Gallensteine (Cholelithiasis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Entstehung von Gallensteinen (Cholelithiasis) ist ein komplexer Prozess, der durch verschiedene Faktoren begünstigt wird. Diese Faktoren beeinflussen die Zusammensetzung und Fließeigenschaften der Gallenflüssigkeit sowie die Funktion der Gallenblase.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Hoher Cholesterinanteil in der Gallenflüssigkeit: Cholesterin ist nicht wasserlöslich und kann nur durch ausreichende Mengen von Gallensäuren in Lösung gehalten werden. Ein Missverhältnis zwischen Gallensäuren und Cholesterin, bei dem zu wenig Gallensäuren und zu viel Cholesterin vorhanden sind, führt zur Verklumpung von Cholesterinanteilen und zur Bildung von Cholesterinsteinen.
  • Lange Verweildauer der Gallenflüssigkeit in der Gallenblase: Eine verlängerte Verweildauer der Gallenflüssigkeit begünstigt die Steinbildung, da es zur Kristallisation von Cholesterin und anderen Bestandteilen der Galle kommen kann.
  • Unvollständige Gallenblasenentleerung: Wenn die Gallenblase nicht vollständig entleert wird, verbleibt Gallenflüssigkeit, die zur Steinbildung neigt.
  • Beteiligung der Immunzellen (Neutrophile Granulozyten): Neutrophile Granulozyten (spezialisierte Immunzellen, die zu den Leukozyten/weiße Blutkörperchen gehören) tragen zur Steinbildung bei. Beim Versuch, Cholesterinkristalle zu eliminieren, sterben diese Zellen ab und setzen ihre DNA (deoxyribonucleic acid; Desoxyribonukleinsäure) frei, die als Netzstruktur um die Kristalle gelegt wird. Diese sogenannten Neutrophil Extracellular Traps (NETs) verklumpen die Kristalle und fördern so die Entstehung von Gallensteinen [2].

Arten von Gallensteinen

  1. Cholesterinsteine:
    • Häufigkeit: Etwa 80 % der Gallensteine sind Cholesterinsteine.
    • Aussehen: Hell und oft groß.
    • Ursache: Missverhältnis zwischen Gallensäuren und Cholesterin, das zur Ausfällung und Verklumpung von Cholesterin führt.
  2. Schwarze Pigmentsteine:
    • Entstehung: Diese entstehen häufig bei chronisch rezidivierenden Hämolysen (Auflösung von roten Blutkörperchen) wie bei der Sichelzellenanämie (Drepanozytose).
    • Risikofaktoren: Chronische Hämolysen, Leberzirrhose, und höheres Lebensalter begünstigen die Entstehung.
  3. Braune Pigmentsteine:
    • Entstehung: Sie entstehen durch bakterielle Zersetzung von Bilirubin (Abbauprodukt des Hämoglobins) und die Bildung des Calciumsalzes von Bilirubin, das die Hauptmasse des Steins ausmacht.
    • Risikofaktoren: Bakterielle Infektionen wie Cholangitis (Gallengangsentzündung) und Stenosen (Verengungen) der Gallenwege.

