Urinuntersuchung

Die Nieren eines Erwachsenen produzieren täglich durchschnittlich 1-1,5 Liter Urin, der auch als Harn bezeichnet wird. Auf diese Weise wird der Flüssigkeitshaushalt des Körpers reguliert. Des Weiteren werden mit dem Urin Stoffwechselendprodukte ausgeschieden, wie beispielsweise Harnstoff oder Harnsäure.

Harnmenge:
Normalerweise liegt die Urinausscheidung eines Erwachsenen zwischen 500 und 3.000 ml am Tag (im Mittel: 1.500 ml).
Die Oligurie beschreibt die verminderte Urinmenge mit einer Tageshöchstmenge von 500 ml. Bei der Anurie handelt es sich um die fehlende Urinausscheidung (maximal 100 ml/24 h).
Eine Polyurie (erhöhte Urinausscheidung) liegt vor, wenn die tägliche Urinmenge 3.000 ml übersteigt.

Die Harnfarbe ist abhängig von der Trinkmenge und der Ernährung. Eine große Trinkmenge führt dazu, dass der Harn von heller wasserähnlicher Farbe ist. Eine geringe Trinkmenge lässt den Urin dunkel bis gelb-braun erscheinen. Auch ein normaler Urin wird beim Stehen etwas dunkler. Verfärbungen sind meist durch spezielle Nahrungsmittel (z. B. rote Rüben (Betanidin), Rhabarber (Anthronderivate), Brombeeren, Lebensmittelfarbstoffe (z. B. Anilin) oder Medikamente (Chloroquin, Deferoxamin, Ibuprofen, Imipenem/Cliastatin, Metronidazol, Nitrofurantoin, Rifampicin, Phenophthalein, Phenothiazine, Phenytoin) verursacht.
Eine lila Verfärbung des Urins liegt beim "purple urine bag syndrome" (PUBS) vor. Diese ist bedingt durch ein bakterielles Stoffwechselprodukt, was als Hinweis auf eine Harnwegsinfektion (HWI) angesehen und entsprechend therapiert werden sollte. Hauptrisikofaktor für dieses Phänomen ist ein Dauerkatheter.
Ein rot/rötlich-brauner Urin tritt bei einem Drittel der an Porphyrie Erkrankten auf.

Harntrübungen (Urintrübungen) sind in der Regel harmlos. Dabei handelt es sich meistens um Salze im Urin, die im frischen Urin löslich sind und im sich abkühlenden Harn ausfallen. Weitere Ursachen für einen trüben Urin sind beispielsweise Eiter (Pyurie) und Calciumphosphate im alkalischen Urin (Phosphaturie). 

Harngeruch (Uringeruch): Frischer Urin ist normalerweise fast geruchslos, während abgestandener Urin aufgrund bakterieller Umwandlungsprozesse den stechenden Geruch von Ammoniak annimmt. Ein abweichender, ungewöhnlicher Harngeruch kann ein Hinweis auf Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus; angeborene Störungen des Aminosäure- und Fettstoffwechsels) sein. Beim schweren Diabetes mellitus kann der Urin nach Aceton riechen, dies wird durch Ketoazidose (gefährliche Stoffwechselentgleisung, die durch Insulinmangel ausgelöst wird) verursacht. Des Weiteren können akute Krankheiten (z. B. Fieber, Infektionen), Nahrungsmittel (z. B. Spargel, Fisch), Medikamente und Gifte (z. B. Lösungsmittel) zu einem Urin mit atypischem Geruch führen.

