Leberinsuffizienz – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Leberinsuffizienz mit bedingt sein können:
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Blutungen, nicht näher bezeichnet
- Koagulopathie (Blutgerinnungsstörung) [INR > 1,5]
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Hypoalbuminämie/Hypalbuminämie (verminderte Konzentration des Plasmaproteins Albumin im Blutplasma) mit Aszites (Bauchwasser)
- Hypoglykämie (Unterzuckerung)
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Infektionen, nicht näher bezeichnet
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-77; K80-87)
- Akut-auf-chronische Leberversagen (engl. acute-on-chronic liver failure, ACLF) stellt eine akute hepatische Dekompensation einer präexistenten chronischen Lebererkrankung mit konsekutivem Organversagen dar. Das Kurzzeitüberleben ist sehr schlecht und stadienabhängig. Trigger sind bakterielle Infekte, die hierbei zu einer systemischen Inflammation (Entzündung) führen. Es handelt sich bei dieser Krankheit um eine relativ neue Entität.
Definiton:- Vorhandensein einer akuten Dekompensation,
- Identifikation eines Organversagens nach objektivierbaren Maßstäben
- hohe Kurzzeitsterblichkeit von mehr als 15 %
- Akutes Leberversagen (ALV; engl. acute liver failure, ALF) [ICD-10-GM K72.0: Akutes und subakutes Leberversagen] – zwischen Beginn und Enzephalopathie liegen zwischen 7 und 28 Tage; fulminant: < 7 Tage, protrahiert > 4 Wochen
- schwere Leberfunktionsstörung mit Ikterus (Gelbsucht) und konsekutiver Gerinnungsstörung (INR > 1,5)
- hepatische Enzephalopathie (HE; s. u.)
- Chronisches Leberversagen
- Coma hepaticum (Leberkoma)
- Hepatorenales Syndrom (HRS) – funktionelle, prinzipiell voll reversible Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (Gesamtvolumen des Primärharns an, das von allen Glomeruli (Nierenkörperchen) beider Nieren zusammen, in einer definierten Zeiteinheit, gefiltert wird) mit der Folge eines oligurischen Nierenversagens (bei oligurischen Nierenversagen geben die Nieren < 500 ml Urinproduktion/Tag ab) bei Patienten mit Leberzirrhose (irreversible Schädigung der Leber und ein ausgeprägter Umbau des Lebergewebes) oder fulminanter Hepatitis (Leberentzündung) bei fehlenden Hinweisen auf andere Ursachen einer Niereninsuffizienz (langsam fortschreitende Verringerung der Nierenfunktion) [Inzidenz bei akuten Leberversagen bis zu 80 % der Fälle]
- Terminales chronische Leberversagen (Spätstadium der Leberzirrhose)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Hepatische Enzephalopathie (HE; Erkrankung bzw. Schädigung des Gehirns; ca. 40 Prozent der Leberzirrhose-Patienten entwickeln eine klinisch spürbare HE, weitere 30 bis 40 Prozent haben eine minimale HE))
- Hirnödem (Hirnschwellung)
- Psychose
Symptome und abnorme klinische und Laborparameter, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Ikterus (Gelbsucht)
- Kachexie (Auszehrung; sehr starke Abmagerung)
- Multiorganversagen (MOV; Synonyme: engl.: Multi organ dysfunction syndrome (MODS); Multi organ failure, MOF) – gleichzeitige oder sequentielle Versagen oder die schwere Funktionseinschränkung verschiedener lebenswichtiger Organsysteme des Körpers
Weitere
- Tod
Prognosefaktoren
Das Akut-auf-chronische Leberversagen (engl. acute-on-chronic liver failure, ACLF) stellt eine akute hepatische Dekompensation einer präexistenten chronischen Lebererkrankung mit konsekutivem Organversagen dar. Das Kurzzeitüberleben ist sehr schlecht und stadienabhängig. Trigger sind bakterielle Infekte, die hierbei zu einer systemischen Inflammation (Entzündung) führen. Es handelt sich bei dieser Krankheit um eine relativ neue Entität.
