Hepatitis E – Einleitung
Die Hepatitis E ist eine virale Leberentzündung, die durch das Hepatitis-E-Virus (HEV) verursacht wird. Die Infektion kann sowohl akut als auch, insbesondere bei immunsupprimierten Personen, chronisch verlaufen. Hepatitis E ist weltweit verbreitet und wird überwiegend fäkal-oral, aber auch zoonotisch übertragen.
Synonyme und ICD-10: HEV; ICD-10-GM B17.2: Akute Virushepatitis E
Das Hepatitis E-Virus gehört in die Gruppe der RNA-Viren. Früher wurde es als Teil der Familie Caliciviridae betrachtet, inzwischen wird ihm die monotypische Familie der Hepeviridae (Genus Orthohepevirus) zugesprochen. Man kann die HEV-Genotypen 1-5 unterscheiden. Die Genotypen 1-4 sind humanpathogen ("für den Menschen krankmachend"): HEV 1 und HEV 2 sind meist für die Reiseinfektion verantwortlich. HEV 3 und HEV 4 gelten als Zoonosen (wild solchen), die bei Menschen und Tieren (v. a. bei Hausschweinen und Wildtieren) vorkommen. Genotyp 5 und 6 kommt nur bei Wildschweinen in Japan vor.
Kürzlich konnten in Wildschweinen die Genotypen 5 und 6 sowie in Kamelen die Genotypen 7 und 8 nachgewiesen werden.
Neuere Untersuchungen belegen, dass auch bei deutschen Wildschweinen und Hirschen der Hepatitis-E-Erreger mit dem Genotyp 3 weitverbreitet ist (= Zoonose). Die Durchseuchung liege bei ca. 15 %. Zu den Risikogruppen zählen vor allem Jäger, Waldarbeiter, Schweinezüchter oder Schlachthofmitarbeiter.
Die Übertragung erfolgt hier durch den Verzehr von kontaminierten Schweine- und Wildfleisch.
Charakteristische Laborbefunde
- Erhöhte Transaminasen (ALT, AST): Deutlicher Anstieg, typisches Zeichen einer Leberentzündung.
- Positiver Anti-HEV-IgM: Nachweis einer akuten Infektion.
- Positiver Anti-HEV-IgG: Hinweis auf eine durchgemachte Infektion oder Immunität.
- HEV-RNA-Nachweis: Bestätigt die aktive Virusvermehrung, insbesondere bei chronischen Verläufen.
Formen der Erkrankung
- Akute Hepatitis E: Tritt häufig nach einer Inkubationszeit von 15 bis 64 Tagen auf und kann sich durch unspezifische Symptome wie Fieber, Müdigkeit und Gelbsucht äußern. Die meisten Fälle verlaufen selbstlimitierend.
- Chronische Hepatitis E: Besonders bei immunsupprimierten Patienten (z. B. Organtransplantierte) möglich, kann zu einer fortschreitenden Lebererkrankung führen.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Der Grund für diese Prävalenz ist bisher unklar.
Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt selten bei unter 20-Jährigen auf, ist häufiger bei Erwachsenen mittleren Alters.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Deutschland: Anti-HEV-Prävalenz liegt bei 16,8 %, was Hepatitis E zur zweithäufigsten Ursache für eine akute Virushepatitis macht [1].
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Deutschland: Etwa 0,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Saisonale Häufung: Es gibt keine signifikanten saisonalen Schwankungen.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Hepatitis-E-Virus (HEV), ein RNA-Virus aus der Familie Hepeviridae.
Erregerreservoir: Natürliches Reservoir bei Tieren sind Schweine, Schafe, Affen, Ratten und Mäuse. In Deutschland tragen etwa 15 % der Wildschweine den Genotyp 3 des HEV.
Vorkommen: Weltweit verbreitet. Größere Epidemien traten vor allem in Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Mexiko auf. In Europa, Nordamerika und Australien werden die meisten Fälle durch HEV-Genotyp 3 verursacht, der autochthon vorkommt.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist bei HEV-1 und HEV-2 durch Kontakt- oder Schmierinfektion (fäkal-oral) möglich, bei in Deutschland erworbenen HEV-3-Infektionen jedoch extrem selten.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. über Übertragungsfähigkeit des Erregers): Mittel, abhängig von der Übertragungsart und den hygienischen Bedingungen.