Uringeruch und mögliche Ursachen

Uringeruch Wirkstoffe Ursachen
alkoholisch diverse Lebensmittel (Äpfel, Melonen, Käse, gekochter Reis), Alkoholintoxikation, Harnwegsinfekt
chemisch diverse Medikamente, Harninkontinenz (Blasenschwäche)
fäkal (kotik) Indol, Skatol Harnwegsinfekt, vesikointestinale Fistel
(pathologische Verbindung zwischen der Harnblase und dem Gastrointestinaltrakt)
faulig Cadaverin, Cholin, Putrescin nekrotisierender Tumor im Urogenitaltrakt (Harntrakt), Lebensmittel, Medikamente
fischig Trimethylamin Trimethylaminurie, bakterieller Infekt
Katzenurin 3-Methylcrotonylglycin,
3-Hydroxyisovaleriansäure
Mangel an 3-Methylcrotonyl-CoA Carboxylase (3-MCC)
lindenblütenartig Aminoacetophenon  Harnwegsinfekt
modrig Phenylketone Phenylketonurie (PKU)
Ranzige Butter Methionin Hypermethioninämie: Stoffwechselerkrankung mit meist leichtem Verlauf (Hepatomegalie), die zur vermehrten Methioninausscheidung im Urin führt
schwefelig S-Methylester Lebensmittel, Harnwegsinfekt durch E. coli
süßlich Keton Ketoazidose, fieberhafter Infekt, Nahrungskarenz
süßlich-würzig Sotolon Leucinose (Ahornsirup-Krankheit), Lebensmittel (Liebstöckel, Bockshornklee), Genussmittel (Portwein oder Sake)
stechend-beißend Ammoniak Harnwegsinfekt, Leberversagen, Dehydratation (Flüssigkeitsmangel), Leberversagen

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Einige Krankheiten können sich auf die Zusammensetzung des Urins auswirken. Die Untersuchung des Urins gibt Aufschluss über:

  • Zustand der Nieren sowie der Harnröhre, der Harnleiter und der Harnblase – z. B. akute und chronische Niereninsuffizienz, akutes Nierenversagen, nephrotisches Syndrom, Verletzungen
  • Infektionen der Harnröhre (Urethritis), der Harnblase (Zystitis) und der Nieren (Glomerulonephritis, Pyelonephritis)
  • Nierensteinleiden (Urolithiasis)
  • Tumoren des Harntraktes – sowohl gutartige als auch bösartige Neubildungen
  • Veränderungen in der Urinzusammensetzung als Hinweis für Stoffwechselerkrankungen,
  • Säure-Basen-Therapie wg. latenter metabolischer Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung)
  • Diabetes mellitus (erhöhter Glucose-Gehalt)
  • Konsum von Medikamenten, Drogen, Dopingmitteln etc.
  • Umweltbelastung

Das Verfahren

Anhand einer Urinprobe werden folgende Parameter bestimmt:

  • Spezifisches Uringewicht (SG)
  • pH-Wert des Urins
  • Eiweißgehalt (Proteingehalt)
  • Zuckergehalt (Glucosegehalt)
  • Nitritgehalt
  • Bilirubin
  • Ketone
  • Blut
  • Urinsediment (Harnsediment)
  • Bakterien

Jeder dieser Parameter gibt Aufschluss über eventuell vorliegende Veränderungen oder Erkrankungen.

Uringewinnung

Nachfolgend die Beschreibung der Uringewinnung mit dem Ziel der Reduktion von Kontaminationen/Verunreinigungen.

Für die biochemische Analyse ist der erste Morgenurin der geeigneteste und der zweite Morgenurin für die Ambulanz der praktikabelste:

  • Für eine Untersuchung von Urinsediment bzw. Urinkultur: Gewinnung von Mittelstrahl (= Mittelstrahlurin, MSU); vorbereitende Maßnahmen:
    • Säuglinge/Kleinkinder:
      • "clean-catch"-Urin, d. h., das Kind wird mit entblößtem Genitale auf dem Schoß gehalten und eine spontane Miktion (Wasserlassen) abgewartet. Der Urin wird mit einem sterilen Gefäß aufgefangen.
      • Katheterurin oder
      • Urin per Blasenpunktion (suprapubische Blasenpunktion)
    • Frau:
      • Spreizen der Labien (Schamlippen)
      • sorgfältige Reinigung des Meatus urethrae (äußere Mündung der Harnröhre) mit Wasser
    • Mann:
      • sorgfältige Reinigung der Glans penis ("Eichel") mit Wasser
  • Für eine orientierende Urinuntersuchung (z. B. mittels Teststreifen) kann auf eine Reinigung des Introitus vaginae (Scheideneingang) bzw. der Glans penis verzichtet werden.