Der Sequential Organ Assessment Score (SOFA) – siehe dazu unter Sepsis/Klassifikation – wurde modifiziert und dient zur Graduierung des ALCF in drei Schweregrade (= CLIF-SOFA-Score) [1]:
Organe/System | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 |
Hepatische Dysfunktion (Bilirubinwert; mg/dl) [μmol/l] | < 1,2 | ≥ 1,2 - ≤ 1,9 [> 20-32] |
≥ 2 - ≤ 5,9 [33-101] |
≥ 6 - ≤ 12 [102-204] |
≥ 12 [> 204] |
Niereninsuffizienz (S-Kreatinin, mg/dl) [μmol/L] | < 1,2 | ≥ 1,2 - ≤ 1,9 [110-170] |
≥ 2 - ≤ 3,5 [171-299] |
≥ 3,5 - < 5 [300-440] (oder < 500 ml/d) |
≥ 5 [> 440] |
HE-Grad (nach den West-Haven-Kriterien) | keine HE | 1 | 2 | 3 | 4 |
Koagulopathie (International Normalized Ratio, INR) | < 1,1 | ≥ 1,1- ≤ 1,25 | ≥ 1,25 - ≤ 1,5 | ≥ 1,5 - ≤2,5 |
≥ 2,5 oder |
Zirkulatorische Dysfunktion [mittlerer arterieller Blutdruck (MAD) bzw. Vasopressorbedarf*] | ≥ 70 | MAD < 70 mm/Hg | Dopamin ≤ 5 oder Dobutamin (jede Dosis) |
Dopamin > 5 oder Adrenalin ≤ 0.1 oder Noradrenalin ≤ 0.1 |
Dopamin > 15 oder Adrenalin > 0.1 oder Noradrenalin > 0.1 |
Oxygenierungsstörung [pulsoxymetrisch gemessene |
> 400 > 512 |
> 330 - ≤ 400 > 357 - ≤ 512 |
> 200 - ≤ 300 > 214 - ≤ 357 |
> 100 - ≤ 200 > 8 - ≤ 214 |
≤ 100 ≤ 89 |
*Dosierungen der Katecholamine in [µg/kg/min]
Kalkulator – siehe unter: http://www.clifresearch.com/ToolsCalculators.aspx
Semiquantitative Stadieneinteilung des mentalen Status bei hepatischer Enzephalopathie nach den West-Haven-Kriterien [2]
Stadium | Bewusstseinslage | Neuropsychiatrische Symptome | Neurologische Symptome |
Stadium 0 = MHE |
normal | Störung nur durch zu biometrische Tests zu erfassen | keine |
Stadium 1 | leichtgradige mentale Verlangsamung | Euphorie/Dysphorie, Reizbarkeit und Angst, reduzierte Aufmerksamkeit | gestörte Feinmotorik (beeinträchtigtes schreibt Vermögen, Fingertremor) |
Stadium 2 | verstärkte Müdigkeit, Apathie (Teilnahmslosigkeit) oder Lethargie (Zustand, in dem jmd. für nichts mehr Interesse hat) | leichte Persönlichkeitsstörung, minimale Desorientiertheit. Ort und Zeit | Flapping-Tremor (grobschlägiges Zittern der Hände), Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination), verwaschene Sprache |
Stadium 3 | Somnolenz (Stufe der quantitativen Bewusstseinsstörung) | Rigor, Krämpfe, Asterixis (grobschlägiges Zittern der Hände) | |
Stadium 4 | Koma | – | Hirndruck Zeichen |
Legende: MHE = minimale hepatische Enzephalopathie
Literatur
- Lee M et al.: CLIF-SOFA scoring system accurately predicts short-term mortality in acutely decompensated patients with alcoholic cirrhosis: a retrospective analysis. Liver Int. 2015 Jan;35(1):46-57. doi: 10.1111/liv.12683.
- Conn HO, Bircher J: Quantifying the severity of hepatic encephalopathy: syndromes and therapies. In: Conn HO, Bircher J (eds.) Hepatic encephalopathy: syndromes and therapies. East Lansing MI: Medi Ed Press. 1993: 13-26.