Prostatakarzinom – Prävention

Zur Prävention des Prostatakarzinoms (Prostatakrebs) muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

 Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Studien zeigen eine Assoziation zwischen dem Verzehr größerer Mengen an rotem Fleisch, d. h. Muskelfleisch von Schwein, Rind, Lamm, Kalb, Hammel, Pferd, Schaf, Ziege, und dem vermehrten Auftreten von Prostatakarzinomen (Prostatakrebs) sowie der Gesamttumormortalität (krebsbedingte Sterblichkeit) [24-26]. 
      Rotes Fleisch wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "wahrscheinlich karzinogen für den Menschen", das heißt als krebserregend, eingestuft. Fleisch- und Wurstwaren werden als sogenanntes „definitives Gruppe 1-Karzinogen“ eingestuft und sind damit vergleichbar (qualitativ, aber nicht quantitativ) mit der kanzerogenen (krebserregenden) Wirkung des Tabakrauchens. Zu den Fleischwaren zählen Produkte, deren Fleischbestandteil durch Verarbeitungsverfahren wie Salzen, Pökeln, Räuchern oder Fermentieren haltbar gemacht bzw. im Geschmack verbessert wurde: Würstchen, Wurstwaren, Schinken, Corned beef, Dörrfleisch, luftgetrocknetes Rindfleisch, Fleischkonserven [12].
    • zu geringer Obst- und Gemüseverzehr
    • frittierte Tiefkühlkost (wg. Zusammenhang zwischen Frittieren und Karzinogenese: Bildung von Acrylamid (Gruppe-2A-Karzinogen), heterozyklischen Aminen, Aldehyden und Acrolein), einmal wöchentlich [3]
    • fettreiche Ernährung
    • hoher Anteil an raffinierten Kohlenhydraten (Zucker, Weißmehl, Reis, Nudeln, mit Zucker gesüßte Lebensmittel) [2]
    • zu geringe Ballaststoffzufuhr [10]
    • Nach 22 Uhr zu Abendessen oder kurz vor dem Zubettgehen (Risikozunahme um 26 %) versus vor 21 Uhr zu Abendessen oder mindestens 2 Stunden vor dem Zubettgehen die letzte Mahlzeit zu sich nehmen [16]
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittel
    • Alkohol – pro Drink (12 g Alkohol) am Tag ein um ca. 10 % erhöhtes Prostatakrebsrisiko; geringer Konsum von bis zu drei Drinks pro Woche geringste Tumorrate; kompletter Verzicht führte zu einer um 27 % erhöhten Erkrankungsrate [13]
    • Tabak (Rauchen)
  • Psycho-soziale Situation
    • Schichtarbeit/Nachtarbeit, insbesondere der Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschichten – gemäß der Einschätzung der International Agency for Research on Cancer (IARC) gilt die Schichtarbeit als "wahrscheinlich kanzerogen" (Gruppe-2A-Karzinogen) [17]
  • Geschlechtsverhalten:
    • Früher erster Geschlechtsverkehr (OR: 1,68, wenn dieser vor dem 17. Lebensjahr lag statt nach dem 22. Lebensjahr) [14]
    • Promiskuität (sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern): > 7 Geschlechtspartner 2-faches Risiko (OR: 2,00) [14]
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) [1, 14]; wird kontrovers diskutiert: In einer kanadischen Studie mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom mit einer Zufallsstichprobe von gleichaltrigen gesunden Männern wurde folgendes Ergebnis festgestellt [11]:
    • BMI 25,0-29,9: geringeres Risiko für Prostatakarzinome (Odds-Ratio, OR = 0,87) – sowohl für niedriggradige (Gleason-Score ≤ 6, OR = 0,83) als auch für hochgradige (OR = 0,89
    • BMI ≥ 30: geringeres Risiko für Prostatakarzinome (Odds-Ratio, OR = 0,72) –  0,71 (niedriggradige Prostatakarzinome) und 0,73 (hochgradige Prostatakarzinome)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; Taillenumfang ≥ 102 cm ist mit einer erhöhten Rate von Prostatakrebs (OR = 1,23), insbesondere in fortgeschrittenen Stadien (OR = 1,47) verbunden [11]
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern.

