Gallenblasenkrebs (Gallenblasenkarzinom) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Gallenblasenkarzinom entsteht in der Regel durch eine sogenannte Dysplasie-Karzinom-Sequenz. Dies bedeutet, dass der Tumor aus einer anfänglichen Dysplasie (Gewebeveränderung mit abnormalem Zellwachstum) hervorgeht, die im Verlauf durch weitere Mutationen maligne (bösartig) entartet.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Chronische Entzündungen: Langfristige Entzündungen der Gallenblase, wie sie bei chronischer Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase) oder durch Gallensteine (Cholelithiasis) entstehen, fördern die Entwicklung von Dysplasien. Die ständige Reizung und Zellschädigung können Mutationen im Epithelgewebe der Gallenblase hervorrufen.
  • Genetische Mutationen: Wie bei vielen Karzinomen kommt es auch beim Gallenblasenkarzinom zu genetischen Veränderungen. Diese umfassen vor allem Mutationen in den Tumorsuppressorgenen und Onkogenen, die die Kontrolle über das Zellwachstum verlieren, was zu unkontrolliertem Wachstum der Tumorzellen führt.
  • Gallengangsanomalien: Angeborene Fehlbildungen der Gallenwege, wie z. B. der Choledochuszyste, sind mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms assoziiert. Diese anatomischen Veränderungen führen zu einem gestörten Gallefluss und fördern chronische Entzündungen und Zellschäden.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Fibrose und Metaplasie: Die chronische Entzündung führt zu fibrotischen Veränderungen (Gewebeverhärtung) und einer Metaplasie (Umwandlung eines Gewebetyps in einen anderen), wodurch das Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms steigt.
  • Invasion in benachbarte Gewebe: Das Gallenblasenkarzinom neigt dazu, lokal invasiv zu wachsen und umliegende Strukturen wie die Leber, den Gallengang und die benachbarten Gefäße zu infiltrieren. Dies verschlechtert die Prognose erheblich, da es zu einem schnellen Tumorwachstum und einer Metastasierung kommen kann.

Klinische Manifestation

  • Asymptomatisches Frühstadium: Im frühen Stadium bleibt das Gallenblasenkarzinom häufig asymptomatisch, was die frühe Diagnose erschwert. Erst in fortgeschrittenen Stadien treten Symptome auf.
  • Spätsymptome: Typische Symptome umfassen Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Gewichtsverlust und Gelbsucht (Ikterus), die durch den Verschluss der Gallenwege und die Infiltration der Leber verursacht werden.

Progression und Organbeteiligung

  • Lokale Invasion: Das Gallenblasenkarzinom wächst invasiv in die Leber, den Gallengang und den Dünndarm hinein.
  • Metastasierung: In fortgeschrittenen Stadien metastasiert der Tumor häufig in die Lymphknoten, Leber und in seltenen Fällen in die Lunge oder andere entfernte Organe.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Obstruktion der Gallenwege: Der Tumor kann durch seine Infiltration zu einem vollständigen Verschluss der Gallenwege führen, was zu einer Stauung der Galle und zu schweren Leberfunktionsstörungen führt.
  • Leberfunktionsstörungen: Die Tumorinfiltration der Leber kann zu einer Beeinträchtigung der Leberfunktion führen, was zu einer erhöhten Bilirubinkonzentration im Blut und zu einer Gelbsucht führt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

  • Fehlende Regeneration: Die durch den Tumor verursachten Schäden an der Gallenblase und den umliegenden Geweben führen zu einer schlechten Regeneration und fortschreitender Gewebezerstörung.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Das Gallenblasenkarzinom entwickelt sich meist auf dem Boden chronischer Entzündungen der Gallenblase, typischerweise bei Patienten mit Cholelithiasis oder chronischer Cholezystitis. Die Tumorentstehung folgt der Dysplasie-Karzinom-Sequenz, und genetische Mutationen spielen eine Schlüsselrolle bei der malignen Transformation. Das Tumorwachstum bleibt oft lange asymptomatisch, was zu einer späten Diagnose führt und die Prognose verschlechtert.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastungen: Lynch-Syndroms und BRCA-Keimbahnmutationen 
  • Anatomische Varianten – pankreatikobiliäre Fehleinmündungen (PBM; kongenitale Fehlbildungen, bei denen sich die Pankreas-/Bauchspeicheldrüsen- und Gallengänge außerhalb der Duodenalwand/Zwölffingerdarm anatomisch verbinden)
  • Geschlecht – Männer zu Frauen beträgt 1 : 2-3. [wg. häufigeren Auftretens von Gallensteinen bei Frauen]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Süßgetränke: ≥ 400 ml Limonade – 2-faches Risiko (alters- und geschlechtsadjustiert) [3]
    • Zuckerkonsum – versus dem Quartil mit der geringsten Aufnahme (im Mittel 20,2 g Tag) war das Risiko in den Quartilen 2 (31,9 g/d), 3 (42,6 g/d) und 4 (67,2 g/d) 2,0-, 2,2- und 2,6-fach erhöht [3]
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann > 30 g/Tag) [1]
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) (+ 30 %) [4]

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Cholelithiasis (Gallensteinleiden) ‒ bei ca. 75-90 % aller Patienten mit einem Gallenblasenkarzinom werden auch Gallensteine gefunden
  • Chronische bakterielle und parasitäre Cholangitis (Gallengangentzündung)
  • Chronische Cholezystitis (Gallenblasenentzündung)
  • Diabetes mellitus
  • Gallenblasenpolypen
  • Porzellangallenblase – Komplikation der Cholezystitis (Gallenblasenentzündung), bei der es Fibrosierung (krankhafte Vermehrung von Bindegewebsfasern) und Kalzifizierung (Verkalkung) der Gallenblasenwand kommt
  • Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) – chronische Entzündung der extra- und intrahepatischen (außerhalb und innerhalb der Leber gelegenen) Gallengänge.

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Aflatoxin-kontaminierten Speisen; Quelle: Aji rojo, ein aus roten Chilischoten hergestellter Pfeffer, der häufig mit Schimmelpilzen kontaminiert ist [2]

Literatur

  1. Bagnardi V et al.: Alcohol consumption and site-specific cancer risk: a comprehensive dose-response meta-analysis. Br J Cancer. 2014 Nov 25. doi: 10.1038/bjc.2014.579.
  2. Nogueira L et al.: Association of Aflatoxin With Gallbladder Cancer in Chile. JAMA. 2015;313(20):2075-2077. doi:10.1001/jama.2015.4559
  3. Larsson SC et al.: Sweetened Beverage Consumption and Risk of Biliary Tract and Gallbladder Cancer in a Prospective Study. JNCI 2016; online 8. Juni. doi: 10.1093/jnci/djw125
  4. Lauby-Secretan B et al.: Body Fatness and Cancer — Viewpoint of the IARC Working Group N Engl J Med 2016; 375:794-798 August 25, 2016 doi: 10.1056/NEJMsr1606602