Bluthusten (Hämoptoe) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Bluthusten (Hämoptyse) beschreibt das Aushusten von blutigem Sekret aus den Atemwegen. Es kann durch eine Vielzahl von Erkrankungen des Atmungssystems verursacht werden, die meist mit einer Schädigung der Schleimhäute, Blutgefäße oder Gewebe der Atemwege einhergehen. Die zugrunde liegenden Mechanismen reichen von lokalen Entzündungen und Infektionen bis zu systemischen Erkrankungen und Tumoren.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Gefäßschädigung
Blutungen in den Atemwegen treten in der Regel infolge einer Schädigung der Blutgefäße in der Bronchial- oder Lungenzirkulation auf. Die Ursachen für diese Gefäßschäden können vielfältig sein:
- Erosion der Gefäßwände: Durch entzündliche oder neoplastische Prozesse (Tumoren) kann die Gefäßwand der Bronchialarterien oder Lungengefäße beschädigt werden, was zu einer Blutung führt.
- Erhöhte Gefäßpermeabilität: Entzündliche Erkrankungen wie Pneumonie (Lungenentzündung) oder Tuberkulose erhöhen die Durchlässigkeit der Gefäßwände, was den Übertritt von Blut in die Atemwege begünstigt.
Entzündung und Infektion
Lokale Entzündungsprozesse der Atemwege können zur Zerstörung des Gewebes und der Blutgefäße führen. Beispiele sind:
- Bronchitis: Eine akute oder chronische Entzündung der Bronchien kann zu einer Schädigung der Schleimhaut und Blutgefäße führen, insbesondere wenn die Entzündung durch häufiges Husten verstärkt wird.
- Pneumonie (Lungenentzündung): Schwere Entzündungen der Lungenbläschen (Alveolen) und des Lungengewebes können zu einer Überlastung der Kapillaren und schließlich zu Blutungen führen.
- Tuberkulose: Die Tuberkulosebakterien verursachen eine chronische granulomatöse Entzündung, die zu Kavernebildung (Hohlräume) und Blutungen aus den betroffenen Bereichen der Lunge führen kann.
Mechanische Schäden
Mechanische Einwirkungen auf die Atemwege können ebenfalls zu Bluthusten führen:
- Trauma: Verletzungen der Brust oder der Atemwege (z. B. durch Verkehrsunfälle, Stürze oder medizinische Eingriffe wie Bronchoskopie/Lungenspiegelung) können zu Blutungen führen.
- Fremdkörperaspiration: Das Einatmen von Fremdkörpern kann lokale Verletzungen in den Atemwegen verursachen und zu Bluthusten führen.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Gefäßproliferation und Kapillarpermeabilität
Infolge einer chronischen Entzündung oder mechanischen Belastung kommt es zu einer verstärkten Proliferation der Bronchialarterien. Dies führt zu einer:
- Vermehrten Kapillardurchlässigkeit: Durch entzündliche Reize kommt es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Kapillaren, was zum Übertritt von Blut in die Bronchien führt.
- Angiogenese: Bei chronischen Entzündungen wie bei Bronchiektasen (Erweiterung der Bronchien) bilden sich vermehrt neue Blutgefäße, die empfindlich und anfällig für Blutungen sind.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Blutiger Auswurf: Das auffälligste Symptom von Hämoptyse ist das Aushusten von blutigem Sekret, das hellrot oder auch bräunlich verfärbt sein kann.
- Atemnot: Abhängig von der Menge der Blutung und der zugrunde liegenden Erkrankung kann es zu einer Atemeinschränkung kommen.
- Schmerzen im Brustbereich (Thoraxschmerzen): Besonders bei infektiösen oder entzündlichen Prozessen wie Pneumonie (Lungenentzündung) oder Bronchitis kann Bluthusten von Brustschmerzen begleitet werden.
Fortgeschrittene Symptome
- Hypoxie: Große Blutungen können den Gasaustausch in der Lunge behindern und zu Sauerstoffmangel führen.
- Hämorrhagischer Schock: In extremen Fällen, bei massiver Hämoptyse, kann es zu einem Kreislaufschock durch Blutverlust kommen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen
- Schleimhauterosionen: Entzündungen oder Infektionen können zu einer fortschreitenden Zerstörung der Schleimhaut und der darunterliegenden Gewebe führen.
- Kavernenbildung: Bei Tuberkulose oder anderen chronischen Infektionen können sich Hohlräume (Kavernen) in der Lunge bilden, die zu wiederholten Blutungen führen.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen
- Pulmonale Hypertonie: Länger anhaltende oder wiederholte Schädigungen der Lungenstruktur können zu einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf führen, was das Risiko für weitere Blutungen erhöht.
- Rechtsherzbelastung: Chronische Lungenerkrankungen, die Bluthusten verursachen, können zu einer Überlastung des rechten Herzens (Cor pulmonale) führen.
Typische Ursachen von Bluthusten
Pulmonale Ursachen
- Bronchitis: Eine akute oder chronische Entzündung der Bronchien, oft durch Viren oder Bakterien verursacht.
