Lungenembolie – Einleitung

Bei der Lungenembolie (LE) handelt es sich um eine mechanische Obstruktion (Verstopfung oder Verengung) einer oder mehrerer Äste der Pulmonalarterie (Lungenarterie), die meist durch einen Thrombus (Blutgerinnsel) aus den tiefen Bein- und Beckenvenen (ca. 90 % der Fälle) und seltener durch Thromben aus den oberen Extremitäten verursacht wird.

Synonyme und ICD-10: Arterielle Lungenembolie; embolische Pneumonie; embolischer Lungeninfarkt; fulminante Lungenembolie; hämorrhagischer Lungeninfarkt; Infarkt der Lunge; Lungenarterienembolie (LAE); Lungenembolie; Lungeninfarkt; Lungenthrombembolie; Lungenthrombose; massive Lungenembolie; Nichtmassive Lungenembolie; postoperative Lungenembolie; Pulmonalarterienembolie; Pulmonalarterienthrombembolie; Pulmonalarterienthromboembolie; pulmonale Embolie; Pulmonalembolie; pulmonaler Infarkt; pulmonale Thromboembolie; Pulmonalthrombose; Pulmonalvenenthromboembolie; pulmonale Embolie; Thrombose der Arteria pulmonalis; thrombotischer Lungeninfarkt; venösen Thromboembolie (VTE); ICD-10-GM I26.-: Lungenembolie

Im Zusammenhang mit der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose (tiefe Venenthrombose, (TVT); "deep vein thrombosis", DVT) wird auch der Begriff der venösen Thromboembolie (VTE) benutzt. Des Weiteren kann eine Embolie auch aus Gewebeteilen, Luft, Fett oder Fremdkörpern entstehen.

Anatomie und Funktionen

Die Lungenarterien transportieren sauerstoffarmes Blut vom rechten Ventrikel des Herzens zur Lunge, wo es mit Sauerstoff angereichert wird. Ein Verschluss dieser Arterien durch ein Gerinnsel (Embolus) kann den Gasaustausch in der betroffenen Lungenregion erheblich beeinträchtigen, was zu einem Anstieg des Lungengefäßwiderstands und einer Belastung des rechten Herzens führt.

Charakteristische Laborbefunde

  • D-Dimer: Erhöhte D-Dimer-Werte weisen auf die Aktivität des fibrinolytischen Systems hin und sind bei einer Lungenembolie häufig erhöht. Ein negativer D-Dimer-Test schließt eine Lungenembolie in vielen Fällen mit hoher Sicherheit aus, insbesondere bei Patienten mit niedriger bis mittlerer klinischer Wahrscheinlichkeit.
  • Arterielle Blutgasanalyse:

    • Hypoxämie: Verminderter Sauerstoffpartialdruck (PaO2) im Blut.
    • Hypokapnie: Verminderter Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2) im Blut, häufig durch Hyperventilation bedingt.
    • Alkalose: Respiratorische Alkalose aufgrund der Hyperventilation, die bei einer Lungenembolie oft auftritt.
  • Troponin: Erhöhte Werte können auf eine rechtsventrikuläre Belastung hinweisen, die durch eine größere oder ausgedehntere Lungenembolie verursacht wird. Dies ist jedoch kein spezifischer Befund.
  • Brain Natriuretic Peptide (BNP) oder NT-proBNP: Erhöhte Werte deuten auf eine Belastung des rechten Ventrikels hin, sind aber ebenfalls nicht spezifisch für eine Lungenembolie.

Diese Laborbefunde sind wichtige Bausteine in der Diagnostik der Lungenembolie, sollten jedoch immer im Kontext der klinischen Präsentation und Bildgebungsergebnisse interpretiert werden.

Formen der Lungenembolie

Nach Schweregraden

  1. Hämodynamisch stabil ohne Rechtsherzfehlfunktion
  2. Hämodynamisch stabil mit Rechtsherzfehlfunktion
  3. Mit Schocksymptomatik
  4. Reanimationspflicht

Akute Lungenembolie mit hämodynamischer Instabilität (Zustand, in dem der Kreislauf in einem klinisch relevanten Ausmaß beeinträchtigt ist) und ihre klinischen Manifestationen:

  • Herzstillstand
  • Obstruktiver Schock – systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder wenn Vasopressoren (Medikamente, die den Blutdruck heben bzw. stützen) erforderlich sind, um ihn über 90 mmHg zu halten. Auftreten desselben, obwohl kein Volumenmangel vorliegt und gleichzeitig Zeichen einer Hypoperfusion (Minderdurchblutung) der Organe erkennbar sind. Dieses geht einher mit verminderter Vigilanz (Aufmerksamkeit), kalter feuchter Haut, erhöhter Laktatkonzentration und Oligurie (verminderte Urinmenge mit einer Tageshöchstmenge von 500 m)/Anurie (fehlende Urinausscheidung; maximal 100 ml/24 h).
  • Persistierende Hypotension – systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder Abfall des systolischen Blutdrucks um ≥ 40 mmHg, Dauer > 15 min und nicht bedingt durch Arrhythmie (Herzrhythmusstörungen), Hypovolämie (Verminderung der im Kreislauf zirkulierenden Blutmenge) oder Sepsis (Blutvergiftung).

