Immunologischer Stuhltest
Der immunologische Stuhltest (fecal immunochemical test, FIT) dient in erster Linie der Früherkennung und damit der Prävention von Darmkrebs. Der Test beruht auf dem immunologischen Nachweis von okkultem Blut (Synonym: fecal occult blood test – FOBT; präziser immunologischer FOBT = iFOBT).
Seit dem 1. April 2017 ersetzt der immunologische Stuhltest (quantitativer iFOBT) den bislang üblichen, von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlten, Hämoccult®-Stuhltest (Gujak-basierter Test; gFOBT).
Im Rahmen des Darmkrebs-Screenings wird der iFOBT ab dem 50. Lebensjahr einmal jährlich empfohlen. Ab dem 55. Lebensjahr wird zusätzlich die Koloskopie (Darmspiegelung) als Vorsorgeuntersuchung angeboten.
Störfaktoren
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, Säureblocker) [11]:
- Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) bei 43,0 % (PPI) bzw. 65,6 % (non-PPI)
- Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) bei 86,9 % (PPI) bzw. 92,3 % (non-PPI)
- PPI-Nutzer hatten zudem ein 63 % erhöhtes Chancenverhältnis für ein falsch positives Stuhltestergebnis (möglicherweise wg. Magensäure-bedingter Dysbiose der Dünndarmschleimhaut, mehr unverdautes Hämoglobin aus oberen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts oder NSAR-bedingte Dünndarmläsionen)
Das Verfahren
Der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl ist sehr wertvoll für die Diagnostik von Kolonkarzinomen (Darmkrebs) oder kolorektalen Polypen. 70-80 % aller kolorektaler Polypen sind Adenome, die als Neoplasien (Neubildungen) eine maligne Potenz in sich tragen, das heißt, sie können bösartig entarten. Die reiche Vaskularisierung (Durchblutung) dieser Neubildungen führt schnell zu geringen Blutbeimengungen im Stuhl, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind.
Zum Nachweis diente neben dem immunologischen Stuhltest in der Vergangenheit der sogenannte Hämoccult®-Stuhltest. Dieser Test erfasst durch die Peroxidaseaktivität (enzymatische Aktivität) des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff) kleinste Mengen an Blut (Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) 30-60 %; Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) 70-85 %; Nachweisgrenze circa 100 µg/g Stuhl)
Der prädiktive Vorhersagewert liegt bei 40-65 %, das heißt bei 40-65 % der Patienten wurde mittels des Hämoccult-Testes der Darmkrebs – gesichert durch Koloskopie, das heißt per Darmspiegelung – richtig erkannt.
Der Patient erhält Testbriefchen, die er mit Proben seines Stuhls bestreicht. Der Test kann falsch positive Ergebnisse liefern, da er auch auf tierisches Blut und pflanzliche Stoffe aus der Nahrung reagiert. Aus diesem Grund muss der Patient vorher auf rohe bzw. halbrohe Fleischwaren (z. B. Blutwurst) verzichten.
Der immunologische Stuhltest ist spezifischer, da er nur menschliches Hämoglobin nachweist (der Patient muss keine spezielle Diät mehr einhalten). Der immunologische Test für humanes Hämoglobin (iFOBT) enthält spezifische Antikörper (Stoffe, die mit speziellen Oberflächenmerkmalen des Hämoglobins reagieren) und stellt daher ein empfindlicheres Verfahren dar (Hämoccult vs. immunologischer Stuhltest: Steigerung der Sensitivität um 90 % bei gleichzeitiger Verbesserung der Spezifität um ca. 40 % für Karzinome und fortgeschrittene Adenome [5].
Eine bevölkerungsbasierte Langzeitstudie gibt erste Hinweise darauf, dass der immunologische Stuhltest mit einem Cutoff von 20 μg (pro g Faeces) nicht zuverlässig fortgeschrittenen Neoplasien im proximalen Colon, d. h. im rechtsseitigen Abschnitt zwischen Caecum und Colon transversum, nachweisen kann. Die PICR (proportional interval cancer rate = Anteil der klinisch bedeutsamen Krebsfälle, die entweder im Screening nicht erkannt wurden oder sich vor dem nächsten Vorsorgetermin neu entwickelt haben) betrug im Schnitt für das proximale Kolon 25,2 Prozent, für das distale Kolon 6 Prozent und für das Rektum 9,9 Prozent [12].