Übertragungsweg:
- Fäkal-orale Übertragung: Hauptsächlich durch kontaminiertes Trinkwasser und Lebensmittel bei HEV-1 und HEV-2.
- Zoonotische Übertragung: Durch Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- und Wildfleisch (insbesondere HEV-3 und HEV-4).
- Filtrierende Organismen: Muscheln können HEV aus kontaminiertem Wasser anreichern und eine Infektionsquelle darstellen.
- Parenterale Übertragung: Möglich durch kontaminierte Blutprodukte.
Eintrittspforte: Primär durch den Verdauungstrakt, insbesondere durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel.
Inkubationszeit: 15 bis 64 Tage, abhängig vom Genotyp und der Infektionsquelle.
Krankheitsdauer: Die akute Phase dauert in der Regel einige Wochen; bei chronischer Infektion kann die Krankheit über Jahre persistieren.
Dauer der Infektiosität: Das Virus kann im Stuhl etwa eine Woche vor bis zu vier Wochen nach Beginn des Ikterus nachgewiesen werden [1]. Bei chronischen Infektionen besteht eine anhaltende Virusausscheidung [2].
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): In Deutschland liegt die Seroprävalenz für Anti-HEV bei etwa 16,8 %.
Erregerspezifische Immunität: Eine durchgemachte Infektion führt zu einer Immunität gegen den spezifischen Genotyp, jedoch ist eine Reinfektion mit einem anderen Genotyp möglich.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Akute Hepatitis E-Infektion
- Bei immunkompetenten Patienten verläuft die Infektion in über 99 % der Fälle klinisch inapparent (nicht wahrnehmbar) und heilt in der Regel folgenlos aus.
- Symptomatische Verläufe ähneln denen der Hepatitis A und sind anhand klinischer Symptome kaum zu unterscheiden.
- Im Regelfall kommt es nach circa zwei bis drei Wochen zu einer spontanen Besserung und Ausheilung.
Fulminante Verläufe
- Bei älteren Personen, Patienten mit chronischen Lebererkrankungen (z. B. Steatosis hepatis/Fettleberhepatitis oder Fibrose) und Schwangeren können fulminante Verläufe mit akutem bzw. akut-auf-chronischem Leberversagen (ACLF) auftreten.
- In der Schwangerschaft und bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen kann es zu besonders schweren Verläufen kommen.
Chronische Verläufe
- Treten vor allem bei immunsupprimierten Patienten (z. B. HIV-Infektion oder unter Immunsuppression) auf. Diese Patienten weisen oft nur leicht erhöhte Transaminasen auf.
- Chronische Hepatitis E kann zur Etablierung einer Leberzirrhose führen.
Prognose
Immunkompetente Patienten
- Die Erkrankung heilt in den meisten Fällen ohne bleibende Schäden aus.
- Die Letalität (Sterblichkeit) für Hepatitis E (HEV-Genotyp 1) bei klinischen Fällen in Asien wird mit 0,5-4 % angegeben. Berücksichtigt man die Seroprävalenz, liegt die Letalitätsrate bei 0,07-0,6 %.
Schwangere und Patienten mit chronischen Lebererkrankungen
- In der Schwangerschaft kann es zu einer fulminanten Hepatitis mit einer Letalität von bis zu 20 % kommen.
- Patienten mit chronischen Lebererkrankungen haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für fulminante Verläufe.
Immunsupprimierte Patienten
- Chronische Verläufe können auftreten und führen zu einem erhöhten Risiko für Leberzirrhose und deren Komplikationen.
- Eine Therapie mit Ribavirin ist bei diesen Patienten möglich.
Allgemeine Prognose
- Die Hepatitis E führt in 98 % der Fälle zu einer Ausheilung (Ausnahme: Schwangere).
Impfung: Ein Impfstoff gegen Hepatitis E (Genotypen 1 und 2 des Hepatitis-E-Virus) ist in China seit Anfang 2012 zugelassen. Es gibt keine ausreichenden Daten, die eine Wirksamkeit gegen den Genotyp 3, der in entwickelten Ländern vorherrscht, belegen.
In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod
Seit dem 1. 1. 2020 müssen Blutprodukte in Deutschland auf eine HEV-Kontamination getestet werden.
Literatur
- Hepatitis E. Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 44/2015. RKI-Ratgeber für Ärzte doi: 10.17886/EpiBull-2015-015
- Geng Y et al.: Detection and assessment of infectivity of hepatitis E virus in urine. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.jhep.2015.08.034