Durchführung einer Dreigläserprobe (Synonym: 3-Gläser-Probe):

  • Erststrahlurin (Rückschlüsse auf Keimbefall der Harnröhre)
  • Mittelstrahlurin (falls Keimnachweis positiv, dann hat die Keimbesiedlung die Harnblase erreicht)
  • Terminalstrahlurin (nach vorsichtiger Prostatamassage; Hinweis auf Keimstatus in der Prostata)

Weitere Hinweise

  • Bei Frauen mit Symptomen einer Harnwegsinfektion (HWI) wurde mittels einer systematischen Literaturübersicht untersucht, ob andere Methoden zur Uringewinnung (z. B. First voided urine (FVU; morgendlicher Ersturin) oder Vorgehen nach Belieben) anstelle des Mittelstrahlurin (MSU) mit Nachteilen einhergehen. Das Studienergebnis war überraschend: Der Mittelstrahlurin scheint kaum Vorteile zu bringen [2]. Vermutlich werden die zu beachtenden vorbereitenden Maßnahmen für die Uringewinnung nur selten befolgt.

Spezifisches Uringewicht

Das spezifische Uringewicht (SG; Synonym: Urindichte) sollte zwischen 1.010-1.030 mg/ml (1,01-1,03 g/ml) liegen.

Hyposthenurie vermindertes spezifisches Uringewicht: < 1,01 g/ml
Eusthenurie Normbereich: 1,01-1,03 g/ml
Hypersthenurie erhöhtes spezifisches Gewicht: > 1,03 g/ml

Das spezifische Gewicht gibt Auskunft über die Ausscheidung gelöster Bestandteile und dient als Maß für die Aufkonzentrierungsfähigkeit der Niere.
Man spricht von einer Isosthenurie bei einem konstanten spezifischen Gewicht von 1,01 g/ml, unabhängig vom Urinvolumen. Dieses weist auf einen Nierenschaden hin, infolgedessen die Konzentrationsfähigkeit verloren gegangen ist. 

Der Normwertbereich für die Dichte in 24h-Sammelurin-Proben liegt bei 1020-1030 g/L.

Das spezifische Uringewicht lässt über mindestens drei Stunden bei Raumtemperatur und über 7 Tage bei Kühlschranktemperatur fehlerfrei messen.

Urin-pH-Wert

Die Urin-pH-Werte im pH-Tagesprofil (mindestens vier Messungen über den Tag verteilt) liegen normalerweise zwischen 4,5 und 8,0.

Die Urin-pH-Werte sind bei Fleischnahrung im sauren Bereich (niedriger) und bei pflanzlicher Ernährung im alkalischen Bereich (höher). Nach dem Mittagessen ist der Urin leicht alkalisch, nach Mitternacht sauer.

Der Urin, welcher zwei Stunden nach einer großen Mahlzeit gesammelt oder für mehrere Stunden bei Raumtemperatur stehen gelassen wurde, neigt zu alkalischen Werten.

Die Urin-pH-Werte sind bei einigen spezifischen klinischen Situationen charakteristisch:

  • Urin-pH-Werte > 7,0 im pH-Tagesprofil = Hinweis auf einen Harnwegsinfekt (Gefahr der Infektsteinbildung)
  • Urin-pH-Werte konstant < 6 im pH-Tagesprofil = "Säurestarre des Urins" [begünstigt Kokristallation von Harnsäure und Calciumoxalat]
  • Urin-pH-Werte konstant > 5,8 im pH-Tagesprofil = Hinweis auf eine zugrunde liegende renale tubuläre Azidose (RTA), sofern ein Harnwegsinfekt ausgeschlossen ist

Proteingehalt (Eiweißgehalt)

Unter normalen Umständen wird Protein (Eiweiß) vom Filterapparat der Niere herausgefiltert und ist somit nicht beziehungsweise nur in sehr geringen Mengen im Urin nachweisbar. Treten jedoch Störungen auf, so ist eine Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) nachzuweisen.

Das Testfeld Eiweiß reagiert hauptsächlich auf negativ geladene Proteine wie Albumin. 

Eine Mikroalbuminurie kann durch die herkömmlichen Teststreifen nicht nachgewiesen werden, da diese erst ab einer Proteinkonzentration von 100 bis 300 mg/Liter reagieren.

