Non-Hodgkin-Lymphom – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) ist eine maligne (bösartige) Erkrankung, die meist von den B-Zellen und seltener von den T-Zellen des lymphatischen Gewebes ausgeht. Durch genetische Mutationen kommt es zur Dysregulation des Zellzyklus, was zu einem unkontrollierten Zellwachstum führt. Mutationen in Onkogenen, die das Zellwachstum fördern, oder in Tumorsuppressorgenen, die das Zellwachstum hemmen, sind zentrale Mechanismen in der Entstehung dieser Lymphome.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Die Entstehung des NHL beginnt mit genetischen Veränderungen, die entweder durch somatische Mutationen oder virale Infektionen (z. B. Epstein-Barr-Virus, HTLV-1) ausgelöst werden können. Diese Mutationen betreffen Gene, die das Zellwachstum regulieren, wie z. B. Onkogene (BCL2, MYC) oder Tumorsuppressorgene (TP53).
- Eine Überexpression von Onkogenen führt zu einer erhöhten Zellproliferation, während der Verlust von Tumorsuppressorgenen die Fähigkeit der Zellen zur Apoptose (programmierter Zelltod) einschränkt.
Molekulare und genetische Veränderungen:
- Eine häufige genetische Veränderung bei B-Zell-NHL ist die Translokation von BCL2, die zur Überexpression des Proteins führt. Dies fördert die Überlebensfähigkeit der Zellen, indem es die Apoptose verhindert.
- Bei einigen Subtypen, wie dem Burkitt-Lymphom, spielt die MYC-Gen-Translokation eine Rolle, was zu einer aggressiven Zellproliferation führt.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Die Akkumulation von malignen Zellen im lymphatischen Gewebe führt zu einer Störung der normalen Lymphknotenstruktur. Diese Zellen infiltrieren das Knochenmark, die Milz, die Leber und andere Organe, was zu systemischen Symptomen führt.
- Die Infiltration anderer Gewebe wie des Magen-Darm-Trakts oder des Nervensystems kann zu weiteren Komplikationen und Organfunktionsstörungen führen.
Beteiligung des Immunsystems:
- Durch die Akkumulation funktionsloser Lymphozyten kommt es zu einer immunsuppressiven Umgebung, was das Risiko für Infektionen erhöht.
- In einigen Fällen, wie beim Mantelzell-Lymphom, ist das Immunsystem selbst Teil des Problems, da die B-Zell-Proliferation außer Kontrolle gerät.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Patienten mit NHL berichten häufig über Lymphknotenschwellungen, die nicht schmerzhaft sind und oft in den Hals-, Achsel- oder Leistenregionen lokalisiert sind.
- Allgemeinsymptome wie Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust (sogenannte B-Symptome) treten vor allem bei aggressiveren Subtypen des NHL auf.
Fortgeschrittene Symptome:
- Mit der Zeit können systemische Symptome auftreten, wie eine Splenomegalie (Milzvergrößerung) oder Hepatomegalie (Lebervergrößerung), sowie Knochenmarkinfiltration, die zu Anämie, Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) und Infektanfälligkeit führen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Im fortgeschrittenen Stadium kann das NHL metastasieren und in andere Organe, einschließlich des zentralen Nervensystems (ZNS), einwandern. Dies führt zu neurologischen Symptomen, einschließlich Lähmungen oder kognitiven Defiziten.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
- Die chronische Erkrankung führt zu einer allgemeinen Schwächung des Immunsystems. Patienten mit NHL haben ein erhöhtes Risiko für opportunistische Infektionen und sekundäre Malignome.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der Immunfunktion:
- Da die malignen Zellen das normale lymphatische Gewebe verdrängen, wird die Immunabwehr des Körpers zunehmend beeinträchtigt. Dies führt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und einer verminderten Reaktion auf Infektionen.
Schmerzentstehung und Organversagen:
- In fortgeschrittenen Stadien kann das NHL Schmerzen verursachen, insbesondere wenn es das Knochenmark, die Knochen oder andere empfindliche Gewebe infiltriert. In schweren Fällen kann es zu Organversagen kommen, wenn Leber oder Milz stark betroffen sind.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Immunregulation:
- Das Immunsystem versucht, die Kontrolle über die bösartigen Zellen zurückzuerlangen, indem es T-Zellen und andere Immunzellen mobilisiert. Diese Versuche sind jedoch oft unzureichend, insbesondere bei aggressiven Subtypen des NHL.