- Bronchiektasen: Erweiterungen der Bronchien, die durch chronische Infektionen oder Entzündungen entstehen und zu wiederholtem Bluthusten führen.
- Tuberkulose: Eine bakterielle Infektion, die zur Zerstörung von Lungengewebe und Blutungen führt.
- Lungenkarzinom: Tumoren der Lunge können Blutgefäße infiltrieren und Bluthusten verursachen.
Systemische Ursachen
- Gerinnungsstörungen: Erkrankungen oder Medikamente, die die Blutgerinnung beeinträchtigen, wie Verbrauchskoagulopathie (DIC) oder Antikoagulantien, erhöhen das Risiko für Blutungen in den Atemwegen.
- Herzinsuffizienz: Bei schwerer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) kann es durch den erhöhten Druck in den Lungengefäßen zu einem Austritt von Blut in die Atemwege kommen.
- Pulmonale Embolie: Ein Blutgerinnsel in den Lungengefäßen kann zu einer Infarzierung des Lungengewebes und damit zu Blutungen führen.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der Lungenfunktion
- Behinderung des Gasaustausches: Blut in den Alveolen blockiert den Sauerstoff- und Kohlendioxidaustausch, was zu einer Einschränkung der Lungenfunktion führt.
- Atemwegsobstruktion: Große Mengen an Blut können die Atemwege blockieren und eine mechanische Atembehinderung verursachen.
Schmerzentstehung
- Pleuritis: Wenn eine Blutung durch eine Entzündung der Pleura (Brustfell) verursacht wird, können Brustschmerzen auftreten.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Regeneration des Lungengewebes
- Epithelregeneration: Nach kleineren Verletzungen der Atemwege kann das Bronchialepithel regenerieren, wenn die Ursache der Schädigung beseitigt wird.
Kompensatorische Anpassungsmechanismen
- Kompensationsmechanismen bei Hypoxie (Sauerstoffmangel): Der Körper erhöht die Atemfrequenz, um die Sauerstoffversorgung trotz eingeschränktem Gasaustausch sicherzustellen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Bluthusten ist ein alarmierendes Symptom, das auf eine Vielzahl von Erkrankungen der Atemwege hinweisen kann, von akuten Infektionen bis zu Tumoren und systemischen Störungen. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen beinhalten typischerweise eine Schädigung der Blutgefäße und eine Beeinträchtigung des Gewebes der Atemwege. Eine rasche Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um die Ursache der Blutung zu identifizieren und lebensbedrohliche Komplikationen wie Hypoxie und Kreislaufschock zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)
- Pulmonale AV-Malformation – Fehlbildungen im Gefäßsystem der Lunge
Atmungssystem (J00-J99
- Bronchiektasen (Synonym: Bronchiektasie) – dauerhaft bestehende irreversible sackförmige oder zylindrische Ausweitungen der Bronchien (mittelgroße Atemwege), die angeboren oder erworben sein kann; Symptome: chronischer Husten mit "maulvoller Expektoration" (großvolumiger dreigeschichteter Auswurf: Schaum, Schleim und Eiter), Müdigkeit, Gewichtsverlust und eine verringerte Leistungsfähigkeit (z. B. wg. Mukoviszidose) (6,8 %)
- Bronchitis
- Bronchopulmonale Fistel – Kommunikation zwischen den bronchialen Atemwege und dem Pleuraraum
- Infektiöse Atemwegserkrankungen (22 %):
- Bronchitis – Entzündung der größeren verzweigten Atemwege (Bronchien)
- Pneumonie – Lungenentzündung
- Lungenabszess – abgekapselte Eiteransammlung in der Lunge
- Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge) – z. B. wg. Mitralstenose (Herzklappenfehler, bei dem die Öffnung der Mitralklappe eingeengt ist)
- Pneumonie (Lungenentzündung)
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Hämorrhagische Diathese (Blutgerinnungsstörungen) wie Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen), Hämophilie (Bluterkrankheit)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Idiopathische pulmonale Hämosiderose (IPH) – seltene Erkrankung, die durch eine alveoläre Blutung charakterisiert ist (0,1 %)
- Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
- Gefäßläsionen (Gefäßverletzungen), nicht näher bezeichnet
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Lungenembolie – Loslösung eines Blutpfropfes aus dem Bein mit Verschluss von Lungengefäßen
- Lungeninfarkt – Komplikation einer Lungenembolie, die bei vollständigem Verschluss eines peripheren Pulmonalarterienastes (Lungenarterie) auftreten
- Mitralstenose – Herzklappenfehler, bei dem die Öffnung der Mitralklappe eingeengt ist
- Septische Embolien (wg. Rechtsherzendokarditis/Herzinnenhautentzündung des rechten Herzens)
- Pulmonalarterienembolie (2,6 %)
- Pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck)
- Vaskuläre Malformationen (Gefäßfehlbildungen; 0,2 %): z. B.