Achtung!
Das Ausmaß und das Muster einer Proteinurie können nicht ausschließlich anhand eines Urinteststreifens beurteilt werden. In solchen Fällen ist stets eine Quantifizierung (Gesamteiweiß im Urin) und Differenzierung (qualitative Urin-Proteindifferenzierung) erforderlich.

Eine Proteinurie gilt als eigenständiger Progressionsfaktor (Faktor für das Fortschreiten) der Niereninsuffizienz (Nierenschwäche). Sie weist demnach auf Krankheiten mit Nierenschädigungen hin:

  • Chronische Glomerulonephritis – beidseitige Entzündung der Nieren, bei der die Nierenkörperchen (Glomerula) zuerst betroffen sind.
  • Diabetes mellitus
  • Gichtniere
  • Interstitielle Nephritis – entzündliche Erkrankung der Nieren, bei der das Zwischengewebe (Interstitium) Hauptsitz der Nierenentzündung (Nephritis) ist.
  • Kollagenosen − Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes
  • Nephrotisches Syndrom – Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; Symptome sind: Proteinurie (Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust von mehr als 1 g/m²/Körperoberfläche pro Tag; Hypoproteinämie, periphere Ödeme durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum, Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)
  • Phenacetinniere – Erkrankung der Nieren durch Phenacetin-Missbrauch
  • Pyelonephritis (Nieren-Nierenbeckenentzündung)
  • Schwermetallvergiftung
  • Schwangerschaftsnephropathie – Nierenerkrankung im Rahmen einer Schwangerschaft
  • Toxischer Tubulusschaden – Niere kann Vergiftung-bedingt Natrium nicht mehr ausreichend rückresorbieren, die Natriumausscheidung im Harn ist daher hoch

Eine postrenale Proteinurie, d. h. die Ursache der Proteinurie liegt hinter der Niere, kann durch folgende Krankheiten bedingt sein:

  • Harnwegsinfekt
  • Urolithiasis (Harnsteine)
  • Prostatitis (Prostataentzündung)
  • Orthostatische Proteinurie (mäßiggradige, nicht selektive Proteinurie bis zu 1,0 mg/mg Kreatinin während der Tagesstunden und eine physiologische Proteinausscheidung während der Nachtruhe)

Eine Proteinurie kann transient (vorübergehend) oder funktionell (z. B. hämodynamisch bedingt) sein. Sie ist dann meistens nicht als Hinweis für eine Nierenerkrankung zu bewerten. Folgende Ursachen können dafür vorliegen:

  • Fieber
  • Hyperthermie (Überwärmung)
  • Körperliche Anstrengung (schwere körperliche Arbeit)
  • Emotionaler Stress
  • Kardiale Insuffizienz (Herzschwäche)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Krampfanfälle
  • Schock

Weitere Hinweise

  • Eine hohe spezifische Dichte und das Vorliegen von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Urin können zu falsch positiven Befunden einer Mikroproteinurie führen. In solchen Fällen sollten Proteinuriebefunde, die mittels Teststreifen gewonnen wurden, durch die Berechnung des Albumin-Kreatinin-Quotienten überprüft werden.
  • Eine große Proteinurie kann bereits vorliegen, ohne das klinische Zeichen eines nephrotischen Syndroms (NS; Ödeme (Wassereinlagerungen), Oligurie, s. o unter Harnmenge). 
  • Eine Proteinurie mit einer Hämaturie (Blut im Urin; s. u. Sediment) bedarf, insbesondere bei Zeichen eines nephritisches Syndroms oder Vorliegen einer Systemerkrankung, der Vorstellung bei einem Nephrologen.

Glucosegehalt (Zuckergehalt)

Glucose (Zucker) ist immer in geringer Menge im Urin vorhanden. Normwerte liegen bei unter 15 mg/dl (0,84 mmol/l).
Durch einen einfachen Teststreifen kann der Zuckergehalt des Urins gemessen werden.

