Osteosarkom – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Osteosarkom gehört zu den ossären Tumoren (Knochentumoren) und ist der häufigste bösartige Knochentumor bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es entsteht aus mesenchymalen Stammzellen (unreife Zellen des Bindegewebes), die in der Lage sind, sich in verschiedene Gewebearten zu differenzieren, darunter knochenbildende (osteoblastische), knorpelbildende (chondroblastische) und bindegewebige Tumoren (fibroblastische).
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Osteoidbildung: Ein charakteristisches Merkmal des Osteosarkoms ist die Bildung von Osteoid (weiche, noch nicht mineralisierte Knochenmatrix) durch die Tumorzellen. Dieses unreife Knochengewebe weist auf die aggressive Natur des Tumors hin, da es nicht zu einer normalen Knochenreifung und -mineralisierung kommt.
- Genetische Mutationen: Zahlreiche genetische Veränderungen, darunter Mutationen im RB1-Gen (Retinoblastom-Gen) und im p53-Tumorsuppressorgen, tragen zur malignen Entartung der mesenchymalen Stammzellen bei. Diese Mutationen führen zu einer Störung der Zellzyklusregulation und einer unkontrollierten Zellvermehrung.
- Wachstumsfaktoren: Tumorzellen beim Osteosarkom zeigen häufig eine Überexpression von Wachstumsfaktoren wie dem Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), der die Angiogenese (Bildung neuer Blutgefäße) im Tumor fördert und so das Tumorwachstum unterstützt.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Invasion und Zerstörung des Knochens: Das Osteosarkom breitet sich lokal aus und zerstört das umliegende Knochengewebe durch aggressive Invasion. Dies führt zu Osteolyse (Knochenabbau), was die mechanische Stabilität des betroffenen Knochens beeinträchtigt und das Risiko von Knochenbrüchen erhöht.
- Weichteilinvasion: Neben der Zerstörung des Knochens infiltriert der Tumor auch das umliegende Weichteilgewebe, was zu Schwellungen und Schmerzen führt. Diese Infiltration trägt zur aggressiven Natur des Tumors bei.
Klinische Manifestation
- Lokale Schmerzen: Eines der häufigsten Symptome des Osteosarkoms sind knochentypische Schmerzen, die oft nachts stärker werden. Diese Schmerzen sind auf die Tumorinfiltration und den dadurch ausgelösten Knochenabbau zurückzuführen.
- Schwellung und Funktionseinschränkungen: An der betroffenen Stelle entwickelt sich oft eine sichtbare Schwellung, und die Funktion des umliegenden Gelenks kann eingeschränkt sein.
- Pathologische Frakturen: Aufgrund der Zerstörung des Knochens durch den Tumor besteht ein erhöhtes Risiko für pathologische Frakturen (Knochenbrüche ohne äußere Einwirkung).
Progression und Organbeteiligung
- Metastasierung: Das Osteosarkom neigt zu einer frühen Metastasierung, insbesondere in die Lunge, was die Prognose erheblich verschlechtert. Lungenmetastasen sind der häufigste Ort der hämatogenen Metastasierung (Streuung über den Blutweg).
- Lokale Ausbreitung: Der Tumor breitet sich häufig in umliegende Weichteile und Gelenke aus, was zu einer funktionellen Einschränkung des betroffenen Gliedmaßes führt.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Beeinträchtigung der mechanischen Stabilität: Durch den Tumor wird die strukturelle Integrität des betroffenen Knochens zerstört, was die Funktionalität des betroffenen Skelettteils stark beeinträchtigt. Dies führt oft zu einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit und erhöht das Risiko von Frakturen.
- Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen: Der Tumor verursacht erhebliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, insbesondere wenn er in der Nähe großer Gelenke lokalisiert ist.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
- Eingeschränkte Heilung: Aufgrund der aggressiven Natur des Tumors und der umfangreichen Zerstörung des Knochengewebes sind regenerative Prozesse stark eingeschränkt. Selbst bei chirurgischer Entfernung des Tumors bleibt die Wiederherstellung der Knochenfunktion oft begrenzt.
- Kompensation durch Prothesen: In fortgeschrittenen Fällen wird die betroffene Gliedmaße oft chirurgisch behandelt, und Endoprothesen (künstliche Gelenke) kommen zum Einsatz, um die Funktion des Knochens und der Gelenke teilweise wiederherzustellen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Osteosarkom ist ein hochaggressiver, bösartiger Knochentumor, der aus mesenchymalen Stammzellen entsteht und durch die Bildung von Osteoid (unreifer Knochenmatrix) gekennzeichnet ist. Die Tumorzellen verursachen eine lokale Invasion und Zerstörung des Knochens, was zu Schmerzen, Schwellungen und einer erhöhten Frakturgefahr führt. Durch die häufige Lungenmetastasierung ist die Prognose oft schlecht.
Ätiologie (Ursachen)
Die genauen Ursachen für ein primäres Osteosarkom sind noch ungeklärt. Kinder und Jugendliche mit genetisch bedingten Krankheiten wie Morbus Paget (Erkrankung des Skelettsystems mit Knochenumbau) erkranken häufiger an einem Osteosarkom.
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetische Erkrankungen (sekundäres Osteosarkom)
- Beidseitiges Retinoblastom – bösartige Neubildung des Auges
- Bloom Syndrom (BLM) – seltene Erkrankung; Symptome: erhöhtes Tumorrisiko insb. für Leukämien (Blutkrebs) und solide Tumoren, Lichtempfindlichkeit, Pigmentfehler, Störungen der Fruchtbarkeit, Wachstumsstörungen
- Li-Fraumeni-Syndrom – autosomal-dominant vererbbare Erkrankung, die zu multiplen Tumoren (u. a. Astrozytome) führt
- Genetische Erkrankungen (sekundäres Osteosarkom)
Krankheitsbedingte Ursachen (sekundäres Osteosarkom)
- Fibröse Dysplasie (Synonym: Jaffe-Lichtenstein) – Systemerkrankung des Skeletts, die in der Kindheit beginnt und die nur einen Knochen (monostotisch) oder mehrere Knochen befallen (polyostotisch) kann. Durch Markfibrose (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) und Spongiosierung (porös-schwammartiger, krankhafter Umbau des Knochengewebes) der Kompakta (äußere Randschicht des Knochens) verlieren die betroffenen Knochen an Tragfähigkeit; sporadisches Auftreten.
- Multiple Osteochondrome (MO) – mehrere knöcherne, mit Knorpel gedeckte Auswüchse (Osteochondome) der einzelnen langen Knochen
- Morbus Paget (Synonyme: Morbus Paget des Knochens) – Erkrankung des Skelettsystems mit Knochenumbau
- Osteonekrose (ON; Knochennekrose; umgangssprachlich Knocheninfarkt) – durch unterschiedliche Ursachen ohne Vorhandensein einer Infektion (aseptisch)
- Osteomyelitis – akute oder chronische Entzündung des Knochens und Knochenmarks, meist aufgrund einer bakteriellen Infektion; Kombination aus Ostitis und Myelitis (Knochenmark/Rückenmark)
Radioaktive Exposition
Röntgenstrahlen
Tumortherapien
Bei Menschen, die sich in ihrer Kindheit aufgrund einer anderen Tumorerkrankung einer Chemotherapie und/oder Radiatio (Strahlentherapie) unterziehen mussten, tritt häufiger ein Osteosarkom auf. Durch die aggressiven Tumortherapien wird das Genom (Erbmaterial) der Osteoblasten verändert.