Lymphozyten

Lymphozyten sind zelluläre Bestandteile des Blutes. Sie umfassen die B-Zellen (B-Lymphozyten), T-Zellen (T-Lymphozyten) und die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und gehören zu den Leukozyten (weiße Blutkörperchen).

Die Größe der Lymphozyten variiert: kleine Lymphozyten: 4-7 μm sowie mittlere und große Lymphozyten bis 15 μm. Die Lebensdauer beträgt mehrere Stunden bis 120 Tage.

Die Lymphozyten werden im Rahmen der Differenzierung der Leukozyten bestimmt (s. u. "Differentialblutbild").

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • 4 ml EDTA-Blut (gut mischen!); bei Kindern mind. 0,25 ml

Vorbereitung des Patienten

  • Nicht nötig

Störfaktoren

  • Keine bekannt

Indikationen

  • Infektionen
  • Maligne (bösartige) Neubildungen

Normwerte

Alter
Absolutwerte
Prozentualer Anteil
(an Gesamt-Leukozytenzahl)
Säuglinge
 1.800-10.500/μl  20-70 %
Kinder
 2.000-6.000/μl  25-50 %
Erwachsene*
 1.500-3.000/μl  25-45 %

*Relative Lymphozytose: Anteil der Lymphozyten an der Gesamt-Leukozytenzahl > 45 %; ohne dass die Gesamt-Leukozytenzahl erhöht sein muss
Absolute Lymphozytose: Lymphozytenzahl > 3.000/μl; dieses geht häufig mit einer Gesamt-Leukozytose einher

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte (Lymphozytose)

  • Virusinfektionen (reaktive Lymphozytose):
    • Herpesviren (Herpes-simplex-Virus (HSV), Varicella-zoster-Virus (VZV), Epstein-Barr-Virus (EBV), Cytomegalievirus (CMV) usw.
    • Hepatitisviren
    • Akute HIV-Infektion
  • Bakterielle Infektionen (insbesondere bei chronischen bakteriellen Infektionen):
    • Brucellose
    • Pertussis (Keuchhusten; Stadium catarrhale oder Stadium convulsivum)
    • Syphilis (Lues)
    • Tuberkulose
  • Parasitäre Infektionen:
    • Toxoplasmose
  • Maligne (bösartige) Neubildungen:
    • Akute lymphatische Leukämie (ALL)
    • Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
    • Maligne Lymphome, u. a. Morbus Hodgkin
    • Monoklonale Gammopathien (z. B. Plasmozytom/Multiples Myelom)
  • Autoimmunerkrankungen:
    • Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose
    • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)
  • Chronische Inflammation (Entzündung)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Morbus Addison (primäre Nebennierenrindeninsuffizienz)
  • Nikotinabusus (chronische Lymphozytose i. S. einer reaktiven Veränderung)
  • Stresslymphozytose:
    • Operation
    • Trauma

Interpretation erniedrigter Werte (Lymphopenie, Lymphozytopenie)

  • HIV (chronische Infektion)
  • Morbus Cushing
  • Morbus Hodgkin
  • Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), einzelne
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Urämie – Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte
  • Erhöhtes Sterberisiko innerhalb von 9 Jahren (1, 6 fache;  +67 % bei nichthämatologischen und  +179 % bei hämatologischen Krebserkrankungen (Blutkrebs), je +88 % bei respiratorischen und kardiovaskulären Erkrankungen (Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen), +86 % bei Infektionskrankheiten und +50 % bei sonstige Ursachen) [1]
  • Medikamente:
    • Fumarsäure (Dimethylfumarat)
    • Glucocorticoidtherapie/Corticoidtherapie
    • Immunsuppressiva (Fingolimod)
    • Protease-Inhibitoren (Telaprevir)
    • Virostatikum (Ganciclovir)

Lymphozytendifferenzierung

Die weitergehende Charakterisierung von Lymphozyten erfolgt durch eine durchflusszytometrische Immunphänotypisierung.

Indikationen

Differenzierung von:

  • Autoimmunerkrankungen (autoimmunhämolytische Anämien, systemischer Lupus erythematodes)
  • Atopisches Ekzem (Neurodermitis)
  • Immundefekterkrankungen
  • Bestimmung der CD4-positiven Lymphozyten (T-Helfer-Zellen) zum Monitoring von HIV-Patienten
  • Malignome:
    • Leukämien, z. B. chronische lymphatische Leukämie (CLL)
    • maligne Lymphome
    • myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE))
  • Cytomegalievirus (CMV)-, Epstein-Barr-Virus (EBV)-, Hepatitis B-Virus (HBV)-Infekte
Lymphozyten-Subpopulation
Marker
  Erwachsene
> 17 Jahre
Jugendliche
6-12 Jahr
Kinder
2-5 Jahr
Kinder
0-2 Jahre
B-Lymphozyten
 
CD19
 
abs.
 70-830/µl  200-1.600/µl  200-2.100/µl  600-3.100/µl
rel.
 7-23 %  8-31 %  14-44 %  4-41 %
T-Lymphozyten
 
CD3
 
abs.  600-3.100/µl  700-4.200/µl  900-4.500/µl  1.400-8.000/µl
rel.  60-85 %  52-78 %  43-76 %  39-85 %
T4-Lymphozyten (CD4-Zellen, T-Helferzellen)  CD4
 
abs.  300-2.200/µl  300-2.100/µl  500-2.400/µl  900-5.500/µl
rel.  30-60 %  25-53 %  23-48 %  25-68 %
T8-Lymphozyten (CD8-Zellen, T8-Suppressor-Zellen)
 
