Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine fortschreitende Erkrankung der Atemwege, die durch eine chronische Entzündung und eine irreversible Einschränkung des Luftstroms charakterisiert ist. Die Pathogenese der COPD umfasst verschiedene Faktoren, die zur Zerstörung des Lungengewebes und zur fortschreitenden Beeinträchtigung der Lungenfunktion beitragen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Insuffizienz und Zerstörung des Flimmerepithels

Das Flimmerepithel der Atemwege, das normalerweise für die mukoziliäre Clearance (Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien) verantwortlich ist, wird durch anhaltende Schädigungen, insbesondere durch Tabakrauch, beeinträchtigt. Dies führt zu einer Funktionsinsuffizienz des Flimmerepithels, wodurch Schleim und Schadstoffe nicht mehr effektiv abtransportiert werden können.

  • Zerstörung des Epithels: Die fortgesetzte Exposition gegenüber Schadstoffen wie Zigarettenrauch führt zu einer vollständigen Zerstörung des Flimmerepithels. Ohne diese Schutzbarriere verbleiben Schleim und Schadstoffe in den Atemwegen und fördern Entzündungsprozesse.

Atrophie der Bronchialschleimhaut

Durch die chronische Reizung der Atemwege kommt es zu einer Atrophie der Bronchialschleimhaut (Schwund des Gewebes), was die Schutzfunktion der Schleimhäute weiter beeinträchtigt. Diese Atrophie fördert die Entstehung einer chronischen Entzündung, die die Atemwege dauerhaft schädigt.

Abnorm gesteigerte Schleimproduktion

Eine der charakteristischen Veränderungen bei COPD ist eine abnorm gesteigerte Schleimproduktion. Diese resultiert aus der Hypertrophie und Hyperplasie der Schleimdrüsen in den Bronchien. Der überschüssige Schleim blockiert die Atemwege und behindert den Luftstrom, was zu chronischem Husten und Atemnot führt.

Entzündliche Infiltrationen

Bei COPD sind die Atemwege häufig durch inflammatorische Infiltrationen von Lymphozyten und Plasmazellen gekennzeichnet. Diese Immunzellen wandern in das betroffene Gewebe ein, um auf die ständige Exposition gegenüber Schadstoffen zu reagieren, was die Entzündung chronisch macht.

  • Entzündungsmediatoren: Die anhaltende Entzündung führt zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, wie Zytokinen und Proteasen, die das umliegende Gewebe schädigen und die Lungenstruktur zerstören.

Metaplasie des Plattenepithels

Durch die anhaltende Schädigung des Flimmerepithels kommt es zur Metaplasie des Plattenepithels. Dabei wird das normale respiratorische Epithel durch Plattenepithel ersetzt, das zwar widerstandsfähiger gegenüber Schadstoffen ist, jedoch keine Schutzfunktion wie das ursprüngliche Epithel bietet. Dies führt zu einer weiteren Verschlechterung der mukoziliären Clearance und begünstigt die Ansammlung von Schleim und Schadstoffen in den Atemwegen.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Chronische Bronchitis

Die oben genannten Faktoren führen gemeinsam zur Entwicklung einer chronischen Bronchitis, die durch eine dauerhafte Entzündung der Bronchien, vermehrte Schleimproduktion und eine Behinderung des Luftflusses gekennzeichnet ist.

  • Verengung der Atemwege: Durch die Entzündung und die Schleimansammlung werden die Atemwege verengt, was zu einer dauerhaften Obstruktion des Luftstroms führt.

Zerstörung der terminalen Bronchiolen

Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Zerstörung der terminalen Bronchiolen (den kleinsten Bronchien) der Entwicklung eines Lungenemphysems vorausgeht. Diese feinen Atemwege sind für den Luftaustausch in den Alveolen entscheidend. Ihre Zerstörung führt zu einer Luftfalle, bei der die Luft nicht mehr richtig aus den Lungenbläschen entweichen kann.

Lungenemphysem

Die chronische Bronchitis und die Zerstörung der Bronchiolen führen im weiteren Verlauf zur Entstehung eines Lungenemphysems, das durch eine irreversible Überblähung der Lungenbläschen (Alveolen) gekennzeichnet ist. Der Elastizitätsverlust des Lungengewebes führt dazu, dass die Lungenbläschen nicht mehr richtig entleert werden können, was die Sauerstoffaufnahme und den Gasaustausch massiv beeinträchtigt.

