Ertrinken – Körperliche Untersuchung
Kommt es aufgrund eines Unfalls zum Beinahe-Ertrinken, sollte zur Beurteilung der Bewusstseinslage der Glasgow Coma Scale durchgeführt werden:
Schädel-Hirn-Trauma (SHT) |
Glasgow Coma Scala |
Bewusstlosigkeit |
Leichtes SHT | 13-15 Punkte | bis 15 Minuten |
Mittelschweres SHT | 9-12 Punkte | bis eine Stunde |
Schweres SHT | 3-8 Punkte | > 1 Stunde |
Glasgow Coma Scala, GCS) [1]. Diese enthält folgende Kriterien:
Kriterium | Punktzahl | |
Augenöffnen | spontan | 4 |
auf Aufforderung | 3 | |
auf Schmerzreiz | 2 | |
keine Reaktion | 1 | |
Verbale Kommunikation | konversationsfähig, orientiert | 5 |
konversationsfähig, desorientiert | 4 | |
unzusammenhängende Worte | 3 | |
unverständliche Laute | 2 | |
keine verbale Reaktion | 1 | |
Motorische Reaktion | befolgt Aufforderungen | 6 |
gezielte Schmerzabwehr | 5 | |
ungezielte Schmerzabwehr | 4 | |
auf Schmerzreiz Beugesynergismen | 3 | |
auf Schmerzreiz Strecksynergismen | 2 | |
keine Reaktion auf Schmerzreiz | 1 |
Beurteilung
- Die Punkte werden für jede Kategorie einzeln vergeben und anschließend addiert. Die maximale Punktzahl ist 15, die minimale 3 Punkte.
- Bei 8 oder weniger Punkten ist von einer sehr schweren Gehirnfunktionsstörung auszugehen und des besteht die Gefahr von lebensbedrohlichen Atmungsstörungen.
- Bei einem GCS ≤ 8 muss eine Sicherung der Atemwege erwogen werden.
Das SHT umfasst:
- Skalpverletzungen,
- knöcherne Frakturen
- Duraverletzungen
- intrakranielle Läsionen
Anschließend folgt eine umfassende körperliche und neurologische Untersuchung:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpertemperatur, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung)
- Kopf/Schädel [wg. möglicher Symptome (Grad 1): Schwellungen, Blutungen am Schädel]
- Haut und der Schleimhäute [differentialdiagnostische Zeichen: Zungenbiss/Einnässen?]
- Abdomen (Bauch)
- Form des Abdomens?
- Hautfarbe? Hautbeschaffenheit?
- Effloreszenzen (Hautveränderungen)?
- Pulsationen? Darmbewegungen?
- Sichtbare Gefäße?
- Narben? Hernien (Brüche)?
- Auskultation (Abhören) des Herzens [wg. möglichem Symptom (Grad 1): Störungen von Herzfrequenz]
- Auskultation der Lunge [wg. möglichem Symptom (Grad 1): Störungen der Atmung]
- Palpation (Abtasten) des Abdomens (Bauch) (Druckschmerz?, Klopfschmerz?, Hustenschmerz?, Abwehrspannung?, Bruchpforten?, Nierenlagerklopfschmerz?) [wg. möglicher Symptome (Grad 1): Nausea (Übelkeit), Erbrechen]
- Inspektion (Betrachtung)
- Neurologische Untersuchung ‒ inklusive der Überprüfung der Reflexe, der Pupillenreaktion und der Hirnnervenfunktion
[wg. möglicher Symptome (Grad 1):
- Amnesie (Erinnerungslücke)
- Cephalgie (Kopfschmerzen)
- Krampfanfall
- Kurz andauernde Bewusstlosigkeit
- Nachfolgende Benommenheit und Verlangsamung
- Sehstörungen wie Diplopie (Doppeltsehen, Doppelbilder)
- Vertigo (Schwindel)
- Verwirrtheit (auch anstatt der Bewusstlosigkeit)
[wg. Differentialdiagnosen (falls kein sicherer Anhalt für ein Unfallereignis existiert):
- Apoplex (Schlaganfall)
- Basilaristhrombose ‒ Verschluss einer Basisarterie des Hirnstammes, der mit schweren neurologischen Schäden einhergeht
- Chronisches subdurales Hämatom ‒ Einblutung zwischen Schichten der Hirnhäute, die zu verschiedenen neurologischen Symptomen führen kann
- Coma vigile (akinetischer Mutismus) ‒ Stummheit bei allgemeiner Hemmung der motorischen Funktionen, die vor allem bei psychiatrischen Erkrankungen oder Verletzungen/Tumoren des Gehirns bedingt ist
- Epilepsie
- Erhöhter Hirndruck
- Hirnabszess ‒ abgekapselte Eiteransammlung im Gehirn
- Hirnkontusion (Hirnprellung)
- Hirnmassenblutung
- Hirnsinusthrombose ‒ Verschluss eines venösen Hirnblutleiters
- Hirnstammblutung
- Hirnstamminfarkt
- Meningoenzephalitis ‒ kombinierte Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) und der Hirnhäute (Meningitis)
- Subarachnoidalblutung – Blutung zwischen Spinngewebshaut und Hirnoberfläche; in 75-80 % der Fälle ist ein Aneurysma (Aussackung einer Arterie) die Ursache dafür]
In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.
Postmortal lassen sich beim Tod durch Ertrinken folgende Befunde feststellen:
Typisches Ertrinken
- Äußere Leichenschau:
- Schaumpilz – quillt aus Mund und Nase; er entsteht aus Flüssigkeit, Bronchialsekret und Restluft aus den Alveolen (Lungenbläschen)
- Durch Obduktion:
- Sehrtsche Magenschleimhauteinrisse – vor allem am Mageneingang, verursacht durch das Erbrechen von verschlucktem Wasser
- Wasser im Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt)
- Wydler-Zeichen – der Mageninhalt ist dreigeschichtet: oben schaumig, in der Mitte flüssig, unten fest
- Lungenbefund:
- Elastizität des Lungengewebes ist vermindert
- Lungenlappen sind überbläht und trocken sowie massiv aufgequollen
- Paltauf-Flecken (Erstickungsblutungen)
Atypisches Ertrinken
- Durch Obduktion:
- Paltauf-Flecken (verwaschene Einblutungen der Pleura visceralis beim Erstickungstod durch Ertrinken) und Wydler-Zeichen können fehlen oder sind nur gering ausgeprägt.
Wydler-Zeichen: Dazu wird der Mageninhalt entnommen und in ein Becherglas gefüllt. Nach einer gewissen Standzeit lässt sich eine charakteristische Dreischichtung, das Wydler-Zeichen, beobachten: Oben befindet sich eine schaumige, in der Mitte eine flüssige und am Boden des Glases eine feste Phase - Ggf. lässt sich die Ursache des atypischen Ertrinkens finden.
- Paltauf-Flecken (verwaschene Einblutungen der Pleura visceralis beim Erstickungstod durch Ertrinken) und Wydler-Zeichen können fehlen oder sind nur gering ausgeprägt.
Literatur
- Teasdale G, Jennet B: Assessment of coma and impaired consciouness: a pratical scale, Lancet 2:81-84, 1974