CD8
 
abs.  200-1.750/µl  200-1.800/µl  300-1.600/µl  400-2.300/µl
rel.  20-50 %  9-35 %  14-33 %  9-32 %
CD4/CD8 Ratio
(Quotient der T-Helfer- zu Suppressor-Zellen)
  abs.  0,7- 2,8  0,9- 3,4  0,9- 2,9  0,9- 6,3
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen; engl. Natural killer cells)
CD56 abs  50-1.050/µl  70-1.200/µl  100-1.000/µl  100-1.400/µl
rel.  5-30 %  4-26 %  4-23 %  3-23 %


Hinweis für die Praxis

  • Eine persistierende Lymphozytose, deren Ursache nicht plausibel erklärt werden kann, muss abgeklärt werden! Hierzu zählen ggf. eine Knochenmark- und Lymphknotendiagnostik.

Immunstatus – Übersicht über Einzelparameter

Lymphozyten und ihre Subpopulationen

  • Insgesamt stellen die Lymphozyten und ihre dazugehörigen Subgruppen ungefähr 30 % aller im Körper gespeicherten und zirkulierenden Leukozyten dar. Eine Klassifizierung der Lymphozyten erfolgt in verschiedene Subgruppen auf Grund des unterschiedlichen Rezeptorstrukturen. Diese Form der Klassifizierung wird als CD-Klassifizierung (Cluster of differentiation) bezeichnet.
  • T-Lymphozyten – Die größte Untergruppe der Lymphozyten stellen die T-Lymphozyten mit einem Anteil von 70 % aller Lymphozyten dar. Charakteristisch für die T-Lymphozyten ist das Vorkommen von CD3+-Rezeptoren. Die Entwicklung dieser Lymphozytengruppe geschieht im Thymus, bis aus den Vorläuferzellen schließlich Antigen-erkennende T-Lymphozyten entstehen. Der Prozess der Antigenerkennung erfolgt bei den T-Lymphozyten durch die Verwendung eines T-Zell-Rezeptors, nachdem durch Monozyten oder Makrophagen, welche sich aus den Monozyten entwickeln, das Antigen präsentiert wurde.
  • Ts-Lymphozyten (T-Suppressor-Lymphozyten) – Diese Subgruppe zeichnet sich durch das Vorhandensein von CD3+- und CD8+-Rezeptoren aus. Als Funktion dieses Zelltypus ist die Suppression überschießender Immunreaktionen anzuführen. Um diese Funktion ausüben zu können, bedarf es einer Interaktion von den Ts-Lymphozyten mit nahezu allen kernhaltigen Zellen des menschlichen Körpers.
  • Tc-Lymphozyten – Diese Untergruppe, die sowohl über CD3+- und CD8+- als auch über CD28+-Rezeptoren verfügt, stellt eine Population von zytotoxischen Zellen dar. Analog zu den Ts-Lymphozyten bedürfen auch die Tc-Lymphozyt zur Ausübung ihrer Funktion einer Kommunikation mit den kernhaltigen Körperzellen. Als Hauptaufgabe dieser Lymphozyten ist die Erkennung von virusinfizierten Zellen zu nennen. Sollten die Tc-Lymphozyten auf eine infizierte Körperzelle stoßen, so wird diese umgehend eliminiert.
  • Th-Lymphozyten – Damit die verschiedenen Komponenten des Lymphozytensystems sinnvoll aktiviert werden, benötigt der Körper einen Zelltyp zur Koordination dieser Abwehrzellen. Diese Aufgabe übernehmen die Th-Lymphozyten, welche über CD3+- und CD4+-Rezeptoren verfügen. Ohne das Vorhandensein dieses Zelltyps ist es beispielsweise den Tc-Lymphozyten nicht möglich, virusinfizierte Zellen zu zerstören. Über die Sezernierung von Interleukinen (ILs) besteht die Möglichkeit der Stimulation von B-Lymphozyten, Makrophagen und zytotoxischen T-Zellen.  
  • B-Lymphozyten – Neben den T-Lymphozyten gibt es eine weitere wichtige Population von Lymphozyten, die CD19+-Rezeptor-tragenden B-Lymphozyten. Vergleicht man die Anzahl von T- und B-Lymphozyten, so wird deutlich, dass die Menge an T-Lymphozyten mehr als das 6-fache beträgt. Im Gegensatz zu den T-Lymphozyten benötigen diese Lymphozytengruppe keinerlei Antigenpräsentation durch Makrophagen oder Monozyten, da die Erkennung von Antigenen durch membrangebundene Immunglobuline erfolgt. Als entwicklungstechnisch wichtig ist des Weiteren anzuführen, dass sich die B-Lymphozyten zu Plasmazellen differenzieren können. Als entscheidende Aufgabe der B-Lymphozyten ist die Herstellung von Antikörpern zu nennen.

Natürliche Killer-Zellen (NK-Zellen)

  • Da die NK-Zellen weder über eine Antigenspezifität noch über einen nachweisbaren Aktivierungsmechanismus verfügen, zählt man diese Zellen zum unspezifischen zellulären Immunsystem. Ihnen wird die Funktion zugeschrieben, Tumorzellen und virusinfizierte Zellen zerstören zu können.

Literatur

  1. Warny M et al.: Incidental lymphopenia and mortality: a prospective cohort study. CMAJ 2020;192:E25-33; https://doi.org/10.1503/cmaj.191024