Dünnschichtzytologie
Die Dünnschichtzytologie ist ein spezialisiertes Verfahren, das in der Gynäkologie zur Vorsorgeuntersuchung der Cervix uteri (Gebärmutterhals) auf neoplastische (neugebildete) und pathologische (krankheitsbedingt) Veränderungen verwendet wird. Die allgemeine Zytologie ist die Lehre der Zelle. Bei einem zytologischen Abstrich bzw. der sogenannten Exfoliativzytologie handelt es sich um die Abschilferung von Zellen von einer Gewebeoberfläche (z. B. durch einen Spatel oder eine Bürste) bzw. um die Gewinnung von bereits abgeschilferten Zellen aus Körperflüssigkeiten (z. B. Urin), die anschließend auf einen Objektträger ausgestrichen und mikroskopisch analysiert werden. Eine solche Untersuchung liefert wertvolle Informationen über entzündliche Prozesse oder pathologische Entartungen der Zellen.
Die Exfoliativzytologie in der Gynäkologie, die sogenannte Cervixzytologie, stellt eine der wirkungsvollsten präventiven Maßnahmen zur rechtzeitigen Entdeckung von Neoplasien (Neubildungen) des Muttermundes und damit des Cervixkarzinoms (Gebärmutterhalskrebs) dar. Im Jahre 1940 entwickelte Papanicolaou eine Methode zur Anfärbung der Zellen und ermöglichte so ein umfassendes Screening-Programm. In Deutschland wird der jährliche zytologische Abstrich bei jungen Frauen ab dem 20. Lebensjahr seit 1971 von der Krankenkasse bezahlt. Die Dünnschichtzytologie wird jedoch nicht bezahlt.
Der zytologische Abstrich wird an der sogenannten Transformationszone (Übergang vom mehrschichtig-unverhornten Plattenepithel (ein Epithel ist eine oberflächliche Zellgrenzschicht) der Vagina zum Zylinderepithel des Cervix uteri) entnommen. Das Zellmaterial wird anschließend auf einem beschrifteten Objektträger verteilt und mit einem Spray oder Äthylalkohol fixiert, um dann mikroskopisch untersucht zu werden.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Cervixkarzinom-Screening: Gesetzlich verankert ist der zytologische Abstrich (Pap-Test) einmal im Jahr ab dem 20. Lebensjahr; von 2018 an sollen Frauen im Rahmen der Krebsfrüherkennungsmaßnahmen (KFEM) wie folgt getestet werden.
Das Cervixkarzinom-Screening soll zukünftig wie folgt geschehen:- ≥ 20. Lebensjahr: jährliche Tastuntersuchung
- 20. - 35. Lebensjahr: jährlicher Pap-Abstrich (zytologische Untersuchung nach Papanicolaou; Zellabstrich vom Gebärmuttermund)
- ≥ 35. Lebensjahr: alle 3 Jahre Kombinationsuntersuchung:
- Test auf genitale Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV)
- Pap-Abstrich
- Bei auffälligem Pap-Test (IIw, III, IIID) werden neben einer Wiederholung in drei Monaten derzeit nicht festgelegte und nicht als Algorithmus verankerte Zusatzuntersuchungen individuell durchgeführt:
Das Verfahren
Die Dünnschichtzytologie steht seit dem Jahre 1996 zur Verfügung und stellt eine weiterentwickelte Methode des allgemeinen, zytologischen Abstriches dar. Allerdings hat sie sich nicht als Standard in Deutschland durchgesetzt, da die Qualität der bisherigen Studien die Effizienz nicht hinreichend belegt. Im Unterschied zur konventionellen Zytologie wird der Abstrich nicht direkt auf einem Objektträger verteilt, sondern zuerst mit einer alkoholischen Lösung aufbereitet. Es werden störende Bestandteile wie Blut oder Schleim beseitigt, außerdem kann eine größere Zahl von Zellen besser fixiert und erhalten werden, was die Sensitivität der Untersuchung erhöht.
