Asthma bronchiale – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Asthma bronchiale dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen der Atemwege, wie Asthma bronchiale, chronische Bronchitis oder allergische Erkrankungen (z. B. Heuschnupfen, Neurodermitis)?

Soziale Anamnese

  • Welchen Beruf üben Sie aus?
  • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen ausgesetzt, z. B. Staub, Rauch oder Chemikalien?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stress?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Leiden Sie unter folgenden Symptomen:
    • Husten, mit oder ohne Auswurf?
    • Giemen (pfeifendes Atemgeräusch)?
    • Anfallsartige, oftmals nächtliche Atemnot?*
    • Engegefühl in der Brust?*
    • Bei Kindern: Wiederholte Episoden von erschwerter Atmung und Atemnot, oft begleitet von trockenem Reizhusten und geräuschvoller Ausatmung, insbesondere bei und nach körperlicher Belastung (z. B. Spielen)?
  • Verlauf der Symptome:
    • Verschlechtern sich die Symptome während der Nacht oder in den frühen Morgenstunden?
    • Tritt eine Verbesserung der Beschwerden nach der Einnahme von Asthmamedikamenten auf?
    • Haben Sie eine Abhängigkeit der Symptome von der Jahreszeit bemerkt (z. B. Pollenflug)?
  • Trigger und Auslöser:
    • Treten die Symptome nach Kontakt mit Allergenen auf, z. B. Pollen, Haustieren, Hausstaub, Schimmelpilzen oder Nahrungsmitteln (s. u.)?
    • Werden die Symptome durch Tabakrauch (aktiv/passiv), chemische Substanzen, Rauch oder Staub ausgelöst?
    • Verschlechtern sich die Beschwerden bei körperlicher Belastung, emotionalem Stress oder Witterungsänderungen (z. B. Kälte, Nebel)?
    • Gab es virale Atemwegsinfekte vor Beginn der Symptome?
    • Reagieren Sie empfindlich auf Haushaltsreiniger oder Duftstoffe (s. u. )?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Geben Sie bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Wird in Ihrer Umgebung regelmäßig geraucht?
  • Leben Sie in einer städtischen oder ländlichen Umgebung (bezüglich Luftverschmutzung)?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche und wie häufig?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Haben Sie Vorerkrankungen wie atopische Dermatitis (Neurodermitis), allergische Rhinitis (Heuschnupfen), chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder eine gastroösophageale Refluxkrankheit (Refluxkrankheit)?
    • Gab es in der Vergangenheit häufige Atemwegsinfekte oder Nebenhöhlenentzündungen?
    • Wurden bei Ihnen stationäre Aufenthalte wegen Asthmaexazerbationen (Episode von progressiver Verschlechterung) oder eines lebensbedrohlichen („near fatal“) Asthmaanfalls dokumentiert?
  • Operationen:
    • Haben Sie Eingriffe an den Atemwegen oder anderen betroffenen Organen durchlaufen?
  • Allergien:
    • Bestehen bekannte Allergien gegen Medikamente, Nahrungsmittel oder Umweltstoffe?