Epidemiologie

Dritthäufigste kardiovaskuläre Todesursache

  • Hohe Dunkelziffer
  • Häufig bei immobilisierten Personen

Frauen im gebärfähigen Alter

  • Relativ hoher Anteil der tödlichen Lungenembolien an allen Todesfällen

Häufigkeitsgipfel

  • Alter zwischen 60 und 70 Jahren
  • Gefäßchirurgische Patienten: Maximum am 3. postoperativen Tag
  • Allgemeinchirurgische Patienten: Maximum am 9. postoperativen Tag

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • 1-2 % bei allen stationären Patienten in Deutschland
  • Tiefe Beinvenenthrombose (TBVT) etwa dreimal häufiger als Thromboembolie

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • Allgemein: 60-115 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland)
  • Ambulant erworbene Lungenembolie bei Erwachsenen: etwa 28 pro 100.000 Einwohner und bei Kindern bis zu 4,9 pro 100.000 Einwohner. Bei hospitalisierten Patienten wird von einer Inzidenz von bis zu 57 pro 100.000 ausgegangen [1, 2].
  • Fulminante Lungenembolie: 1 pro 100.000 Einwohner pro Jahr

Autoptische Feststellung

  • Bei 10-15 % der Verstorbenen kann eine Lungenembolie durch Autopsie festgestellt werden.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Abhängigkeit vom Schweregrad und anderen Faktoren

  • Schweregrad der Lungenembolie
  • Alter des Patienten
  • Vorerkrankungen
  • Auflösung des Thrombus (Restitutio ad integrum) oder Gefäßverschluss (Lungeninfarkt)

Rezidivrate

  • Häufig rezidivierend (wiederkehrend) mit einer Rezidivrate von 30 %
  • Höhere Mortalität (Sterberate) bei wiederkehrenden Lungenembolien

Venöse Thromboembolie ohne erkennbaren Trigger

  • Familiäre Vorbelastung
  • Frauen mit hormonbedingter VTE haben ein geringes Rezidivrisiko [3]

Folgeerkrankungen

  • Belastungseinschränkungen
  • Psychologische Auswirkungen
  • Entwicklung einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH; engl. chronic thromboembolic pulmonary hypertension)
    • Obstruktion (Verschluss) eines Teils der Lungenstrombahn
    • Anstieg des pulmonalvaskulären Widerstands

Postoperative Letalität

  • Trotz Prophylaxe beträgt die postoperative Letalität 0,2-0,5 % (Anteil aller Erkrankten, der irgendwann an der Krankheit stirbt)

Prognose

Prognose bei Rezidiven

  • Höhere Mortalität bei wiederkehrenden Lungenembolien
  • Frauen mit hormonbedingter VTE haben ein geringes Rezidivrisiko [3]

Langzeitprognose

  • Belastungseinschränkungen und psychologische Auswirkungen
  • Risiko der Entwicklung einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH)

Empfehlung

  • Nach einer venösen Thromboembolie (VTE) sollte ein Tumorscreening erfolgen.

Literatur

  1. Konstantinides S et al.: 2014 ESC Guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism. European Heart Journal 2014; 35: 3033-3080; doi: 10.1093/eurheartj/ehu283
  2. Biss TT, Brandao LR, Kahr WH, Chan AK, Williams S: Clinical features and outcome of pulmonary embolism in children. Br J Haematol 2008 Sep;142(5):808-18. doi: 10.1111/j.1365-2141.2008.07243.x.
  3. de Moreuil C et al.: Long-term recurrence risk after a first venous thromboembolism in men and women under 50 years old: A French prospective cohort Eur J Intern Med . 2021 Feb;84:24-31. doi: 10.1016/j.ejim.2020.10.014.

Leitlinien

  1. Pocket-Leitlinie: Management der akuten Lungenembolie. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK). 2014
  2. Konstantinides S et al.: 2014 ESC Guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism. European Heart Journal 2014 Nov; 35: 3033-3080; doi: 10.1093/eurheartj/ehu283
  3. NCCN Guidelines: Cancer-Associated Venous Thromboembolic Disease. National Comprehensive Cancer Network (NCCN). Clinical Practice Guidelines in Oncology Version 2.2018
  4. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonaryembolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS) – The Task Force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC), Eur Heart J 2020;41,4:543-603,  https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz405
  5. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. (AWMF-Registernummer: 065-002), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung