Oraler Glukosetoleranztest (oGTT)
Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) wird zum Nachweis einer gestörten Glucoseverwertung und in der Frühdiagnostik des Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) verwendet.
Das Verfahren
Benötigtes Material
- 1,0 ml NaF-Blut je Blutentnahme für Glucose oder 1,0 ml venöses Vollblut mit GlucoEXAKT (Sarstedt) je Blutentnahme für Glucose
Vorbereitung des Patienten
- Vor dem Test sollte der Patient mindestens drei Tage lange eine kohlenhydratreiche Diät eingehalten haben.
- 12 Stunden vor dem Test – kein Tabakkonsum, kein Kaffee, Tee oder Alkohol trinken
- Vor Testbeginn Einhalten einer Nüchternperiode von mindestens acht Stunden.
- Testbeginn zwischen sechs und neun Uhr morgens
- Frau: Mindestens drei Tage Abstand zur Menstruation
- Es werden während des Tests keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.
Störfaktoren
- Störfaktoren, die die Glukosetoleranz beeinflussen können:
- Hungerzustand
- Hypokaliämie (Kaliummangel)
- Stress
- Lange Bettlägerigkeit
- Hochgradige Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)
- Leberzirrhose – irreversible (nicht umkehrbare) Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes
- Metabolische Azidose (Urämie)
- Schilddrüsenüberfunktion
- Störende Medikamente (soweit möglich) drei Tage vorher absetzen:
- Diuretika (vor allem Thiazide)
- Benzodiazepine
- Hormone
- Hormonelle Kontrazeptiva
- Schilddrüsenhormone
- Steroide
- Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
- Laxantien
- Nicotinsäure
- Nitrazepam
- Phenothiazine, Phenazetin
Patient (Nicht-Schwangere)
Durchführung
- Mindestens 14 Tage Abstand zu einer akuten Erkrankung
- Dem Patienten wird morgens am Untersuchungstag nüchtern – ohne, dass er in den letzten acht Stunden etwas gegessen oder getrunken hat – Blut entnommen zur Bestimmung des Nüchternglucose-Serumspiegels. Danach trinkt er nüchtern 75 g Glucose in Tee gelöst oder ein Fertigpräparat: 75 g Dextrose, z. B. Dextro-Energen® auf 300 ml Wasser.
- Der Glucose-Serumspiegel des Patienten wird nüchtern und nach 2 Stunden gemessen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Patienten mit Zeichen eines metabolischen Syndroms, das heißt, bei allen Übergewichtigen, die zusätzlich Risikofaktoren wie einen erhöhten Blutdruck und/oder erhöhte Lipidwerte (Blutfettwerte) haben
- Bei gestörter Nüchternglucose (100 bis 125 mg/dl)
- Verwandte 1. Grades von Typ-2-Diabetikern
- KHK-Patienten und Adipöse
- Schwangere zum Ausschluss eines Gestationsdiabetes mellitus (GDM)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Manifester Diabetes mellitus
- Ketonurie (Auftreten übernormaler Mengen von Ketokörpern) ohne Glukosurie (vermehrte Ausscheidung von Glucose (Traubenzucker) im Urin)
- Azidose (Übersäuerung)
- Fieberhafte Erkrankungen
- Hepatitis (Leberentzündung)
Normwerte
Nach der Deutschen Diabetes-Gesellschaft gibt es folgende diagnostische Kriterien (AWMF-Richtlinie):
Postprandial, Nichtschwangere (oGTT- 2h-Wert)
Plasma, venös |
Vollblut (kapillär, hämolysiert) |
Bewertung |
< 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l) |
< 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l) |
normal |
140-199 mg/dl (7,8-11,0 mmol/l) |
140-199 mg/dl (7,8-11,0 mmol/l) |
gestörte Glukosetoleranz |
≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l) |
≥ 200 mg/dl (≥ 111 mmol/l) |
Diabetes mellitus |
- Eine abnorme Nüchternglucose liegt vor, wenn der Nüchternwert zwischen 100-126 mg/dl (5,6-7,0 mmol/l) beträgt
Störfaktoren
- Falsch-positive Ergebnisse können bei zu geringer Kohlenhydratzufuhr an den vergangenen Tagen oder Medikamenteneinnahme wie beispielsweise Diuretika (entwässernde Medikamente) oder Laxantien (Abführmittel) vorkommen.