Herkömmliche Abstrichmethode Dünnschichtzytologie
Die präparierte Probe wird an ein Labor geschickt, das die Dünnschichtzytologie durchführt. Außerdem kann ergänzend ein HPV-Test durchgeführt werden (das Humane Papillom Virus (HPV-Virus) ist ein Erreger, der an der Entstehung des Cervixkarzinoms (Gebärmutterhalskrebs) beteiligt ist), da aus derselben Zellprobe mehrere Präparate hergestellt werden können. Für die Dünnschichtzytologie stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Herstellung eines Präparates zur Verfügung:
- Membranfiltersystem – Die Zellprobe wird an eine Membran angesaugt und anschließend gleichmäßig mit Luftdruck auf den Objektträger gesprüht.
- Dichtegradientenzentrifugation – Die Zellprobe wird zuerst zentrifugiert. Anschließend werden die abzentrifugierten zellulären Bestandteile entnommen und auf dem Objektträger verteilt.
Bei beiden Verfahren wird das Präparat wie bei der konventionellen Zytologie nach Papanicolaou gefärbt und dann mikroskopiert. Der mikroskopische Befund wird anhand verschiedener Schemata beurteilt:
Münchner Nomenklatur III für die gynäkologische Zytodiagnostik der Cervix [4]:
Gruppe |
Definition |
Empfehlungen |
Korrelat im Bethesa System |
0 | unzureichendes Material |
Abstrichwiederholung | Unsatisfactory for evaluation |
I | unauffällige und unverdächtige Befunde |
Abstrich im Vorsorgeintervall |
NILM |
II-a |
unauffällige Befunde bei auffälliger Anamnese |
ggf. zytologische Kontrolle wg. auffälliger Anamnese (zytologischer/histologischer/kolposkopischer/klinischer Befund) |
NIML |
II | Befunde mit eingeschränkt protektivem Wert |
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II-p |
Plattenepithelzellen mit geringergradigen Kernveränderungen als bei CIN (cervical intraepithelial neoplasia; cervicale intraepitheliale Neoplasie/Neubildung) 1, auch mit koilozytärem Zytoplasma/Parakeratose | ggf. zytologische Kontrolle unter Berücksichtigung von Anamnese und klinischem Befund (evtl. nach Entzündungsbehandlung und/oder hormoneller Aufhellung; in besonderen Fällen additive Methoden und/oder Kolposkopie) | ASC-Us |
II-g |
Cervicale (zum Gebärmutterhals gehörig) Drüsenzellen mit Anomalien, die über das Spektrum reaktiver Veränderungen hinausreichen | ggf. zytologische Kontrolle in Abhängigkeit von Anamnese und klinischem Befund (evtl. nach Entzündungsbehandlung; in besonderen Fällen additive Methoden und/oder Kolposkopie) | AGC endocervical NOS |
II-e |
Endometriumzellen (Gebärmutterschleimhautzellen) bei Frauen > 40. Lebensjahr in der zweiten Zyklushälfte | Klinische Kontrolle unter Berücksichtigung von Anamnese und klinischem Befund | Endometrial cells |
III | Unklare bzw. zweifelhafte Befunde |
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III-p |
CIN 2/CIN 3 /Plattenepithelkarzinom nicht auszuschließen |
Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden, evtl. kurzfristige zytologische Kontrolle nach Entzündungsbehandlung und/oder hormoneller Aufhellung | ASC-H |
III-g |
Ausgeprägte Atypien des Drüsenepithels, Adenocarcinoma in situ/invasives Adenokarzinom nicht auszuschließen |
Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden | AGC endocervial favor neoplastic |
III-e |
Abnorme endometriale Zellen (insbesondere postmenopausal/ nach der letzten spontanen Regelblutung) | Weiterführende klinische Diagnostik, ggf. mit histologischer Klärung | AGC endometrial |
III-x |
Zweifelhafte Drüsenzellen ungewissen Ursprungs |