Der Glucosegehalt des Urins ist erhöht (
Glukosurie) bei:

  • Diabetes mellitus – eine Abklärung ist dann unbedingt erforderlich
  • Debré-Toni-Fanconi-Syndrom – Defekt der renalen Glucosereabsorption; Defekt der Wiederaufnahme von Glucose durch die Nieren
  • Chronischer Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Krebserkrankungen – z. B. Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)
  • Morbus Cushing – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen
  • Vergiftungen mit Schwermetallen, welche zu einer Nierenschädigung führen – z. B. Blei, Cadmium
  • Schwangerschaft

So ist bei mehr als 50 % der schwangeren Frauen Zucker im Urin messbar (Glucosurie) insbesondere nach den ersten drei Monaten der Schwangerschaft. Dies ist durch eine erhöhte glomeruläre Filtrationsrate bedingt. Dieser Zucker ist fast immer Glucose. In den letzten Wochen der Schwangerschaft kann auch Lactose auftreten. Bei seltenen angeborenen Fehlern des Metabolismus (Stoffwechsels) können auch Fructose, Galactose sowie Pentose-1-Xylose im Harn vorkommen. In diesen Fällen kann eine Glucose-spezifische Messung Aufschluss geben.

Nitritgehalt

Nitrite sind nur bei Harnwegsinfektionen nachweisbar, da sie von einigen Bakterien aus Nitrat chemisch zu Nitrit reduziert werden.

Der Nitrit-Test kann allerdings die kulturelle Keimzahlbestimmung nicht ersetzen und ist falsch-negativ bei:

  • Starker Diurese (Ausscheidung von Urin)
  • Fehlender Nitratausscheidung – z. B. bei Frühgeborenen, Neugeborenen
  • Hungerzuständen
  • Parenterale Ernährung (unter Umgehung des Darmes) oder gemüsefreie Diät
  • Weniger als 105/ml Urin Kolonie bildender Bakterien
  • Sehr hohe Bakterienzahl – Nitrit wird dann zu elementarem Stickstoff reduziert
  • Infektion mit Bakterien, die kein Nitrit aus Nitrat bilden – z. B. Staphylokokken, Enterokokken, Gonokokken und Pseudomonaden

Bilirubin

Bilirubin entsteht beim Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und wird normalerweise über die Galle in den Darm geleitet. Ist dieses jedoch durch Gallensteine oder einen Tumor nicht möglich – durch Verlegung der Gallenwege –, sammelt sich das Bilirubin im Blut und wird über die Nieren ausgeschieden (Bilirubinurie). Auch Hepatitiden (Leberentzündungen) oder Leberzirrhose können zu erhöhten Bilirubin-Werten führen.

Ketone

Gesunde Menschen weisen keine Ketone bzw. nur in geringen Mengen im Urin auf (Normwerte: 3-15 mg/dl).

Die Ursache einer Ketonurie (übermäßige Konzentration von Ketonkörpern im Urin) ist in einer Vermehrung des Fettstoffwechsels, um den Energiebedarf zu decken, begründet. Dieses wiederum wird durch eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels und den daraus resultierenden Glykogenmangel verursacht. Beim vermehrten Fettstoffwechsel fallen als Stoffwechselendprodukte der freien Fettsäuren (FFS; engl. free fatty acids; ffa) Ketonkörper, insbesondere Aceton, an, die mit dem Urin ausgeschieden werden.

Eine Ketonurie kann bei einem Diabetiker zu einer Ketoazidose bzw. einem ketoazidotischen Koma führen (vorwiegend beim Diabetes mellitus Typ 1). In circa 25 % der Fälle ist das ketoazidotische Koma das erste Zeichen eines Diabetes mellitus Typ 1 (Manifestationskoma).

Gesunde Patienten können eine Ketonurie vorübergehend bei katabolem Stoffwechsel entwickeln (z. B. Fasten, großem Fettanteil in der Nahrung, Fieber, große körperliche Anstrengung, schweren Traumata/Verletzungen und länger andauerndem Erbrechen wie beispielsweise Hyperemesis gravidarum/Schwangerschaftserbrechen).

Bei einer "Ernährungsketose" (nutritive Ketose) beträgt die Konzentration der Ketonkörper 0,5-3 mg/dl. Die Konzentration der Ketonkörper bei einer diabetischen Ketoazidose bei Typ-1-Diabetes geht mit bis zu zehnmal mehr Ketonkörpern einher.