Der Cut-off-Punkt von 20 ng/ml Hämoglobin im Stuhl führt zu einer höheren Sensitivität (50 % höherer Detektionsrate/Nachweisrate für Kolonkarzinom/Dickdarmkrebs und 256 % höhere Rate für Hochrisiko-Adenome) und zugleich einem Rückgang der Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) .
Ein positives Testergebnis weist nur auf Blut im Stuhl hin und muss aus diesem Grund weiter untersucht werden. Das Blut kann unter anderem aus dem oberen Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) infolge eines Ulcus ventriculi stammen. Auch Hämorrhoiden (knotenförmige Erweiterungen kleiner Arterien im Bereich des Darmausgangs, die leicht bluten) können ein positives Testergebnis bewirken.
Transport/Lagerung: Transport innerhalb 24 h, Zwischenlagerung im Kühlschrank (4 - 8 °C) bis zu 1 Tag möglich.
Bei Verwendung spezieller Abnahmesysteme ist das Material nach Probenentnahme bei Raumtemperatur für 5 Tage stabil.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Frühdiagnostik bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr
- Patienten mit genetischer (familiärer) Disposition für kolorektale Karzinome (Darmkrebs):
- bei HNPCC (HNPCC (engl. heredetery non-polyposis colorectal cancer; hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis, auch als "Lynch-Syndrom" bezeichnet) beginnt das Darmkrebs-Screening inkl. Koloskopie ab dem 25. Lebensjahr
- bei FAP (familiäre adenomatöse polyposis; obligate Präkanzerose/spätere Krebserkrankung signifikant wahrscheinlich; Entartung beginnt ab dem fünfzehnten Lebensjahr!) beginnt das Darmkrebs-Screening inkl. Koloskopie bereits ab dem 10. Lebensjahr
- bei Patienten mit "gehäuftem Auftreten von Darmkrebs in der Familie" wird das Darmkrebs-Screening inkl. Koloskopie bereits zum ersten Mal durchgeführt, wenn der Patient 10 Jahre jünger ist, als das kranke Familienmitglied war, als es erkrankte
Interpretation
Für den quantitativen immunologischen Stuhltest, der von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird, wurde die Nachweisschwelle ( „cut-off “- Wert für eine ausreichende Sensitivität und Spezifität) auf 50 ng Hb/ml festgelegt.
Der immunologische Stuhltest stellt ein sicheres Verfahren zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl dar. Ein negativer quantitativer immunologischer Stuhltest schließt ein zugrundeliegendes kolorektales Karzinom zu 100 % und ein Hochrisikoadenom zu 97,8 % aus [4].
Bei den Teilnehmern, die durch eine Koloskopie (Darmspiegelung) untersucht wurden, hatte ein einziger positiver immunologischer Stuhltest (Cutpoint ≥ 50 ng /ml) eine 35%ige Sensitivität und 93 % Spezifität für den Nachweis von fortgeschrittenem Adenom sowie eine 38 % Sensitivität* und 93 % Spezifität** für die Erkennung einer fortgeschrittenen Neoplasie (fortgeschrittenes Adenom und / oder kolorektales Karzinom) [7].
In einer Metaanalyse von zwölf Studien mit Hochrisikopatienten (Verwandte von Darmkrebspatienten) erreichte der immunologische Stuhltest bei kolorektalen Karzinomen eine Sensitivität* von 93 % und eine Spezifität* von 91 %. Bei fortgeschrittenen Neoplasien betrug die Sensitivität 48 % und die Spezifität 93 %. Nach diesen Daten hat der immunologische Stuhltest bei Patienten mit erhöhtem Risiko eine hohe diagnostische Genauigkeit für kolorektale Karzinome. Aber erkennt er nur die Hälfte der Fälle mit fortgeschrittenen Neoplasien [9].
*Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt.
**Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden.
Ein positives Testergebnis erfordert die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms (Koloskopie).
