Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen des Verdauungssystems, wie chronische Pankreatitis, Gallenwegserkrankungen oder genetische Störungen (z. B. Mukoviszidose)?
- Sind Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung) in Ihrer Familie bekannt?
Soziale Anamnese
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stress?
- Sind Sie beruflich schädigenden Arbeitsstoffen wie Chemikalien, Farben oder Lösungsmitteln ausgesetzt?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Bauchschmerzen:
- Seit wann bestehen die Bauchschmerzen? Haben sich die Schmerzen verändert oder verstärkt?
- Sind die Schmerzen plötzlich aufgetreten?*
- Wo genau sind die Schmerzen lokalisiert? Strahlen sie in den Rücken, Brustkorb oder andere Bereiche aus?
- Wie würden Sie die Schmerzen beschreiben (z. B. stechend, dumpf, brennend, reißend, kolikartig)?
- Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
- 0-2: kein/kaum Schmerz
- 3-4: bei Ablenkung ist der Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt
- 5-6: Schmerz behindert Gehen, Ein- und Durchschlafen
- 7-8: Bedürfnis sich hinzulegen, Ablenkung nicht mehr möglich, gesamtes Denken kreist um den Schmerz
- 9-10: unaushaltbare, fürchterliche Schmerzen, der Patient "möchte schreien" oder schreit tatsächlich
- Haben Sie nächtliche Schmerzen, die Sie aus dem Schlaf wecken?
- Wann treten die Schmerzen auf? Sind sie abhängig von äußeren Faktoren wie Ernährung, Stress oder Wetter?
- Sind die Schmerzen abhängig von der Atmung?*
- Verstärken sich die Schmerzen bei Belastung/Bewegung oder werden sie dann besser?
- Begleitsymptome:
- Haben Sie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blähungen?
- Haben sich Stuhlgang und/oder Wasserlassen verändert (z. B. Menge, Konsistenz, Farbe, Beimengungen)? Treten dabei Schmerzen auf?
- Haben Sie eine gelbliche Verfärbung der Haut oder Augen bemerkt (Ikterus)?*
- Haben Sie an Gewicht verloren?
- Haben Sie Fieber oder Schüttelfrost?*
- Verletzungen und Vorerkrankungen:
- Haben Sie sich in der letzten Zeit verletzt, z. B. am Bauch?
- Gab es in der Vergangenheit Gallensteine, Alkoholmissbrauch oder andere Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts?
- Haben Sie gynäkologische Auffälligkeiten (z. B. Dysmenorrhoe/Regelschmerzen; ausgebliebene Regel)?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Hat sich Ihr Appetit verändert?
- Haben Sie Gewicht verloren oder zugenommen? Wenn ja, wie viel und in welchem Zeitraum?
- Essen Sie häufig fettreiche oder stark verarbeitete Speisen?
- Gibt es Lebensmittel, die Ihre Symptome verschlechtern (z. B. fettige Speisen, Alkohol)?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche und wie häufig?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Bestehen bekannte Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts (z. B. chronische Pankreatitis, Gallensteine) oder Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes, Hyperlipidämie/Fettstoffwechselstörungen)?
- Gab es frühere Infektionserkrankungen (z. B. Mumps, Hepatitis/Leberentzündung)?
- Operationen:
- Haben Sie Operationen an der Gallenblase, Bauchspeicheldrüse oder anderen Bauchorganen durchlaufen?
- Allergien:
- Bestehen Allergien gegen Medikamente, Lebensmittel oder andere Substanzen?
Medikamentenanamnese
Nachfolgend eine Liste von Medikamenten, die zu einer Pankreatitis führen kann [sehr selten!: 0,05 % der Fälle] (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!) [1-3]:
- ACE-Hemmer* (Captopril**, Enalapril*, Simvastatin/1 Fall)
- Nicht-steroidalen Antiphlogistika (Acetylsalicylsäure* (ASS), Ibuprofen*, Paracetamol)
- Antibiotika
- Sulfonamide (Sulfamethoxazol)
- Metronidazol
- Nitrofurantoin*
- Tetracycline (Doxycyclin*
- Trimethoprim
- Antiepileptika (Carbamazepin, Valproat)
- Antihypertensia (Methyldopa)
- Antimykotika (Fluconazol)
- Antiphlogistika (Oxphenbutazon, 5-Aminosalicylsäure-Präparate*)
- Antiprotozoenmittel (Pentamidin)
- Biguanide (Phenformin
- Biphosphate (Alendronsäure**)
- Calciumantagonisten (Felodipin)
- Darmtherapeutika (Antiphlogistika) – Olsalzin (setzt sich aus zwei Molekülen der Substanz Mesalazin zusammen), Mesalazin (auch 5-Aminosalicylsäure (5-ASA))*
- Dipeptidyl-Peptidase 4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren; Gliptine) (Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin)
- Diuretika
- Schleifendiuretika (Furosemid)
- Thiaziddiuretika
- H2-Antihistaminika (Cimetidin, Famotidin*)
Immuntherapeutika (Interferon α) - Hormone
- Glucocorticoide (Cortison, Methylprednisolon)
- Methandrostenolon (anaboles Steroid)
- Östrogene* (insbesondere Hormonersatztherapie menopausaler Frauen [4])
- Immunsuppressiva (Azathioprin)
- Kombinationsimpfung gegen Masern und Mumps (1 Fall)
- Lipidsenker
- Fibrate (Ciprofibrat**; Fenofibrat)
- Narkotikum (Propofol)
- Thiamazol und Carbimazol (Thyreostatika) (+56 %) Beachte: Für Propyluracil ist ausweislich der Daten der vorliegenden Studie kein erhöhtes Risiko zu verzeichnen) [6]
Beachte: Die Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat empfohlen, die Beipackzettel und Fachinformationen der Thyreostatika Carbimazol und Thiamazol (aktiver Metabolit von Carbimazol) um eine potentielle Nebenwirkung zu ergänzen: akute Pankreatitis. D. h. auch, dass für Patienten mit akuter Pankreatitis in der Vorgeschichte die entsprechenden Präparate kontraindiziert sind. - Virostatika
- Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (Didanosin/Dideoxyinosin, Lamivudin, Stavudin)
- Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid)
- Zytostatika (Asparaginase, Blinatumomab [5], Cytarabin, 6-Mercaptopurin)
*Zusammenhang wahrscheinlich
**Möglicher Kausalzusammenhang
Umweltanamnese
- Hatten Sie Kontakt mit Organophosphaten (z. B. E605) oder anderen schädlichen Chemikalien?
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Eland IA et al.: Drug-associated acute pancreatitis: twenty-one years of spontaneous reporting in The Netherlands. Am. J. Gastroenterol. 1999, 94, 2417
- Werth B et al.: Drug-induced pancreatitis: experience of the Swiss Drug Adverse Effects Center (SANZ) 1981-1993. Schweiz. Med. Wochenschr. 1995, 125, 731.
- Mallory A, und Kern F, Jr.: Drug-induced pancreatitis: a critical review. Gastroenterology 1980, 78, 813.
- Oskarsson V et al.: Postmenopausal hormone replacement therapy and risk of acute pancreatitis: a prospective cohort study. CMAJ 2014, online 27. Januar; doi: 10.1503/cmaj.131064
- Rote-Hand-Brief: München 25.10.2016
- Brix TH et al.: Methimazole and risk of acute pancreatitis. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; https://doi.org/10.1016/S2213-8587(20)30025-5