Medikamentenanamnese

  • Antidepressiva – der Einsatz älterer Antidepressiva in der Schwangerschaft war mit einem erhöhten Asthmarisiko assoziiert [1]
  • Asthma kann auch durch die Einnahme von Analgetika (Schmerzmittel) ausgelöst werden – analgetikabedingtes Asthma bronchiale (Analgetikaasthma). Dazu zählen z. B. Acetylsalicylsäure (ASS; Aspirin Exacerbated Respiratory Disease, AERD) sowie nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID, non-steroidal anti-inflammatory drugs; NSAID-exazerbierte Atemwegserkrankung (NERD; exacerbated respiratory disease, NSAID)), die in den Prostaglandinstoffwechsel eingreifen. Es handelt sich dabei um eine genetisch determinierte pseudoallergische Reaktion.
  • Die Norwegian Mother and Child Cohort Study konnte bzgl. einer Paracetamol-Exposition nachweisen [2], dass bei:
    • Paracetamol-Einnahme vor einer Schwangerschaft kein Zusammenhang mit dem Asthmarisiko des Kindes bestand.
    • pränataler Exposition die adjustierte Asthmarate bei Dreijährigen um 13 % und bei Siebenjährigen um 27 % höher war als bei nicht exponierten Kindern.
    • ausschließlicher Exposition in den ersten sechs Lebensmonaten die adjustierte Asthmarate bei Dreijährigen um 29 % und bei Siebenjährigen um 24 % höher war.
  • Ein britisches-schwedisches Forscherteam sieht zwar die Assoziation zwischen der Einnahme bestimmter Analgetika in der Schwangerschaft und einer Prädisposition des Kindes für Asthma als belegt an, aber nicht als kausal bedingt. Der Zusammenhang lässt sich gemäß diesen Autoren vermutlich auf mütterliche Einflüsse wie Ängste, Stress oder chronische Schmerzen zurückführen [8].
  • Paracetamol/Acetaminophen (Kinder, die in den ersten Lebensjahren Paracetamol bekommen haben, erkranken später häufiger an Asthma bronchiale und allergische Rhinitis [3])
  • Auch Betablocker lösen häufig Asthmaanfälle aus!
  • H2-Rezeptor-Antagonisten/Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Einnahme während der Schwangerschaft wegen Sodbrennen erhöht das Risiko der Kinder um 40 % (H2-Rezeptor-Antagonisten) bzw. 30 % (Protonenpumpeninhibitoren), in den ersten Lebensjahren an Asthma bronchiale zu erkranken [4].
    Beachte: Pantoprazol und Rabeprazol sind in der Schwangerschaft kontraindiziert, Omeprazol soll gemäß den Leitlinien nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.

Umweltanamnese

  • Allergene beim allergischen Asthma bronchiale:
    • Haben Sie Kontakt zu Inhalationsallergenen?
      • Pollen
      • Tierische Allergene (Haustaubmilbenkot, Tierhaare, Federn): Häufigste Ursachen eines perennialen ("ganzjährigen") allergischen Asthmas sind die Hausstaubmilbenallergie und Tierhaarallergie.
      • Schimmelpilzsporen
      • Nahrungsmittelallergene
    • Berufsbedingte Exposition
      • In einigen Berufsgruppen tritt Asthma aufgrund von häufigem Kontakt mit allergisierenden, irritativen oder toxischen (giftigen) Substanzen gehäuft auf. Dieses sind z. B. Metallsalze – Platin, Chrom, Nickel –, Holz- und Pflanzenstäube, Industriechemikalien. Bekannt ist auch das sogenannte Bäcker-Asthma, Pilzasthma und auch Menschen, die mit Isocyanaten arbeiten, leiden häufig an Asthma.
    • Wiederholte Exposition gegenüber den auslösenden Allergenen (z. B. chloriertes Wasser in Schwimmbädern) – z. B. beim Babyschwimmen
      • Chloriertes Wasser in Schwimmbädern erhöht das Risiko für eine allergische Rhinitis (Heuschnupfen) und kann bei Disposition die Anfallshäufigkeit bei Asthma bronchiale erhöhen. Die Ursache dafür ist wahrscheinlich, dass Chlorverbindungen die Barriere des Lungenepithels schädigen und dadurch das Eindringen von Allergenen erleichtern. Seit 1980 darf das Wasser in Schwimmbädern nach DIN-Norm höchstens 0,3 bis 0,6 mg/l freies und 0,2 mg/l gebundenes Chlor bei einem pH zwischen 6,5 und 7,6 enthalten.
  • Kalte Luft und Nebel
  • Luftschadstoffe:
    • Aufhalten in einer luft- und umweltverschmutzten Umgebung (Abgase, Feinstaub, Nitrosegase, Smog, Ozon, Tabakrauch)
      • Hazard Ratio von 1,05 (1,03 bis 1,07) für jeden Anstieg der Feinstaubkonzentration (PM2,5) um 5 µg/m3 und von 1,04 (1,03 bis 1,04) für einen entsprechenden Anstieg der PM10-Konzentration [10]
      • Stickstoffdioxid oder Feinstaub in der Atemluft: Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren erhöhten Konzentrationen ausgesetzt sind, erkranken später häufiger an Asthma; Anstieg des Asthmarisikos im Alter von fünf Jahren um 25 % [11].
  • Phthalate (vor allem als Weichmacher für Weich-PVC) – könnte im Genom des Kindes zu dauerhaften epigenetischen Veränderungen führen, die später die Entwicklung eines allergischen Asthmas fördern [7].
    • Hinweis: Phthalate gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können.
  • Wohnbedingungen:
    • Gibt es in Ihrer Wohnung feuchte Wände, Schimmel oder erhöhte Luftfeuchtigkeit [5]?
    • Haushaltssprays – eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung: Bei Personen, die mindestens einmal wöchentlich Haushaltssprays benutzten, war das Asthmarisiko um die Hälfte höher als bei Teilnehmern, die darauf verzichteten; viermal pro Woche Einsatz von Haushaltssprays führte bereits zur Verdoppelung des Asthmarisikos! [6].
    • Reinigungsmittel in den ersten Lebensjahren, vor allem, wenn diese Duftstoffe enthielten: häufiger asthmaartige Atembeschwerden ("wheezing“) und öfter wurde die Diagnose einer Asthmaerkrankung gestellt (versus Haushalten mit einem sparsamen Einsatz) [9].