- Falsch-negative Ergebnisse können bei Antihypertensiva (blutdrucksenkende Medikamente) oder körperlicher Aktivität während des Tests auftreten.
- Weitere Störfaktoren s. o.
Weitere Hinweise
- Beachte: Wenn im oGTT der Zweistunden-Wert erhöht ist, haben bereits ein Drittel der insulinproduzierenden Beta-Zellen versagt.
- In einer Studie mit 4.867 Personen und Nachverfolgung im Mittel über 39 Jahre wurde untersucht, ob sich ein Typ-2-Diabetes und vaskuläre Komplikationen entwickelten und welche Todesursachen in Abhängigkeit eines erhöhten Einstunden-Glucosewerts (> 8,6 mmol/l) bzw. Zweistunden-Glucosewerts (≥ 7,8 mmol/l) auftraten.
Ergebnis: 13 % der Teilnehmer entwickelten einen Typ-2-Diabetes. Der Einstunden-Glucosewert war dabei mit einem 3,4-fach erhöhten zukünftigen Diabetesrisiko assoziiert. Des Weiteren war der Einstunden-Glucosewert signifikant mit vaskulären Komplikationen und vorzeitigem Tod assoziiert [1].
Fazit: Einstunden-Glukosewert ist ein stärkerer Diabetesprädiktor als der Zweistunden-Glukosewert. Er könnte wahrscheinlich ebenso ein sehr indirekter Indikator für eine Insulinresistenz mit Leberbeteiligung sein.
Schwangere
Durchführung
- Zeitpunkt: Screeningtest bei allen Schwangeren 24 + 0 bis 27 + 6 SSW (Schwangerschaftswoche)
- 50-g-Glucose-Screeningtest (Glucose Challenge Test, GCT): Der Test wird unabhängig von der Nahrungsaufnahme und der Tageszeit mit dem Trinken von 50 g wasserfreier Glucose in 200 ml Wasser durchgeführt. Die Schwangere darf nicht nüchtern sein. Die Tageszeit ist beliebig.
Der Glucose-Serumspiegel der Schwangeren wird nach 60 Minuten gemessen. Die Messung der Blutglucose erfolgt aus venösem Plasma. - 75-g-oGGT: Zur Bestimmung des Nüchternglucose-Serumspiegels wird der Schwangeren morgens am Untersuchungstag nüchtern – ohne, dass sie in den letzten acht Stunden etwas gegessen oder getrunken hat – Blut entnommen. Danach trinkt sie nüchtern 75 g Glucose in Tee gelöst oder ein Fertigpräparat: 75 g Dextrose, z. B. Dextro-Energen® auf 300 ml Wasser.
Der Glucose-Serumspiegel der Schwangeren wird nach 60 und 120 Minuten gemessen. Die Messung der Blutglucose erfolgt aus venösem Plasma.
Normwerte
50-g-Glucose-Screeningtest
Nach 1 Stunde |
< 135 mg/dl (7,5 mmol/l) |
75-g-oGTT
Nüchtern | 92 mg/dl (5,1 mmol/l) |
Nach 1 Stunde |
180 mg/dl (10,0 mmol/l) |
Nach 2 Stunden | 153 mg/dl (8,5 mmol/l) |
Interpretation
- Ein Blutglucosewert von ≥ 135 mg/dl (7,5 mmol/l) im 50-g-Glucose-Screeningtest eine Stunde nach Ende des Trinkens der Testlösung gilt als positives Screening und erfordert einen anschließenden diagnostischen 75-g oGTT.
- Sofern einer der Werte im 75-g-oGTT erreicht oder überschritten wird, ist die Diagnose Gestationsdiabetes gesichert.
Weiterer Hinweis
- Ergänzend können Untersuchungen auf Auto-Antikörper erfolgen, die bei etwa 10 % der Schwangeren mit Gestationsdiabetes gefunden werden und ein Anzeichen dafür sind, dass eine Disposition zu Diabetes mellitus besteht.
Literatur
- Pareek M, Bhatt DL, Nielsen ML et al.: Enhanced Predictive Capability of a 1-Hour Oral Glucose Tolerance Test: A Prospective Population-Based Cohort Study. Diabetes Care. 2018 Jan;41(1):171-177. doi: 10.2337/dc17-1351. Epub 2017 Nov 14.