Vergiftungen (Intoxikationen) – Einleitung

Intoxikationen, im allgemeinen Sprachgebrauch als Vergiftungen bezeichnet, umfassen die schädliche Einwirkung von toxischen Substanzen (Noxen) auf den menschlichen Körper, die zu akuten oder chronischen Gesundheitsstörungen führen können.

Synonyme und ICD-10: ICD-10 X49.-!: Akzidentelle Vergiftung durch und Exposition gegenüber schädliche(n) Substanzen; ICD-10-GM Y57.-!: Unerwünschte Nebenwirkungen bei therapeutischer Anwendung von Arzneimitteln und Drogen

Charakteristische Laborbefunde

Bei Verdacht auf eine Intoxikation sollten spezifische Laborparameter untersucht werden, um das Vorhandensein und die Konzentration von toxischen Substanzen im Körper festzustellen. Die Labordiagnostik unterscheidet sich je nach vermuteter Substanz:

  • Alkohol: Blutalkoholkonzentration (BAK)
  • Medikamente/Drogen: Toxikologisches Screening im Urin und Blut
  • Kohlenmonoxid: Carboxyhämoglobin-Spiegel im Blut
  • Metalle (z. B. Blei, Quecksilber): Serum- oder Urinkonzentration der spezifischen Metalle
  • Pestizide: Bestimmung spezifischer Metaboliten im Urin oder Blut

Formen der Intoxikationen

Nach Ursache

  • Akzidentell (versehentlich)
  • Professionell
  • Suizidal

Nach Verlaufsform

  • Akut
  • Subakut
  • Chronisch

Nach Art des Giftes

  • Anorganische Gifte
  • Giftpflanzen
  • Gifttiere (Deutschland: nahezu ausschließlich Insektenstiche)
  • Organische Gifte

Nach Angriffspunkt des Giftes

  • Blutgifte
  • Lebergifte
  • Nervengifte
  • Nierengifte
  • Etc.

Die Art der Gifte ändert sich stetig.

Die folgenden Vergiftungen sind häufig:

  • Alkohole (v. a. Ethanol (Äthanol); ICD-10-GM T51.-: Toxische Wirkung von Alkohol)
  • Anorganische Substanzen (ICD-10-GM T57.-: Toxische Wirkung von sonstigen anorganischen Substanzen)
  • Gase, Dämpfe, Rauche, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM T59.-: toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches])
  • Gifte, die mit der Nahrung aufgenommen werden (Pflanzen (v. a. Eisenhut/Aconitin), Pilze (Orellanus, Knollenblätterpilz) etc.; ICD-10-GM T62.-: Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden; ICD-10-GM T61.-: Toxische Wirkung schädlicher Substanzen, die mit essbaren Meerestieren aufgenommen wurden)
  • Kohlenmonoxid (ICD-10-GM T58: Toxische Wirkung von Kohlenmonoxid)
  • Kontakt zu giftigen Tieren (v.a. Insektenstiche; ICD-10-GM T63.-: Toxische Wirkung durch Kontakt mit giftigen Tieren)
  • Lebensmittel (insbesondere Alkoholika)
  • Medikamente (ICD-10-GM T36.-: Vergiftung durch systemisch wirkende Antibiotika; ICD-10-GM T50.-: Vergiftung durch Diuretika und sonstige und nicht näher bezeichnete Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen)
  • Metalle (ICD-10-GM T56.-: Toxische Wirkung von Metallen)
  • Nikotin (ICD-10-GM T65.2: Tabak und Nikotin)
  • Pestizide (ICD-10-GM T60.-: Toxische Wirkung von Schädlingsbekämpfungsmitteln [Pestiziden])
  • Kosmetika
  • Lampenöl (Kleinkinder)

Differentialdiagnosen

Bei der Diagnose von Intoxikationen ist es wichtig, andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik auszuschließen, wie z.B.:

  • Hypoglykämie (Unterzuckerung)
  • Infektionen mit systemischen Symptomen
  • Psychiatrische Erkrankungen

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Ausgeglichen; leichte Häufung bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Drogenmissbrauch.

Häufigkeitsgipfel: Kinder (unbeabsichtigte Vergiftungen durch Haushaltschemikalien und Pflanzen), Jugendliche und junge Erwachsene (Alkohol- und Drogenmissbrauch), ältere Erwachsene (Arzneimittelintoxikationen).

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Ca. 100-200 Vergiftungsfälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr (hohe Dunkelziffer) 

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Jährlich über 200.000 Krankenhausbehandlungen aufgrund von Vergiftungen in Deutschland; davon viele durch psychotrope Substanzen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akute Intoxikationen: Symptome können schnell auftreten und variieren je nach Toxin. Schwere Intoxikationen erfordern oft intensivmedizinische Behandlung.
  • Chronische Intoxikationen: Entwickeln sich über einen längeren Zeitraum und können zu bleibenden Organschäden führen.

Prognose

  • Abhängig von der Art des Toxins, der Dosis und der Schnelligkeit der medizinischen Intervention.
  • Frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend für eine günstige Prognose.

Die häufigsten Toxidrome von Substanzen bzw. Substanzklassen sind unter "Symptome – Beschwerden" inkl. klinischer Symptomatik, Leitsymptome und Toxine (Beispiele) dargestellt.

Die häufigsten chronischen Vergiftungen sind durch Alkohol und Tabak bedingt. Sie sollen hier jedoch nicht besprochen werden.

In Deutschland besteht eine Meldepflicht für Vergiftungen.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Sekundäre Eisenüberladung bei Patienten mit angeborenen Anämien, Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 025 - 029), Juni 2015 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung. (AWMF-Registernummer: 040 - 012), November 2021 Langfassung