Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen des Verdauungssystems, die häufig vorkommen?
Soziale Anamnese
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen auf Grund Ihrer familiären Situation?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Seit wann bestehen die Bauchschmerzen? Haben sich die Schmerzen verändert? Stärker geworden?
- Sind die Schmerzen plötzlich aufgetreten?*
- Wo genau sind die Schmerzen lokalisiert? Strahlen die Schmerzen aus?
- Welchen Schmerzcharakter haben die Schmerzen? Stechend, dumpf, brennend, reißend, kolikartig etc.?
- Wann treten die Schmerzen auf? Sind Sie abhängig von äußeren Faktoren wie Ernährung, Stress, Wetter?
- Sind die Schmerzen abhängig von der Atmung?*
- Verstärken sich die Schmerzen bei Belastung/Bewegung oder werden sie dann besser?
- Treten neben den Bauchschmerzen noch weitere Symptome (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Schluckbeschwerden, Sodbrennen etc.) auf?
- Haben sich der Stuhlgang und/oder das Wasserlassen verändert? In Menge, Konsistenz, Beimengungen? Kommt es zu Schmerzen dabei?
- Haben Sie sich in der letzten Zeit verletzt?
- Haben Sie an Körpergewicht verloren?
- Haben Sie Fieber?
- Haben Sie ein gelbliche Verfärbung der Haut bemerkt?
- Haben Sie gynäkologische Auffälligkeiten (z. B. Dysmenorrhoe/Regelschmerzen; ausgebliebene Regel)?
- Haben Sie nächtliche Schmerzen, von denen Sie wach werden?
- Hatten Sie in der letzten Zeit eine Infektionserkrankung?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Sind Sie übergewichtig? Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Hat sich Ihr Appetit verändert?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen (Magen-Darm-Erkrankungen, Infektionserkrankungen)
- Operationen (Bauchchirurgische Eingriffe)
- Allergien
Medikamentenanamnese
Nachfolgend eine Liste von Medikamenten, die zu einer Pankreatitis führen kann [sehr selten!: 0,05 % der Fälle] (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!) [1-3]:
- ACE-Hemmer* (Captopril**, Enalapril*, Simvastatin/1 Fall)
- Nicht-steroidalen Antiphlogistika (Acetylsalicylsäure* (ASS), Ibuprofen*, Paracetamol)
- Antibiotika
- Sulfonamide (Sulfamethoxazol)
- Metronidazol
- Nitrofurantoin*
- Tetracycline (Doxycyclin*
- Trimethoprim
- Antiepileptika (Carbamazepin, Valproat)
- Antihypertensia (Methyldopa)
- Antimykotika (Fluconazol)
- Antiphlogistika (Oxphenbutazon, 5-Aminosalicylsäure-Präparate*)
- Antiprotozoenmittel (Pentamidin)
- Biguanide (Phenformin
- Biphosphate (Alendronsäure**)
- Calciumantagonisten (Felodipin)
- Darmtherapeutika (Antiphlogistika) – Olsalzin (setzt sich aus zwei Molekülen der Substanz Mesalazin zusammen), Mesalazin (auch 5-Aminosalicylsäure (5-ASA))*
- Dipeptidyl-Peptidase 4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren; Gliptine) (Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin)
- Diuretika
- Schleifendiuretika (Furosemid)
- Thiaziddiuretika
- H2-Antihistaminika (Cimetidin, Famotidin*)
Immuntherapeutika (Interferon α) - Hormone
- Glucocorticoide (Cortison, Methylprednisolon)
- Methandrostenolon (anaboles Steroid)
- Östrogene* (insbesondere Hormonersatztherapie menopausaler Frauen [4])
- Immunsuppressiva (Azathioprin)
- Kombinationsimpfung gegen Masern und Mumps (1 Fall)
- Lipidsenker
- Fibrate (Ciprofibrat**; Fenofibrat)
- Narkotikum (Propofol)
- Thiamazol und Carbimazol (Thyreostatika) (+56 %) Beachte: Für Propyluracil ist ausweislich der Daten der vorliegenden Studie kein erhöhtes Risiko zu verzeichnen) [9]
Beachte: Die Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat empfohlen, die Beipackzettel und Fachinformationen der Thyreostatika Carbimazol und Thiamazol (aktiver Metabolit von Carbimazol) um eine potentielle Nebenwirkung zu ergänzen: akute Pankreatitis. D. h. auch, dass für Patienten mit akuter Pankreatitis in der Vorgeschichte die entsprechenden Präparate kontraindiziert sind. - Virostatika
- Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (Didanosin/Dideoxyinosin, Lamivudin, Stavudin)
- Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid)
- Zytostatika (Asparaginase, Blinatumomab [5], Cytarabin, 6-Mercaptopurin)
*Zusammenhang wahrscheinlich
**Möglicher Kausalzusammenhang
Umweltanamnese
- Organophosphate (z. B. E605)
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Literatur
- Eland IA et al.: Drug-associated acute pancreatitis: twenty-one years of spontaneous reporting in The Netherlands. Am. J. Gastroenterol. 1999, 94, 2417
- Werth B et al.: Drug-induced pancreatitis: experience of the Swiss Drug Adverse Effects Center (SANZ) 1981-1993. Schweiz. Med. Wochenschr. 1995, 125, 731.
- Mallory A, und Kern F, Jr.: Drug-induced pancreatitis: a critical review. Gastroenterology 1980, 78, 813.
- Oskarsson V et al.: Postmenopausal hormone replacement therapy and risk of acute pancreatitis: a prospective cohort study. CMAJ 2014, online 27. Januar; doi: 10.1503/cmaj.131064
- Rote-Hand-Brief: München 25.10.2016
- Brix TH et al.: Methimazole and risk of acute pancreatitis. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; https://doi.org/10.1016/S2213-8587(20)30025-5