Leberschrumpfung (Leberzirrhose) – Folgeerkrankungen

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine Leberzirrhose (Leberschrumpfung) mit bedingt sein können:

Atmungssystem (J00-J99)

  • Hepatopulmonales Syndrom (HPS)Gefäßdilatation in der Lungenstrombahn mit Entstehung eines Rechts-Links-Shunts, woraus eine arterielle Hypoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) resultiert

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Hämorrhagische Diathese (Gerinnungsstörungen)
  • Hypersplenismus – Komplikation der Splenomegalie; führt zur Steigerung der funktionelle Kapazität über das notwendige Maß hinaus; infolgedessen kommt es zur überschießenden Elimination von Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) aus dem peripheren Blut, sodass eine Panzytopenie (Synonym: Trizytopenie; Verminderung aller drei Zellreihen im Blut) entsteht
  • Knochenmarksuppression – Verminderung des Knochenmarks mit der Folge der verringerten Synthese von Blutzellen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Hyperlipidämie/Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörungen)
    • HDL-Cholesterin-Erniedrigung
  • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion)
  • Hyponatriämie (Natriummangel)
  • Mangelernährung (ca. 60 % der Patienten)
  • Metabolische Azidose
  • Sarkpene Adipositas – gleichzeitige Vorliegen einer Adipositas nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit einem Body-Mass-Index über 30 kg/m2 und einer Sarkopenie (s. u.)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Fundusvarizen – Aussackung der Venen im Bereich der Magenkuppe (Fundus gastricus)
  • Ösophagusvarizen – Aussackung der Venen im Ösophagus (Speiseröhre) durch erhöhten Druck im venösen System; es besteht die Gefahr der Ösophagusvarizenblutung
  • Ösophagusvarizenblutung; Häufigkeit der Blutung in Abhängigkeit vom Child-Pugh-Stadium:
    • Child-A-Zirrhose: 20-40 %
    • Child-C-Zirrhose: - 85 %
  • Thrombose – bezeichnet den vollständigen oder teilweisen Verschluss eines Gefäßes oder einer Herzhöhle. Dieser Verschluss erfolgt durch einen Thrombus (Blutgerinnsel).
  • Zirrhotischen Kardiomyopathie  (zirrhosebedingte Herzmuskelerkrankung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Akut-auf-chronische Leberversagen (engl. acute-on-chronic liver failure, ACLF) – akute hepatische Dekompensation einer präexistenten chronischen Lebererkrankung mit konsekutivem Organversagen dar. Das Kurzzeitüberleben ist sehr schlecht und stadienabhängig. Trigger sind bakterielle Infekte, die hierbei zu einer systemischen Inflammation (Entzündung) führen, Es handelt sich bei dieser Krankheit um eine relativ neue Entität.
  • Akutes Leberversagen (ALV):
    • schwere Leberfunktionsstörung mit Ikterus (Gelbsucht) und konsekutiver Gerinnungsstörung (INR > 1,5)
    • hepatische Enzephalopathie (HE; s. u.)
    • Ausschluss einer vorbestehenden chronischen Lebererkrankung
    • Symptomdauer < 26 Wochen; fulminant: < 7 Tage, protrahiert > 4 Wochen
  • Akute hepatische Dekompensation einer vorher bestehenden chronischen Lebererkrankung
  • Cholecystolithiasis (Gallensteine)
  • Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Coma hepaticum (Leberkoma)
  • Hämorrhoidalleiden (Hämorrhoiden)
  • Hepatorenales Syndrom (HRS) – funktionelle, prinzipiell voll reversible Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (Gesamtvolumen des Primärharns an, das von allen Glomeruli (Nierenkörperchen) beider Nieren zusammen, in einer definierten Zeiteinheit, gefiltert wird) mit der Folge eines oligurischen Nierenversagens (bei oligurischen Nierenversagen geben die Nieren < 500 ml Urinproduktion/Tag ab) bei Patienten mit Leberzirrhose (irreversible Schädigung der Leber und ein ausgeprägter Umbau des Lebergewebes) oder fulminanter Hepatitis (Leberentzündung) bei fehlenden Hinweisen auf andere Ursachen einer Niereninsuffizienz (langsam fortschreitende Verringerung der Nierenfunktion)
  • Leberinsuffizienz (Leberschwäche)
  • Portale Hypertonie (PH) (portale Hypertension; Pfortaderhochdruck; permanente Druckerhöhung in der Pfortader > 10 mmHg); 15 % dieser Patienten entwickeln eine spontane bakterielle Peritonitis/Bauchfellentzündung
  • Terminales chronische Leberversagen (Spätstadium der Leberzirrhose)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Malabsorption – insbesondere für Fette
  • Portal-hypertensive Gastropathie (Stauungsgastritis → diffuse Schleimhautblutungen des Magens) – Magenschleimhautschäden durch den Pfortaderhochdruck; kann zu Sickerblutungen führen
  • Spontane bakterielle Peritonitis (SBP) Infektion des Aszites ohne erkennbare Ursache; Verlauf in den meisten Fällen asymptomatisch, das heißt ohne Symptome; Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) ca. 50 %
    [Nachweis von > 250 segementkernigen Granulozyten/μL Aszites und/oder Bakterien im Aszites]
    Beachte: Bei jeder Verschlechterung des Allgemeinzustandes von Patienten mit Leberzirrhose und Aszites, bei neu aufgetretenen Komplikationen oder pathologischen Blutbefunden, muss frühzeitig zum Ausschluss einer SBP eine diagnostische Punktion erfolgen!
  • Stauungsenteropathie (stauungsbedingte Erkrankung der Darmschleimhaut)
  • Stauungsgastritis (Magenschleimhautentzündung wg. Stauung der Magenvenen)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Dupuytren-Kontraktur – Beugekontraktur der Finger
  • Muskelatrophie (Muskelschwund)
  • Sarkopenie – übermäßiger Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft sowie Funktionsabbau