Die koloskopische Abklärung sollte gemäß einer europäischen Qualitätsleitlinie innerhalb von 31 Tagen erfolgen [6]. Auswertungen des Forschungsinstituts von Kaiser Permanente von Patienten mit einem positiven Testergebnis zeigten, dass das Risiko, dass bei einer Koloskopie (Darmspiegelung) ein Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs) entdeckt wurde, mit jedem Monat um 3 % anstieg. Eine signifikant erhöhte Tumorrate (im Vergleich zu Patienten, die im ersten Monat einen Koloskopie-Termin hatten) zeigte sich jedoch erst nach einer 10-monatigen Verzögerung der Koloskopie [8].
Weitere Hinweise
- Der positive Vorhersagewert eines immunologischen Stuhltestes wird weder durch orale Antikoagulantien (OAK) noch durch Acetylsalicylsäure (ASS)/nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) signifikant verändert [10].
Fazit: Es gibt somit keinen Grund, die Behandlung mit den genannten Wirkstoffen wegen eines immunologischen Stuhltestes auszusetzen. - In einer Interventionsstudie betrug die Sensitivität des immunologischen Stuhltestes für fortgeschrittene Neoplasien (Neubildungen) beim Schwellenwert von 10,2 µg Hb/g Stuhl nach ASS-Gabe von 300 mg für 2 Tage vor der Stuhlprobe 40,2 % nach Placebo 30,4 %. Der Unterschied von 9, 8 % war allerdings nicht signifikant: P = 0,14 [13].
Hinweis: Möglicherweise kann eine höhere ASS-Dosis oder eine ASS-Gabe über mehrere Tage vor dem Test die Sensitivität des immunologischen Stuhltestes verbessern. - Bei Patienten mit unklaren Darmbeschwerden kann ein negatives Ergebnis in einem immunologischen Stuhltest (FIT-Test) eine Darmkrebserkrankung zu 99,8 % ausschließen [14].
- Beobachtungsdaten aus Dänemark: Je höher die Hämoglobinglobulin-Konzentration im Stuhl (f-Hb), desto höher war das Mortalitätsrisiko, auch nach Ausschluss von kolorektalen Karzinomen (bösartige Neubildung des Dickdarms (Kolon) oder des Mastdarms (Rektum)) als Ursache [15].
- Immunologischer Stuhltest positiv, Koloskopie (Darmspiegelung) negativ: Die kumulative Häufigkeit von proximal des Kolons (Dickdarm) gelegenen Malignomen – auch von solchen, die in der Ösophagogastroduodenoskopie/Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm entdeckt werden können – liegt in den drei Jahren nach positivem FIT-Test unter 1 % [17].
Die Studienautoren halten es nicht für gerechtfertigt, alle FIT-positiv Gescreenten einer Ösophagogastroduodenoskopie zu unterziehen. - Multi-Target Stuhltest (mtFIT) verbessert Darmkrebs-Screening: Die Kombination eines immunologischen Stuhltestes mit dem fetalen Biomarker Calprotectin und dem Darmkrebsprotein Serpin F2 führte im Vergleich zum ausschließlich Hämoglobin-basierten FIT zu einer verbesserten Sensitivität bei ähnlicher Spezifität wie ein herkömmlicher FIT. Mit dem mtFIT ließen sich rund doppelt so oft fortgeschrittene Neoplasien nachweisen wie mit dem ausschließlich Hämoglobin-basierten FIT [16].
Einschränkung: Die Sensitivität des FIT war mit einem Hämoglobin-Schwellenwert von 47 Mikrogramm pro Gramm Stuhl im Vergleich zum mtFIT (15 Mikrogramm pro Gramm Stuhl) recht gering. - Immunchemische Tests auf verborgenes Blut im Stuhl (FITs) versus DNA-Stuhltests (multitarget stool DNA test, MSDT): Der FIT zeigte ist die gleiche Sensitivität und Spezifität für Darmkrebs und seine Vorstufen, wie sie für den MSDT Test gefunden wurden [18].
Ihr Nutzen
Durch die rechtzeitige Entdeckung und Entfernung von Darmpolypen beziehungsweise die frühzeitige Diagnose einer Tumorerkrankung kann das Sterblichkeitsrisiko gesenkt werden.
Literatur
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