Bakterielle Cholangitis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Im Zentrum der Pathogenese der bakteriellen Cholangitis steht die Abflussstörung der Gallenflüssigkeit. Bereits eine partielle Obstruktion (Verschluss) der Gallenwege, häufig bedingt durch Cholelithiasis (Gallensteine), schafft ein Milieu, das die bakterielle Besiedlung der Gallengänge begünstigt.

Die primären Erreger stammen in den meisten Fällen aus dem Duodenum (Zwölffingerdarm) und gelangen aszendierend (aufsteigend) über den Ductus choledochus (Hauptgallengang) in die Gallengänge. Seltener erfolgt die bakterielle Inokulation hämatogen (über das Blut) aus dem portalen Kreislauf (Blutversorgung der Leber) oder lymphogen (über die Lymphwege) durch benachbarte Lymphknoten.

Primäre pathophysiologische Mechanismen:

  • Abflussstörung der Galle: Die Obstruktion, insbesondere durch Gallensteine oder Tumoren, führt zu einem Stau der Gallenflüssigkeit (Cholestase). Dies fördert das Wachstum und die Vermehrung von Bakterien.
  • Bakterielle Aszension: Bakterien aus dem Duodenum, wie Escherichia coli, Klebsiella spp., oder Enterococcus spp., steigen in die Gallengänge auf und können die sterile Galle infizieren.
  • Schwächung der epithelialen Barriere: Der erhöhte intraduktale Druck aufgrund der Gallenstase beeinträchtigt die Barrierefunktion des Gallengangepithels, wodurch die Bakterien leichter eindringen können.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen:

  • Entzündung der Gallengänge (Cholangitis): Die bakterielle Besiedlung führt zu einer akuten Entzündung der Gallengänge, begleitet von Schwellung und weiteren Barrierefunktionen der Gallengänge.
  • Systemische Reaktion: Bei anhaltender Infektion kann es zur Bakteriämie (Bakterien im Blut) oder Sepsis (schwere systemische Entzündungsreaktion) kommen, die zu Multiorganversagen führen kann.

Klinische Manifestation:

  • Charcot-Trias: Klassische Symptome sind Fieber, Schmerzen im rechten Oberbauch und Ikterus (Gelbsucht).
  • Spätere Symptome: In schweren Fällen kann es zu Schüttelfrost, Verwirrtheit und einem Abfall des Blutdrucks kommen (sogenannte Reynolds-Pentade).

Progression und Organbeteiligung:

  • Invasive Infektion: In schweren Fällen kann sich die bakterielle Infektion auf benachbarte Organe ausbreiten, einschließlich der Leber (Leberabszess) oder ins peritoneale Gewebe, was eine Peritonitis (Bauchfellentzündung) auslösen kann.
  • Multiorganversagen: Bei unbehandelter Sepsis kann es zu einem fortschreitenden Organversagen kommen, insbesondere Leber-, Nieren- oder Atemversagen.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden:

  • Erosion und Schädigung der Gallengänge: Chronische oder schwere Entzündungen können zu narbigen Veränderungen in den Gallengängen führen, was langfristig zu weiteren Abflussstörungen oder Strikturen (Verengungen) führt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse:

  • Regeneration der Galleabflusswege: In leichten Fällen können die Gallengänge nach Beseitigung der Ursache der Cholangitis, z. B. durch Entfernung eines Gallensteins oder Drainage, regenerieren.
  • Langfristige Schäden: In fortgeschrittenen Fällen kann es zu fibrotischen Veränderungen oder Strikturen kommen, die eine chirurgische Intervention erforderlich machen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die bakterielle Cholangitis entsteht durch eine Kombination aus Abflussstörung der Galle und aufsteigender bakterieller Infektion. Gallensteine sind die häufigste Ursache. Eine rasche Diagnose und Behandlung der Ursache sind entscheidend, um systemische Komplikationen wie Sepsis und Organversagen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Cholelithiasis (Gallensteine) – häufigste Ursache
  • Divertikulose – Veränderung des Dickdarms in Form von kleinen Ausstülpungen der Darmwand (Divertikel)
  • Gallengangsstrikturen (Verengungen der Gallenwege), z. B. nach einer Operation
  • Parasitenbefall
  • Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) –  chronische Entzündung der extra- und intrahepatischen (außerhalb und innerhalb der Leber gelegenen) Gallengänge
  • Tumoren in den Gallenwegen

Medikamente

  • Antibiotika – z. B. Ceftriaxon
  • Cholesterinsenker – z. B. Fibrate wie Gemfibrozil
  • Immunsuppressiva – z. B. Cyclosporin oder Tacrolimus
  • Östrogene – z. B. in der Antibabypille oder Hormonersatztherapie

Weitere Ursachen

  • Keimverschleppung durch diagnostische und therapeutische Interventionen (Eingriffe) am Gallenwegsystem:
    • Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) – Röntgendarstellung von Gallengangsystem und Ductus pancreaticus (Bauchspeicheldrüsengang) im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung
    • Perkutane transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) – Einlegen eines Drainagekatheters in die Gallenwege (biliäre Drainage), über den aufgestaute Gallenflüssigkeit nach außen abgeleitet wird