- Goodpasture Syndrom (s. u. Anti-GBM (unter "Muskel-Skelett-System und Bindegewebe")
- Osler-Weber-Rendu-Krankheit (Synonyme: Morbus Osler; Osler-Syndrom; Morbus Osler-Weber-Rendu; Morbus Osler-Rendu-Weber; Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie, HHT) – autosomal-dominant vererbte Erkrankung, bei der es zu Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße) kommt. Diese können überall auftreten, finden sich jedoch besonders in Nase (Leitsymptom: Epistaxis (Nasenbluten)), Mund, Gesicht und den Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes. Da die Teleangiektasien sehr verletzlich sind, kann es leicht zu Einrissen und somit zur Blutung kommen.
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Aspergillose (Schimmelpilzinfektion), invasive (1,1 %)
- Echinokokkose – Infektionserkrankung, die durch die Parasiten Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm) und Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) ausgelöst wird
- Fieberhafte Infektionserkrankungen wie Influenza (echte Grippe/Virusgrippe)
- Helminthiasis (Wurmerkrankungen)
- Leptospirose (Morbus Weil) – Infektionserkrankung, die durch Leptospiren verursacht wird
- Pest
- Tuberkulose (Schwindsucht) (2,7 %)
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Blutungen aus dem Verdauungstrakt, nicht näher definiert
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Anti-GBM (Glomeruläre Basalmembran)-Krankheit (Synonym: Goodpasture-Syndrom) – Kombination von hämorrhagischen Lungeninfiltraten mit Glomerulonephritis (Nierenkörperchenentzündung) – nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kleingefäßvaskulitiden), welche mit einer Granulombildung (Knötchenbildung) in den oberen Atemwegen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) sowie den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht.
- Kollagenosen, wie z. B.
- Dermatomyositis – entzündliche Muskelerkrankung (Myositis/Muskelentzündung), die ebenfalls die Haut betrifft (Dermatitis/Entzündung der Haut).
- Polymyositis – entzündliche Systemerkrankung der Skelettmuskulatur
- Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – Systemerkrankung, die die Haut und das Bindegewebe der Gefäße betrifft und so zu Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) zahlreicher Organe wie Herz, Nieren oder Gehirn führt
- Vaskulitiden – entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die durch eine Neigung zu Entzündungen der (meist) arteriellen Blutgefäße gekennzeichnet sind
- Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) – granulomatöse (etwa: "körnchenbildende") Entzündung der kleinen bis mittelgroßen Blutgefäße, bei der das betroffene Gewebe von eosinophilen Granulozyten (Entzündungszellen) infiltriert ("durchwandert") wird
- Granulomatose mit Polyangiitis – nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kleingefäßvaskulitiden), welche mit einer Granulombildung (Knötchenbildung) in den oberen Atemwegen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) sowie den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht.
- Mikroskopische Polyangiitis – nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen ("mikroskopischen") Blutgefäße, wobei auch größere Gefäße betroffen sein können.
- Periarteriitis nodosa – nekrotisierende Vaskulitis (Gefäßentzündung), die in der Regel mittelgroße Gefäße betrifft
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Bösartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet
- Gutartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet
- Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) und Metastasen (Tochtergeschwülste) (17,4 %)
- Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs)
- Trachealkarzinom (Luftröhrenkrebs)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Blutung aus den Atemwegen, nicht näher bezeichnet
- Epistaxis (Nasenbluten)
- Falscher Bluthusten (falsche Hämoptyse) – Blut aus der Nase oder dem Rachen, welches ausgehustet wird
- Kryptogener Husten/Husten unklarer Ursache (50 %)
- Lungenblutung
- Prolongierter Husten – lange anhaltender Husten
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Fremdkörper/Fremdkörperaspiration (= wenn ein Fremdkörper in den Larynx (Kehlkopf), die Trachea (Luftröhre) oder in die Bronchien gelangt)
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
- Thoraxtrauma (Brustkorbverletzung)
- Verletzungen, Frakturen (Knochenbrüche), nicht näher bezeichnet
Medikamente
- Antikoagulation (Gerinnungshemmung)*
- Thrombolysetherapie (Auflösung eines Thrombus mithilfe von Medikamenten)*
Operationen
- Endoskopische Lungenvolumenreduktion (ELVR)* – Methode zur Behandlung des schweren Lungenemphysems
- Lungenbiopsien (Gewebeentnahme aus der Lunge)*
Weiteres
- Rechtsherzkatheter (minimalinvasive medizinische Untersuchung des Herzens über einen Katheter) *
- Trauma (Verletzung)/Lungenkontusion (Lungenquetschung) (0,7 5)
- Trockene Raumluft (niedrige Luftfeuchtigkeit)
*Iatrogen ("durch einen Arzt verursacht"; 5 %)
Prozentangaben (%) nach [1]
Literatur
- Abdulmalak C, Cottenet J, Beltramo G et al.: Haemoptysis in adults: a 5-year study using the French nationwide hospital administrative database. Eur Respir J 2015 Aug;46(2):503-11. doi: 10.1183/09031936.00218214. Epub 2015 May 28.