Therapeutische Ansätze:
- Die Chemotherapie und Strahlentherapie zielen darauf ab, die malignen Lymphozyten zu eliminieren. In jüngerer Zeit werden auch Immuntherapien eingesetzt, die darauf abzielen, das Immunsystem zu stärken und die bösartigen Zellen gezielt anzugreifen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Non-Hodgkin-Lymphom ist eine maligne Erkrankung des lymphatischen Gewebes, die in den meisten Fällen von B-Zellen ausgeht. Genetische Veränderungen, wie die Aktivierung von Onkogenen oder der Verlust von Tumorsuppressorgenen, führen zu einer unkontrollierten Zellproliferation und letztlich zur Systemerkrankung. Die klinischen Symptome reichen von Lymphknotenschwellungen bis zu systemischen Beschwerden und Organschäden. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind entscheidend, um die Ausbreitung zu kontrollieren und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern:
- Translokation des bcl-2-Gen t(14;18)(q32;q21) – follikuläres Lymphom
- Translokation des cyclin d1-Gens t(11;14)(q13;q32) – Mantelzell-Lymphom
- Translokation des npm-alk-Gens t(2;5)(p23;Q35) – anaplastisch-großzelliges Lymphom
- Translokation des mlt-1-Genes t(11;18)(q21;q21) – extranodales Marginalzonenlymphom
- Translokation des c-myc-Gens t(8;14)(q24;q32) – Burkitt-Lymphom
- BRCA2-Mutation – bei Kindern und Jugendlichen mit einem erhöhten Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome (Odd Ratio 3,3) assoziiert [3]
- Körpergröße – Große Menschen (über der 95. Perzentile); um ein Viertel erhöhtes Risiko; die größten Menschen erkrankten dreifach häufiger als die kleinsten an einem primär-kutanen Lymphom und 2,2-fach häufiger an einem DLBCL (diffus großzellige B-Zell-Lymphom) [1]
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ubergewicht/Adipositas: DLBCL (diffus großzellige B-Zell-Lymphom) um 31 %, primär-kutanes Lymphom um 44 %, Marginalzellenlymphom.um 70 % erhöht [1]
Krankheitsbedingte Ursachen
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Immundefekte wie das Wiskott-Aldrich-Syndrom ‒ X-chromosomal rezessiv vererbte Erkrankung mit Insuffizienz (Schwäche) der Blutgerinnung und des Immunsystems; Symptomentrias: Ekzem (Hautausschlag), Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) und rezidivierende Infektionen
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Virale Infektionen wie
- HHV8-Infektion
- HIV-Infektion
- HTVL 1/2-Infektion
- Epstein-Barr-Virus-Infektion (kann Hautlymphome triggern)
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Gastritis (Magenschleimhautentzündung) mit Helicobacter pylori
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom (Gruppe der Sicca-Syndrome) – Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die zu einer chronisch entzündlichen Erkrankung der exokrinen Drüsen, am häufigsten der Speichel- und Tränendrüsen, führt; typische Folgeerkrankungen bzw. Komplikationen des Sicca-Syndroms sind:
- Keratokonjunktivitis sicca (Syndrom des trockenen Auges) aufgrund fehlender Benetzung von Horn- und Bindehaut mit Tränenflüssigkeit
- erhöhte Kariesanfälligkeit durch Xerostomie (Mundtrockenheit) aufgrund verminderter Speichelsekretion
- Rhinitis sicca (trockene Nasenschleimhäute), Heiserkeit und chronischer Hustenreiz sowie eine gestörte Sexualfunktion durch Störung der Schleimdrüsenproduktion des Respirationstraktes und der Genitalorgane
- 5 % entwickeln im Langzeitverlauf ein NHL
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Lösungsmittel wie Benzol, Toluol, Xylol
Medikamente
- Erworbene Immundefekte durch Immunsuppressiva, Zytostatika
Röntgenstrahlen
- Zustand nach Radiatio (Strahlentherapie)
- Zustand nach Exposition gegenüber radioaktiven Stoffen
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Abbruch von Nuklearanlagen [4]
- Lösungsmittel wie Benzol, Toluol, Xylol
Weitere Ursachen
- Brustimplantate (aufgeraute Brustimplantate) wg. Brustvergrößerung bzw. -rekonstruktion (Lymphomzellen CD30-positiv und negativ für anaplastische Lymphomkinase → großzelliges Lymphom); eine Erkrankung auf 4.000-30.000 Implantatträgerinnen; Diagnose erfolgt im Schnitt zehn Jahre nach der Implantation [2]
Literatur
- Leiba M et al.: Adolescent Weight and Height Are Predictors of Specific Non-Hodgkin Lymphoma Subtypes Among a Cohort of 2,352,988 Individuals Aged 16 to 19 Years. Cancer 2016; online 22. Februar. doi: 10.1002/cncr.29792.
- Leberfinger AN et al.: Breast Implant-Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma A Systematic Review. JAMA Surg 2017, online 18. Oktober. https://doi.org/10.1001/jamasurg.2017.4026
- Wang Z et al.: Association of Germline BRCA2 Mutations With the Risk of Pediatric or Adolescent Non-Hodgkin Lymphoma JAMA Oncol. Published online July 25, 2019. doi:10.1001/jamaoncol.2019.2203
- Frentzel-Beyme R, Schmitz-Feuerhake I, Wolff R: Comments on “Clinical characteristics of chronic lymphocytic leukemia occuring in Chornobyl cleanup workers” by S.C. Finch, I. Dyagil et al.. 2017;35:215-224. https://doi.org/10.1002/hon.2496