Umweltbelastung

  • Arsen
  • Beruflicher Umgang mit Gummi, Schwermetallen (z. B. Cadmium)
  • Es gibt Hinweise darauf, dass auch die 51Cr-, 59Fe-, 60Co- und 65Zn-Exposition das Prostatakarzinom auslösen kann
  • Berufe: Schweißer, Batterie-Hersteller
  • Polychlorierte Biphenyle (PCB)
    Hinweis: Polychlorierte Biphenyle gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Ernährung
    • Lycopenreiche Kost (in Tomaten enthalten) [7, 8]
    • Phytoöstrogene (insbesondere Soja) [6]
  • Genussmittel
    • Kaffeekonsum: In einer Metaanalyse war mit jeder Tasse Kaffee am Tag ein um ein Prozent vermindertes Erkrankungsrisiko verbunden [18].
  • Körperliche Aktivität – Die Risikoreduktion für das Prostatakarzinom wurde bei
    • moderater körperlicher Aktivität von 150 Minuten bzw.
    • intensiver körperlicher Aktivität von 75 Minuten pro Woche beobachtet [27].
  • Medikamente
    • Acetylsalicylsäure (ASS) – In einer Metaanalyse wurde eine inverse Korrelation zwischen der Einnahme von ASS und der Entstehung von Prostatakarzinomen nachgewiesen [5]; ASS reduziert das Prostatarisiko um ca. 10 % [4]
    • Diabetiker, die Metformin einnahmen, hatten ein geringeres Prostatakarzinomrisiko in Vergleich zu denen, die andere orale Antidiabetika einnahmen [9]
  • Benigne Prostatahypertrophie (BPH) – Patienten mit einem erhöhten Volumen der zentralen Prostatazone (central gland, CG) unter Berücksichtigung des peripheren Volumens (PZ-Volumen) und der peripheren Zonendichte haben signifikant seltener ein Prostatakarzinom ≥ Grad 2. (Odds Ratio, OR 0,97). Für jede Zunahme des CG-Volumens um 1 cm3 verringerte sich die Wahrscheinlichkeit einer Prostatakarzinom ≥ Grad 2-Erkrankung um ungefähr 3 % [19].

Weitere Hinweise 

  • 5-alpha-Reduktase-Hemmer (5-ARI)
    • Die Einnahme von 5-alpha-Reduktase-Hemmer(n) (Dutasterid; Finasterid) reduziert die Häufigkeit des Nachweises von Prostatakarzinomen und Präneoplasien (High-Grade Prostatic Intraepithelial Neoplasia (PIN)). Allerdings existieren keine Hinweise zur Auswirkung auf tumorspezifische Mortalität (Sterberate) oder Gesamtmortalität. Der PSA-Wert wird durch 5-alpha-Reduktase-Hemmer abgesenkt. In Deutschland sind 5-alpha-Reduktase-Hemmer zur Prävention des Prostatakarzinoms nicht zugelassen [15].
    • Das Risiko, an einem Prostatakarzinom unter einem 5-Alpha-Reduktase-Hemmer vermehrt zu sterben, hat sich in einer Studie nicht bestätigt. Das krebsspezifische Sterberisiko war in den ersten zwei Jahren statistisch nicht relevante 11 % geringer, nach acht Jahren der Einnahme allerdings signifikante 56 % geringer [28].

Tertiärprävention

  • Ernährung
    • Hoher Konsum pflanzlicher NahrungMännern mit Gleason-Grad 7 oder höher zum Zeitpunkt der Diagnose: dabei hatte das Quintil mit dem höchsten Konsum gesunder pflanzlicher Nahrung ein um 55 % niedrigeres Progressionsrisiko als das Quintil mit dem geringsten Konsum [30].
  • Sport
    • Intervalltraining mit hoher Intensität (HIIT) für 12 Wochen: erhöht die VO2max (= maximale Sauerstoffmenge, die der Körper aufnehmen und verbrauchen kann) und senkt PSA und PSA-Anstiegsgeschwindigkeit, außerdem wird die Proliferation der Prostatakrebs-Zelllinie LNCaP (androgensensitive humane Prostata-Adenokarzinom-Zellen) unterdrückt [20].
      Einschränkung: kleine Probandenzahl und Laufzeit von nur zwölf Wochen
    • Regelmäßige sportliche Betätigung nach der Krebsdiagnose reduziert die Gesamtmortalität (Sterberate) beim Prostatakarzinom um relative 30 % [23]. 
  • Bewegungstherapie lindert bei Patienten mit Prostatakarzinom, die eine Hormontherapie erhalten, hocheffektiv die krebsassoziierte Müdigkeit.
    Laufen, Fahrradfahren (> 20 min/d) und Ausdauertraining (> 1 h/Woche) führen zu einer Reduktion der Gesamt-Mortalität (Sterberate) und der prostatakarzinomspezifischen Mortalität [21].
  • Eine kanadische Langzeitstudie von 830 Männern mit Prostatakarzinom kam zu folgenden Ergebnissen: In der Gruppe mit der geringsten Bewegung verstarben mehr als doppelt so viele Patienten wie im Quartil mit der höchsten körperlichen Aktivität (158 versus 75). Bis zum Studienende waren rund ein Drittel der aktivsten Teilnehmer gestorben, von denen mit der geringsten Bewegung hingegen bereits drei Viertel. Die Nachbeobachtungsdauer der Überlebenden lag bei 15,5 Jahre und reichte bis zu 17 Jahren [22].
  • Patienten mit Prostatakarzinomen und Androgendeprivationstherapie (ADT): Statine reduzieren signifikant die krebsspezifische und Gesamtmortalität [29].
    Einschränkung: retrospektive Beobachtungsstudie mit asiatischen Patienten