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Liu X, Olsen J, Pedersen LH, Agerbo E, Yuan W, Li J: Antidepressant Use During Pregnancy and Asthma in the Offspring. Pediatrics. 2015 Mar 9. pii: peds.2014-4073.
  2. Magnus MC et al.: Prenatal and infant paracetamol exposure and development of asthma: the Norwegian Mother and Child Cohort Study. Int J Epidemiol 2016; online 9. Februar. doi: 10.1093/ije/dyv366
  3. Beasley R, Clayton T, Crane J, von Mutius E, Lai CK, Montefort S, Stewart A; ISAAC Phase Three Study Group.Collaborators. Association between paracetamol use in infancy and childhood, and risk of asthma, rhinoconjunctivitis, and eczema in children aged 6-7 years: analysis from Phase Three of the ISAAC programme. Lancet. 2008 Sep 20;372(9643):1039-48.
  4. Devine RE et al.: Acid-suppressive medications during pregnancy and risk of asthma and allergy in children: A systematic review and meta-analysis. NPJ Prim Care Respir Med. 2016; 26: 16001. Published online 2016 Mar 3. doi: 10.1038/npjpcrm.2016.1
  5. Weinmayr G, Gehring U, Genuneit J, Büchele G, Kleiner A, Siebers R, Wickens K, Crane J, Brunekreef B, Strachan DP; ISAAC Phase Two Study Group. Dampness and moulds in relation to respiratory and allergic symptoms in children: results from Phase Two of the International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC Phase Two). Clinical Experimental Allergy. 2013 Jul;43(7):762-74. doi: 10.1111/cea.12107.
  6. Zock JP, Plana E, Jarvis D, Antó JM, Kromhout H, Kennedy SM, Künzli N, Villani S, Olivieri M, Torén K, Radon K, Sunyer J, Dahlman-Hoglund A, Norbäck D, Kogevinas M: The use of household cleaning sprays and adult asthma: an international longitudinal study. Am J Respir Crit Care Med. 2007 Oct 15;176(8):735-41. Epub 2007 Jun 21
  7. Jahreis S et al.: Maternal Phthalate Exposure Promotes Allergic Airway Inflammation over Two Generations Via Epigenetic Modifications. Journal of Allergy and Clinical Immunology Received Date: 1 July 2016 Revised Date: 22 February 2017 Accepted Date: 1 March 2017 doi: 10.1016/j.jaci.2017.03.017
  8. Shaheen SO et al.: Prescribed analgesics in pregnancy and risk of childhood asthma. Eur Respir J. 2019 May 18;53(5). pii: 1801090. doi: 10.1183/13993003.01090-2018
  9. Parks J et al.: Association of use of cleaning products with respiratory health in a Canadian birth cohort. CMAJ February 18, 2020 192 (7) E154-E161; doi: https://doi.org/10.1503/cmaj.190819
  10. Holst GJ et al.: Air pollution and family related determinants of asthma onset and persistent wheezing in children: nationwide case-control study. BMJ 2020; 370 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m2791 (Published 19 August 2020)
  11. Zanobetti A etal.: Early-Life Exposure to Air Pollution and Childhood Asthma Cumulative Incidence in the ECHO CREW Consortium JAMA Netw Open. 2024;7(2):e240535. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.0535