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Hepatozelluläres Karzinom (HCC; Leberzellkarzinom) – Leberzirrhose gilt als Präkanzerose (Krebsvorstufe); 15 % entwickeln innerhalb von 5 Jahren ein Hepatozelluläres Karzinom; bis zu einem Drittel aller Leberzirrhose-Patienten entwickelt ein HCC
    • Risikofaktoren, die prädiktiv für die Entwicklung eines HCC waren [1]:

      • Leberkrebs in der Familie (OR 2,69)
      • männliches Geschlecht (Odds Ratio, OR 2,47)
      • Alter (OR 1,17 pro fünf Jahre)
      • Adipositas (OR 1,7)
      • Zirrhosedauer in Jahren (OR 1,06)
      • Laborparameter
        • AST (GOT)  (OR 1,54)
        • AFP (Alpha-Fetoprotein) (OR 1,32)
        • Albumin (OR 0,7)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Hepatische Enzephalopathie (HE) – krankhafte, nicht entzündliche Veränderung des Gehirns aufgrund einer schwerwiegenden Leberfunktionsstörung; häufigste Komplikation der Leberzirrhose, mit breitem Spektrum neuropsychiatrischer Störungen (Beeinträchtigung von: Bewusstsein; Gedächtnis und Kognition; motorische Fähigkeit; Persönlichkeit)

Symptome und abnorme klinische und Laborparameter, anderenorts nicht klassifiziert (R00-R99)

  • Aszites (Bauchwasser)
  • Dysgeusie (Geschmacksstörungen) – z. B. durch Zink- und/oder Vitamin-A-Mangel
  • Ikterus (Gelbsucht), hepatozellulärer – s. u. Ikterus/Labordiagnostik
  • Splenomegalie (Milzvergrößerung)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Akutes Nierenversagen (ANV) – bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose ist das prärenale Nierenversagen mit ca. 70 % die häufigste Form des akuten Nierenversagens
  • Nierenfunktionsstörung

Prognosefaktoren

  • Hyponatriämie (Natriummangel) – gilt als extrem ungünstiger Prognosemarker
  • Mangelernährung
  • Krankheiten, die Auslöser einerLeberkompensation sind:
    • Alkoholhepatitis, schwere
    • Bakterielle Infektionen/systemische Entzündungen 
    • Portale Hypertension (PH; Pfortaderhochdruck)

Literatur

  1. Reddy KR et al.: Incidence and Risk Factors for Hepatocellular Carcinoma in Cirrhosis: the Multi-center Hepatocellular Carcinoma Early Detection Strategy (HEDS) Study. Gastroenterol 2023; https://doi.org/10.1053/j.gastro.2023.06.027

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Komplikationen der Leberzirrhose. (AWMF-Registernummer: 021-017), November 2018 Langfassung