Klinische Manifestation

  • Gallenkolik: Bei einer Gallenkolik liegt oft eine Einklemmung eines Gallensteins im Ductus cysticus (Gallenblasengang) vor. Der Stein kann entweder durch Migration oder De-novo-Bildung eingeklemmt werden.
  • Choledocholithiasis: Kleinere Steine können in den Ductus choledochus (Hauptgallengang) gelangen und dort eine Choledocholithiasis (Stein im Hauptgallengang) verursachen. Diese Steine bleiben oft an der Papilla Vateri (Mündung des Hauptgallengangs und des Bauchspeicheldrüsengangs in den Zwölffingerdarm) hängen, was zu einem Gallenstau führen kann.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Gallensteine entstehen durch ein Zusammenspiel von cholesterinreicher Gallenflüssigkeit, gestörter Entleerung der Gallenblase und immunologischen Faktoren wie den Neutrophil Extracellular Traps (NETs). Die häufigsten Steine sind Cholesterinsteine, gefolgt von Pigmentsteinen. Die Obstruktion durch Gallensteine kann zu schmerzhaften Gallenkoliken, Entzündungen und Komplikationen wie einer Choledocholithiasis führen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – Gallensteine in der Familie
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: ABCG5
        • SNP: rs11887534 im Gen ABCG5
          • Allel-Konstellation: CG (2,0-fach)
          • Allel-Konstellation: CC (7,0-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)
  • Ethnische Herkunft – das Vorkommen von Gallensteinen ist bei nordamerikanischen und chilenischen Indianern sowie bei iberostämmigen Chilenen am höchsten, bei Nordamerikanern und Europäern hoch, während es bei Asiaten und Japanern selten ist
  • Anatomische Gallengangsanomalien – angeborene Veränderungen der Gallenwege
  • Hormonelle Faktoren – Gravidität (Schwangerschaft; erhöhte Cholesterinausscheidung durch Östrogenabbau)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Zu hohe Kalorienzufuhr
    • Zu fettreiche Ernährung
    • Cholesterinreiche Ernährung
    • Hohe Aufnahme von raffinierten Kohlenhydraten
    • Ballaststoffarme Ernährung
    • Zu schnelle Gewichtsreduktion z. B. durch Fasten – kann ebenfalls über die Mobilisation von Gewebscholesterin zu Gallensteinen führen. Etwa 10 bis 20 % dieser Personen entwickeln Gallensteine
    • Gewichtsschwankungen – normalgewichtige Männer, deren Gewicht stark schwankt, haben ein erhöhtes Risiko, ein symptomatisches Gallensteinleiden zu bekommen [1]
  • Körperliche Aktivität
    • Mangelnde sportliche Aktivität – kann zu Übergewicht führen
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Chronische Hämolyse – Auflösung von roten Blutkörperchen, die zu Abbauprodukten führt – ebenfalls Pigmentsteine
  • Diabetes mellitus
  • Erkrankungen des Ileums – „Krummdarm“, Teil des Dünndarms –, welche zu einem gestörten enterohepatischen Kreislauf führen, z. B. Enteritis, Morbus Crohn
  • Parasitäre Erkrankungen der Gallenwege – häufiger in Asien als in Deutschland, führt zu Pigmentsteinen
  • Schwere Lebererkrankungen wie beispielsweise alkoholische Leberzirrhose, primär biliäre Cholangitis/Gallenwegsentzündung (PBC, Synonyme: nichteitrige destruierende Cholangitis; früher primär biliäre Zirrhose), chronische intrahepatische Cholestase (Gallenstau) 

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung) – Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie

Medikamente

  • Ciclosporin (Cyclosporin A) – Arzneistoff, der die Immunabwehr unterdrückt, indem es das Enzym Calcineurin hemmt
  • Ceftriaxon (Antibiotikum)
  • Colestyramin (Anionenaustauscherharz) – Wirkstoff aus der Gruppe der Lipidsenker, der hauptsächlich zur Senkung der Cholesterolwerte im Blut verwendet wird
  • Clofibrat (Lipidsenker) – senkt die VLDL-Synthese in der Leber
  • Octreotid – synthetisches Analogon des Peptidhormons Somatostatin, das als Arzneistoff
  • Östrogene – z. B. Anti-Baby-Pille, Hormonpräparate u. a. mit Östrogen
    Beachte: 
    Nutzen-Risiko-Abwägung einer östrogenbasierten Hormontherapie zur Prävention von Gallensteinen: Hierbei sollte das erhöhte Risiko für Gallenblasensteine und biliäre Symptome durch Östrogene berücksichtigt werden.

Operationen

  • Dünndarmresektion (Ileum) – Gallesalze werden dann nur eingeschränkt aufgenommen

Weitere Ursachen

  • Künstliche Ernährung
  • Schneller Gewichtsverlust

Literatur

  1. Tsai CJ, Leitzmann MF, Willett WC, Giovannucci EL.: Weight cycling and risk of gallstone disease in men. Arch Intern Med. 2006 Nov 27;166(21):2369-74.
  2. Muñoz LE et al.: Neutrophil Extracellular Traps Initiate Gallstone Formation Immunity August 15, 2019 doi:https://doi.org/10.1016/j.immuni.2019.07.002