. Phenytoin)
- Calciumkanalblocker – Bepridil (Amin-Calciumkanalblocker; Inzidenz von DILD: 6,3 %) [2]
- Checkpointinhibitoren – Ipilimumab (Inzidenz einer DILD: 5,44 %), Nivolumab (Inzidenz einer DILD: 11,7 %) [2]
- Gold
- Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren [2]
- Interferone [2]
- Krebsimmuntherapie – Imatinib (Proteinkinaseinhibitor), Rituximab [2]
- L-Tryptophan
- Monoklonale Antikörper – Erlotinib, Cetuximab, Gefitinib, Panitumumab [2]
- mTOR-Inhibitoren – Everolimus, Temsirolimus und Sirolimus [2]
- Rheumamedikamente – Leflunomid, Methotrexat (Inzidenz der DILD: 0,06-15 %) [2], TNF-Inhibitoren [2]
- Sauerstoff
- Zytostatika
- Bleomycin (Inzidenz einer DILD: 6,8-15 %) [2]
- Busulfan
- Gemcitabin (Inzidenz einer DILD: 1,1-3,9 %)
- Irinotecan (Zytostatikum aus der Gruppe der Topoisomerase-Hemmer) [2]
- Methotrexat (MTX) [sehr selten]
- Pemetrexed [2]
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Herbizide (Unkrautbekämpfungsmittel) wie Paraquat
- Inhalation von Noxen wie Tabakrauch, Gase, Dämpfe, Aerosole, Haarspray, Holzstäube, Metallstäube (Arbeiter in Metallhütten), Steinstäube (siliziumhaltige Kieselsäuren/Arbeiter in Steinbrüchen sowie Sandstrahler; faserförmige Silikat-Minerale: Asbest; Beryllium bei der Berylliumverarbeitung) sowie Pflanzen- und Tierpartikel
Weitere Ursachen
- Mikroaspiration von Magensaft
- Radiatio (Strahlentherapie) mit ionisierenden Strahlen
Literatur
- Stanley SE et al.: Loss-of-function mutations in the RNA biogenesis factor NAF1 predispose to pulmonary fibrosis-emphysema. Science Translational Medicine 10 Aug 2016: Vol. 8, Issue 351, pp. 351ra107 doi: 10.1126/scitranslmed.aaf7837
- Skeoch S et al.: Drug-Induced Interstitial Lung Disease: A Systematic Review J. Clin. Med. 2018, 7(10), 356; https://doi.org/10.3390/jcm7100356
- Riehl DR et al.: Externalized histones fuel pulmonary fibrosis via a platelet-macrophage circuit of TGFβ1 and IL-27 PNAS September 27, 2023 120 (40) e2215421120 https://doi.org/10.1073/pnas.221542112
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) der Berufskrankheitenverordnung. (AWMF-Registernummer: 020 - 010), Juni 2016 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten. (AWMF-Registernummer: 002 - 038), November 2020 Langfassung