Literatur

  1. Andrew G Renehan, Margaret Tyson, Matthias Egger, Richard F Heller, Marcel Zwahlen: Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. The Lancet, Volume 371, Issue 9612, Pages 569-578, 16 February 2008
  2. Drake I, Sonestedt E, Gullberg B, Ahlgren G, Bjartell A, Wallström P, Wirfält E: Dietary intakes of carbohydrates in relation to prostate cancer risk: a prospective study in the Malmo Diet and Cancer cohort. Am J Clin Nutr. 2012 Dec;96(6):1409-18. doi: 10.3945/ajcn.112.039438. Epub 2012 Nov 7.
  3. Altwein JE: Wichtige Entwicklungen in der Urologie. Uro-News 2013; 17 (7-8): 18-19
  4. Veitonmäki T et al.: Use of aspirin, but not other non-steroidal anti-inflammatory drugs is associated with decreased prostate cancer risk at the population level. Eur J Cancer. 2013;49(4):938-45.
  5. Wang X, Lin YW, Wu J, Zhu Y, Xu XL, Xu X, Liang Z, Hu ZH, Li SQ, Zheng XY, Xie LP: Meta-analysis of nonsteroidal anti-inflammatory drug intake and prostate cancer risk. World J Surg Oncol. 2014 Oct 5;12:304. doi: 10.1186/1477-7819-12-304.
  6. Ozasa K, Nakao M, Watanabe Y, Hayashi K, Miki T, Mikami K, Mori M, Sakauchi F, Washio M, Ito Y, Suzuki K, Wakai K, Tamakoshi A: Serum phytoestrogens and prostate cancer risk in a nested case-control study a mong Japanese men. Cancer Sci 2004;95(1):65-71
  7. Etminan M, Takkouche B, Caamano-Isorna F. The role of tomato products and lycopene in the preventi on of prostate cancer: a metaanalysis of observational studies. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2004;13(3):340 - 5
  8. Wertz K, Siler U, Goralczyk R. Lycopene: modes of action to promote prostate health. Arch Biochem Biophys 2004;430(1):127-34
  9. Preston MA et al.: Metformin Use and Prostate Cancer Risk. Eur Urol. 2014 May 21. pii: S0302-2838(14)00408-4. doi: 10.1016/j.eururo.2014.04.027
  10. Sawada N et al.: Fiber intake and risk of subsequent prostate cancer in Japanese men. Am J Clin Nutr 2015, doi: 10.3945/ajcn.114.089581
  11. Boehm K et al.: Waist circumference, waist-hip ratio, body mass index, and prostate cancer risk: Results from the North-American case-control study Prostate Cancer & Environment Study. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.urolonc.2015.07.006
  12. Bouvard V, Loomis D, Guyton KZ, Grosse Y, El Ghissassi F, Benbrahim-Tallaa L, Guha N, Mattock H, Straif K, International Agency for Research on Cancer Monograph Working Group: Carcinogenicity of consumption of red and processed meat. Lancet Oncology (2015; doi: 10.1016/S1470-2045(15)00444-1 
  13. Dickerman BA et al.: Alcohol intake, drinking patterns, and prostate cancer risk and mortality: a 30-year prospective cohort study of Finnish twins. Cancer Causes Control 2016 27: 1049-1058
  14. Nair-Shalliker V et al.: Adult body size, sexual history and adolescent sexual development, may predict risk of developing prostate cancer: Results from the New South Wales Lifestyle and Evaluation of Risk Study (CLEAR). Int J Cancer 2016; online 26. Oktober. doi: 10.1002/ijc.30471
  15. S3-Leitlinie: Prostatakarzinom. (AWMF-Registernummer: 043 - 022OL), Mai 2024 Kurzfassung Langfassung
  16. Kogevinas M et al.: Effect of mistimed eating patterns on breast and prostate cancer risk (MCC‐Spain Study). Int J Cancer First published: 17 July 2018 Jul 17. doi: 10.1002/ijc.31649
  17. IARC Monographs Vol 124 group: Carcinogenicity of night shift work. Published: July 04, 2019 DOI:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30455-3
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Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Prostatakarzinom. (AWMF-Registernummer: 043 - 022OL), Mai 2024 Kurzfassung Langfassung