Beträgt die Konzentration der Ketonkörper > 3 mmol/l, spricht dieses für die Entwicklung oder das Bestehen einer keto(azidoso)tischen Entgleisung.

Blut 

Mittels Urin-Streifentest erfolgt der Nachweis von Blut über die Pseudoperoxidase-Aktivität des Hämoglobins und Myoglobin. 

Positiver Nachweis von Blut und seinen Ursachen

  Definition Ursachen
Hämaturie Nachweis von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Urin
(mikroskopisch) 
  • Urogenitalblutung/Blutung aus den
    Harn- und Geschlechtsorganen 
  • Glomeruläre Schädigung/Erkrankungen
    des glomerulären Filters der Niere
Hämoglobinurie Nachweis von Hämoglobin (Blutfarbstoff) im Urin
(mittels Teststreifen)
  • Hämolyse (Auflösung von
    roten Blutkörperchen)
Myoglobinurie Nachweis von Myoglobin (Muskelprotein) im Urin
(laborchemisch)
  • Rhabdomyolyse (Gewebezerfall der
    quergestreiften Muskulatur)

Eine rasche Differenzierung zwischen Hämaturie, Hämoglobinurie und Myoglobinurie erfolgt über die Analyse des Urinsediments.

Urinsediment

Das Urinsediment (Harnsediment) ist eine bewährte mikroskopische Untersuchung zur Diagnostik urologischer, nephrologischer und infektiologischer Erkrankungen (Erkrankungen der Harnwege, Nieren und Infektionen). Sie dient der differenzierten Beurteilung bei Hämaturie (Blut im Urin), Leukozyturie (weiße Blutkörperchen im Urin), Proteinurie (Eiweiß im Urin) sowie beim Verdacht auf Harnwegsinfektionen (z. B. Blasen- oder Nierenbeckenentzündung) oder glomeruläre Nierenerkrankungen (Erkrankungen der Nierenkörperchen).

Die Analyse erfolgt standardisiert nach Zentrifugation (Abschleudern) von 10 ml frischem Urin mittels Hellfeldmikroskopie (Lichtmikroskopie) bei 400-facher Vergrößerung (sog. Sediment-Gesichtsfeld-Methode). Beurteilt werden zelluläre Bestandteile (z. B. Erythrozyten [rote Blutkörperchen], Leukozyten [weiße Blutkörperchen], Epithelien [Schleimhautzellen]), Zylinder (z. B. hyaline, Leukozyten-, Erythrozyten- oder epitheliale Zylinder) sowie ggf. Bakterien (Keime), Parasiten oder Kristalle (Salzablagerungen).

Ein pathologisches Sediment erlaubt die Differenzierung zwischen:

  • Renaler und postrenaler Genese (aus der Niere stammend bzw. aus den ableitenden Harnwegen stammend) einer Hämaturie
  • Entzündlich-infektiösen Prozessen wie Zystitis (Blasenentzündung) oder Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
  • Glomerulären Erkrankungen (Erkrankungen der Nierenkörperchen, z. B. bei Erythrozytenzylindern)
  • Tubulointerstitiellen Schädigungen (Erkrankungen der Nierenkanälchen und des Zwischengewebes, z. B. bei Leukozytenzylindern)

Normale Referenzwerte:

  • Erythrozyten: < 0-5/ml (0–1/Gesichtsfeld); max. 1.500/Min (bis zu 1.500 rote Blutkörperchen dürfen pro Minute ausgeschieden werden)
  • Leukozyten: < 0-3/ml (< 5/Gesichtsfeld); max. 3.000/Min (bis zu 3.000 weiße Blutkörperchen dürfen pro Minute ausgeschieden werden)
  • Bakterien und Kristalle: in Spuren möglich, klinisch zu differenzieren
  • Hyaline Zylinder: einzeln physiologisch (normal), massenhaft pathologisch (krankhaft)
  • Zell- und Hämoglobinzylinder: stets pathologisch

Wichtige diagnostische Konstellationen:

  • Leukozyturie + Leukozytenzylinder → interstitielle Nephritis (Entzündung des Nierenzwischengewebes) oder Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
  • Hämaturie + Erythrozytenzylinder → glomeruläre Erkrankung (Erkrankung der Nierenkörperchen) mit intrarenaler Blutung (Blutung innerhalb der Niere)
  • Bakteriennachweis → nur in Kombination mit signifikanter Bakteriurie (große Menge an Keimen im Urin) und Leukozyturie beweisend für HWI (Harnwegsinfektion)
  • Isolierte Hämaturie → nephrologische Abklärung (Untersuchung durch Nierenspezialisten) erforderlich
  • Kristalle und Parasiten → differenzialdiagnostisch (zur Ursachenabklärung) einzuordnen

Bereits geringe Mengen Erythrozyten (rote Blutkörperchen) können zu einer sichtbaren Makrohämaturie (rot gefärbter Urin) führen. Das Urinsediment ist damit eine unverzichtbare Methode zur initialen Einordnung von Nierenerkrankungen und Harnwegsinfektionen – sowohl bei symptomatischen als auch bei asymptomatischen Patienten (mit oder ohne Beschwerden).

Weitere Informationen dazu siehe unter: Urinsediment

Bakterien

Von einer signifikanten Bakteriurie (Ausscheidung von Bakterien mit dem Urin) spricht man ab einer Erregerzahl von 105 Keimen pro ml Urin (KBE/ml). Der Nachweis erfolgt durch Urinkultur. Einer positiven Urinkultur schließt sich ein Resistogramm an, das heißt Austestung geeigneter Antibiotika auf Sensibilität/Resistenz.

Kriterien zur mikrobiologischen Diagnose einer asymptomatischen Bakteriurie (Vorkommen von Bakterien im Urin) bzw. einer Harnwegsinfektion (HWI):

  • Asymptomatische Bakteriurie (ASB; ABU): Erregerzahlen > 105 KBE/ml desselben Erregers (und gleichen Resistenzmuster) in zwei Harnproben bei fehlenden klinischen Zeichen eines Harnwegsinfektes 
  • Harnwegsinfektion:
    • Erregerzahlen > 105 KBE/ml (aus dem „sauberen“ Mittelstrahlurin gewonnen)
    • Erregerzahlen von 103 bis 104 KBE/ml können bei klinischen Symptomen (symptomatische Patienten) bereits klinisch relevant sein, vorausgesetzt, es handelt sich um Reinkulturen (d. h. nur eine Art von Bakterien) typischer uropathogener Bakterien
    • Erregerzahlen von 102 KBE/ml (mind. 10 identische Kolonien); bei Urinkultur aus suprapubischer Harnblasenpunktion (Blasenpunktion)

In der Schwangerschaft

  • Ein systematisches Screening auf eine asymptomatische Bakteriurie sollte in der Schwangerschaft nicht durchgeführt werden (Ib-B) [S3-Leitlinie].

Bei Säuglingen

  • Zum Nachweis eines Harnwegsinfekts ist erforderlich: positiver Befund in der Urinanalyse (Leukozyturie und/oder Bakteriurie) und in einer durch Katheter oder Blasenpunktion gewonnenen Urinprobe eine Zahl von > 105 KBE/ml eines uropathogenen Erregers

Patienten, bei denen urologische Eingriffe bevorstehen

  • Screening auf und Therapie von asymptomatischen Bakteriurien ist indiziert [1].

Weitere Informationen dazu siehe unter: Urinkultur mit Resistenzbestimmung

Literatur

  1. Hecker MT, Donskey CJ: Is antibiotic treatment indicated in a patient with a positive urine culture but no symptoms? Cleveland Clinic Journal of Medicine 2014; 81: 721-724
  2. Llor C et al.: Best methods for urine sample collection for diagnostic accuracy in women with urinary tract infection symptoms: a systematic review. Family Practice 2022; https://doi.org/10.1093/fampra/cmac058

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Gewinnung, Lagerung und Transport von Proben zur mikrobiologischen Infektionsdiagnostik. (AWMF-Registernummer: 029 - 018), Januar 2014. Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. (AWMF-Registernummer: 043-044), 30. April, 2017 Kurzfassung Langfassung