Weiterführende Diagnostik (z. B. fraktionierte Abrasio; ggf. additive Methoden / Differentialkolposkopie) | AGC favor neoplastic |
IIID | Dysplasiebefunde mit größerer Regressionsneigung |
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IIID1 | Zellbild einer leichten Dysplasie analog CIN 1 | Zytologische Kontrolle in sechs Monaten, bei Persistenz > ein Jahr: ggf. additive Methoden/ Differentialkolposkopie | LSIL (low grade squamous intraephitelial lesion) |
IIID2 | Zellbild einer mäßigen Dysplasie analog CIN 2 |
Zytologische Kontrolle in drei Monaten, bei Persistenz > sechs Monate: Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden | HSIL (high grade squamous intraephitelial lesion) |
IV | Unmittelbare Vorstadien des Cervixkarzinoms | Differentialkolposkopie und Therapie | |
IVa-p |
Zellbild einer schweren Dysplasie/eines Carcinoma in situ analog CIN 3 | HSIL | |
IVa-g |
Zellbild eines Adenocarcinoma in situ | AIS (Adenocarcinoma in situ) | |
IVb-p | Zellbild einer CIN 3, Invasion nicht auszuschließen | HLS with features suspicious for invasion |
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IVb-g | Zellbild eines Adenocarcinoma in situ, Invasion nicht auszuschließen | AIS with features suspicious for invasion | |
V | Malignome | Weiterführende Diagnostik mit Histologie und Therapie |
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V-p | Plattenepithelkarzinom | Squamous cell carcinoma |
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V-g | Endozervikales Adenokarzinom | Endocervical adenocarconoma |
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V-e | Endometriales Adenokarzinom | Endometrial adenocarnoma |
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V-x | Andere Malignome (Krebsgeschwülste), auch unklaren Ursprungs | Other malignant neoplasms |
Diagnostisches Vorgehen bei auffälliger, rezidivierender ("wiederkehrender") Zytologie
Pap IIID/IVA: Kolposkopie (Untersuchung der Vagina (Scheide) und der Cervix uteri (Gebärmutterhals) mithilfe eines speziellen Mikroskops) → Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe):
- CIN I → Kontrolle
- CIN II/III → operative Entfernung (s. Operation: präinvasive Läsionen)
Pap IV B: Kolposkopie → Biopsie
- CIN III → Operation (s. d.)
- invasives Karzinom → Operation (s. d.)
Weitere Hinweise
- Atypische Drüsenzellen (AGC = Atypical glandular cells) stehen mit einem hohen und langfristig erhöhten Cervixkarzinomrisiko im Zusammenhang. Bei den meisten Fällen handelt es sich in der AGC-Gruppe um ein Adenokarzinom [5].
Ihr Nutzen
Die regelmäßige Krebsvorsorge durch die Dünnschichtzytologie ermöglicht eine effektive Risikominderung und eine schnelle Behandlung im Falle eines positiven Befundes. Der jährliche Abstrich, sowohl mit der konventionellen Zytologie als auch mit der Dünnschichtzytologie führt zu einer 98 % Reduktion des Cervixkarzinoms bei einer Mortalität (Sterblichkeit), die gegen Null geht.
Literatur
- Lelle RJ, Küppers V: Kolposkopie in der Praxis. Springer Verlag 2008
- Fink D: Praxisbuch Gynäkologische Onkologie. Springer Verlag 2008
- Costa SD: Die Gynäkologie. Springer Verlag 2006
- Griesser H, Marquardt K, Jordan B et al.: Gynäkologische Zytodiagnostik der Cervix: Münchner Nomenklatur III. Frauenarzt 2013;11: 1042-8
- Wang J et al.: Risk of invasive cervical cancer after atypical glandular cells in cervical screening: nationwide cohort study. BMJ 2016; 352. doi.org/10.1136/bmj.i276