  • Elastizitätsverlust: Die Zerstörung des elastischen Bindegewebes um die Alveolen führt zu einer Überblähung der Lunge und einer verminderten Fähigkeit, die Luft auszuatmen.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

Die chronische Entzündung und Obstruktion der Atemwege bei COPD führen zu den typischen Leitsymptomen:

  • Chronischer Husten: Häufig verbunden mit Schleimauswurf infolge der gesteigerten Schleimproduktion.
  • Atemnot (Dyspnoe): Zunächst nur bei Anstrengung, später auch in Ruhe. Die Atemnot verschlimmert sich im Verlauf der Erkrankung.
  • Giemen: Ein pfeifendes Atemgeräusch infolge der verengten Atemwege.

Fortgeschrittene Symptome

  • Zyanose: Eine Blaufärbung der Haut aufgrund des Sauerstoffmangels.
  • Erschöpfung und Gewichtsverlust: Aufgrund der gesteigerten Atemarbeit.

Progression und Organbeteiligung

Cor pulmonale

Die COPD kann langfristig zu einer Drucksteigerung im Lungenkreislauf führen, die das rechte Herz belastet. Diese Druckerhöhung resultiert aus der Hypoxie (Sauerstoffmangel) und dem Verlust der Lungenelastizität.

  • Cor pulmonale: Die Druckerhöhung in den Lungengefäßen führt zu einer Rechtsherzinsuffizienz (Rechtsherzschwäche), da das rechte Herz gegen einen erhöhten Widerstand im Lungenkreislauf arbeiten muss.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen

  • Muskelabbau und Kachexie: Durch den Sauerstoffmangel und die reduzierte körperliche Aktivität kommt es zu einem Muskelabbau (Kachexie).
  • Erhöhtes Risiko für Infektionen: Die geschwächte Lungenstruktur und die beeinträchtigte mukoziliäre Clearance machen Patienten anfälliger für bakterielle Infektionen.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Lungenüberblähung und Atelektasen: Durch die Zerstörung der Lungenstruktur und die chronische Obstruktion kommt es zu Atelektasen (Kollaps von Lungenabschnitten) sowie einer Überblähung der Lungenbläschen.
  • Beeinträchtigter Gasaustausch: Der Verlust der Lungenelastizität und die Zerstörung der Alveolen führen zu einem stark eingeschränkten Gasaustausch, was zu einer Hypoxie und Hyperkapnie (erhöhter CO2-Spiegel im Blut) führt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Regeneration des Flimmerepithels

Bei COPD ist die Regeneration des Flimmerepithels stark beeinträchtigt. Der chronische Entzündungsprozess verhindert eine vollständige Wiederherstellung der Schleimhaut, und die Zerstörung des Epithelgewebes wird durch Fibrosen (Narbenbildung) ersetzt.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen

  • Erhöhte Atemarbeit: Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel durch eine gesteigerte Atemfrequenz und Atemtiefe zu kompensieren, was jedoch auf Dauer zu einer Erschöpfung der Atemmuskulatur führt.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese der COPD beginnt früher als bisher angenommen und umfasst die Zerstörung der terminalen Bronchiolen, was zur Entwicklung einer chronischen Bronchitis und eines Lungenemphysems führt. Die Kombination aus chronischer Entzündung, gesteigerter Schleimproduktion, Zerstörung des Flimmerepithels und der elastischen Lungenstruktur führt zu einer irreversiblen Obstruktion der Atemwege und einem fortschreitenden Verlust der Lungenfunktion. Dies kann im fortgeschrittenen Stadium zu einem Cor pulmonale und systemischen Komplikationen wie Kachexie und erhöhter Infektionsanfälligkeit führen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: AQP5, FAM13A
        • SNP: rs7671167 im Gen FAM13A
          • Allel-Konstellation: CT (1,32-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (1,7-fach)
        • SNP: rs3736309 im Gen AQP5
          • Allel-Konstellation: AG (0,44-fach)
          • Allel-Konstellation: GG (0,44-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Alpha-1-Antitrypsinmangel (AATD; α1-Antitrypsin-Mangel; Synonyme: Laurell-Eriksson-Syndrom, Proteaseinhibitormangel, AAT-Defizit): genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, bei der aufgrund eines Polymorphismus zu wenig Alpha-1-Antitrypsin gebildet wird, was zur mangelnden Hemmung der Elastase führt, wodurch das Elastin der Lungenalveolen zersetzt wird; klinische Symptomatik: bereits im jungen Erwachsenenalter auftreten von Husten, Auswurf und Dyspnoe (Atemnot) (SNP s. u. Laborparameter "Alpha-1-Antitrypsinmangel")
  • Anatomische Varianten  Dysanapsis (im Vergleich zur Gesamtlunge kleine Atemwegen); Patienten haben bereits in jungen Jahren eine schlechtere Lungenfunktion (FEV1) als Nichtraucher, die später nicht an einer COPD erkranken (könnte möglicherweise zum Teil erklären, warum auch Nichtraucher an einer COPD erkranken können) [8].
  • Risikofaktoren aufgrund von frühkindlichen Ereignissen, wie zum Beispiel Frühgeburt
  • Bronchiale Hyperreaktivität und Asthma bronchiale in der Vorgeschichte
  • Passivraucher als Kind (Eltern rauchen) [7]
  • Häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit
  • Störungen des Lungenwachstums 
  • Alter 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen, Passivrauchen) [2, 3] – Der wichtigste Risikofaktor für das Entstehen einer COPD ist das Rauchen.
      Auch das Rauchen der chinesischen Wasserpfeife ist mit einem erheblichen Anstieg des COPD-Risikos assoziiert, obwohl der Tabakrauch durch Wasser gefiltert wird [4].
      Laut der CanCOLD-Studie (5176 Personen ab 40 Jahren; populationsbasierte, prospektive Canadian Cohort of Obstructive Lung Disease Study (CanCOLD-Studie)) sind allerdings 29 % der COPD-Patienten Nichtraucher [5].
      Hinweis: Eine niedrige Anzahl von Packungsjahren beim COPD-Patienten kann ein Hinweis auf eine Asthmakomponente sein.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern und 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Altersemphysem
  • Asthma bronchiale / "Asthma-COPD-Overlap-Syndrom" [5]
  • Chronische Bronchitis (Entzündung der Bronchialschleimhaut)
  • Narbenemphysem (Ausweitung von Lungengewebe in der Umgebung schrumpfender Lungenbezirke; z. B. durch Einatmen quarzhaltiger Stäube)
  • Subklinische Inflammation (engl. "silent inflammation") – permanente systemische Inflammation (Entzündung, die den gesamten Organismus betrifft), die ohne klinische Symptomatik verläuft
  • Überdehnungsemphysem nach Lungenteilresektion (entsteht dadurch, dass ein Teil der Lunge entfernt worden ist und die übrige Lunge den verbleibenden Platz ausfüllt)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Allgemeine Luftverschmutzung (u. a. NO2, Oxon)
  • Berufsbedingte Stäube – quarzhaltige Stäube (Quarzfeinstaub gilt als Gruppe 1-Karzinogen), Baumwollstäube, Getreidestäube, Schweißrauche, Mineralfasern, irritative Gase wie Ozon, Stickstoffdioxid oder Chlorgas
  • Exposition gegenüber biogenen Heizmaterialien (Kohle, Holz etc. über mindestens zehn Jahre) [5]
  • Holzfeuer [1]
  • Innenraumbelastung (Kochen und Heizen durch die Verbrennung von Naturmaterialien)
  • Luftschadstoffe: Feinstaub, Ozon, Schwefeldioxid
  • Pestizide (Patienten, die beruflich mit Pestiziden hantieren) [9]
  • Schiffsemissionen (Schweröl; Diesel) [6]

Weitere Ursachen

  • Klinikaufenthalte in der Kindheit wegen Atemwegserkrankungen; Risikofaktor für Nichtraucher mit COPD [5]

Literatur

  1. Zhang JJ, Smith KR: Household air pollution from coal and biomass fuels in China: measurements, health impacts, and interventions. Environ Health Perspect. 2007 Jun;115(6):848-55. Epub 2007 Feb 27
  2. Deutsches Krebsforschungszentrum. Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
  3. Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
  4. She J, Yang P, Wang Y, Qin X, Fan J, Wang Y, Gao G, Luo G, Ma K, Li B, Li C, Wang X, Song Y, Bai C: Chinese Water-Pipe Smoking and the Risk of COPD. Chest. 2014 Oct 1;146(4):924-31. doi: 10.1378/chest.13-1499.
  5. Tan WC et al.: Characteristics of COPD in never-smokers and ever-smokers in the general population: results from the CanCOLD study. Thorax 2015;70:822-829
  6. Sapcariu SC et al.: Metabolic Profiling as Well as Stable Isotope Assisted Metabolic and Proteomic Analysis of RAW 264.7 Macrophages Exposed to Ship Engine Aerosol Emissions: Different Effects of Heavy Fuel Oil and Refined Diesel Fuel. Published: June 27, 2016 http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0157964
  7. Diver WR et al.: Secondhand Smoke Exposure in Childhood and Adulthood in Relation to Adult Mortality Among Never Smokers. Am J Prev Med 2018;55(3):345-352. doi: https://doi.org/10.1016/j.amepre.2018.05.005
  8. Smith BM et al.: Association of Dysanapsis With Chronic Obstructive Pulmonary Disease Among Older Adults JAMA. 2020;323(22):2268-2280. doi:10.1001/jama.2020.6918
  9. De Matteis S et al.: Lifetime occupational exposures and chronic obstructive pulmonary disease risk in the UK Biobank cohort Thorax Published Online First: 26 January 2022. doi: 10.1136/thoraxjnl-2020-216523