Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) – Operative Therapie
Active Surveillance ("Aktives Zuwarten")
Es gibt weder objektive Kriterien zur Selektion geeigneter Patienten noch eine einheitliche Definition zur aktiven Überwachung [S3-Leitlinie]. Bei Patienten mit schwerwiegenden Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) und/oder begrenzter Lebenserwartung kann ein kleiner Nierentumor (Durchmesser ≤ 4 cm) überwacht werden [S3-Leitlinie].
Im höheren Alter wachsen Tumoren oft nur sehr langsam und metastasieren seltener. In diesen Fällen sollte primär eine Nadelbiopsie (Form der Gewebeentnahme) durchgeführt werden. Trotz radiologischer Malignitätskriterien sind 20-30 % der Tumoren benigne (gutartig), sodass eine Operation vermieden werden kann. Etwa 60 % sind indolente ((langsam wachsende) und 20 % aggressive Karzinome mit höherem Metastasierungspotenzial [3].
Bei Nachweis von Tumorzellen erfolgt eine regelmäßige Kontrolle des Tumors mittels Nierensonographie (Ultraschall der Nieren) oder Computertomographie (CT). Eine Operation sollte erst dann erfolgen, wenn der Tumor überproportional schnell wächst oder das Metastasierungsrisiko steigt. Dieses Vorgehen ermöglicht es, eine Operation primär zu vermeiden bzw. bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Zur Heilung eines lokalisierten Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom) ist eine chirurgische Resektion (operative Entfernung des Tumors) erforderlich.
Chirurgische Therapie des Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom)
Nierenteilresektion (partielle Nephrektomie, pNx)
- Entfernung des tumortragenden Anteils der Niere
- Goldstandard bei lokal begrenztem Nierenzellkarzinom (Hypernephrom), insbesondere bei kleinen Tumoren im Stadium I (T1 bis max. 4 cm) [1]
- Alternativ: Radiofrequenzablation (Zerstörung des Tumors durch Hitze) bei kleinen Tumoren [1]
- Indiziert bei lokal begrenzten Tumoren im klinischen Stadium T2 [S3-Leitlinie]
Radikale Nephrektomie (totale Nephrektomie) (totale Nephrektomie, TNx)
- Komplette Entfernung der tumortragenden Niere
- Laparoskopische Tumornephrektomie bis Stadium T3, M0 als Standardverfahren
- Vorteile der laparoskopischen Nephrektomie:
- Geringerer intraoperativer Blutverlust
- Kürzere stationäre Aufenthaltsdauer im Vergleich zur offenen Operation [S3-Leitlinie]
- Indiziert bei ungünstiger Tumorlokalisation oder ausgedehnten Tumoren
- Optional: Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung) bei vergrößteren Lymphknoten zur lokalen Kontrolle [S3-Leitlinie]
Adjuvante Lymphadenektomie
- Systematische oder extendierte Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung) wird bei unauffälliger Bildgebung und intraoperativem Befund nicht empfohlen [S3-Leitlinie].
- Bei vergrößteren Lymphknoten kann zur lokalen Kontrolle eine Lymphadenektomie erwogen werden (konsensbasierte Empfehlung) [S3-Leitlinie].
Adrenalektomie (operative Entfernung der Nebenniere)
- Wird bei unauffälliger Bildgebung und intraoperativem Befund nicht empfohlen.
Bei der Nierentumorentfernung sollte stets eine R0-Resektion (vollständige Entfernung des Tumors ohne Reste) erfolgen, d. h., der Tumor muss im Gesunden entfernt werden, sodass histopathologisch kein Tumorgewebe im Resektionsrand nachweisbar ist [S3-Leitlinie].
Prognose nach operativer Therapie
- Das tumorspezifische Überleben nach totaler Nephrektomie liegt bei:
- 95,12 % nach laparoskopischer Nephrektomie
- 94,36 % nach offener Operation [S3-Leitlinie].
Bei Nierenzellkarzinom-Rezidiv
- Bei lokoregionalen Rezidiven eines lokalen Nierenzellkarzinoms sollten Patienten auch eine lokale Therapie per Operation (= erneute Resektion) oder Strahlentherapie erhalten: Die lokale Behandlung geht mit einer höheren Überlebensrate einher als eine alleinige systemische Therapie [9].
Bei Metastasierung
- Eine umfangreiche Analyse von Befunden der US-nationalen Krebsdatenbank konnte zeigen, dass Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die eine „targeted therapy“ (Immuntherapie) erhalten haben, länger lebten, wenn zudem eine zytoreduktive Nephrektomie (zytoreduktiv, d. h. Entfernung eines Großteils der Tumormassen (Senkung der Tumorlast) zum Ziel; Nephrektomie: operative Entfernung einer Niere) vorgenommen wird. Das mediane Gesamtüberleben war in der Gruppe mit Operation im ersten, zweiten, dritten und späteren Jahren durchgängig signifikant länger [4]: Vergleich zur Patientengruppe ohne chirurgischen Eingriff [4]:
- 1. Jahr: 62,7 % versus 34,7 %
- 2. Jahr: 39,1 % versus 17,1 %
- 3. Jahr und später: 27,7 % versus 9,8 %
- Die zytoreduktive Nephrektomie im metastasierten Stadium ist eine Therapieoption bei Patienten in gutem Allgemeinzustand.
- Auch bei einem metastasierten Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) ist prinzipiell eine Heilung möglich; in solchen Fällen erfolgt erst die Tumorexstirpation und in einer zweiten Operation werden die Metastasen (Tochtergeschwülste) entfernt (Metasektomie).
- Voraussetzungen zur Metastasenresektion (operative Entfernung von Metastasen) [2]:
- Der Primärtumor sollte unter Kontrolle sein.
- Weitere extrathorakale (außerhalb des Brustkorbs) Metastasierung nach interdisziplinärer Absprache.
- Die Metastasen müssen komplett resektabel (chirurgisch entfernbar, mit Aussicht auf Heilung oder Besserung) sein.
- Das allgemeine und funktionelle Operationsrisiko muss vertretbar sein.
- Resektable Lungenmetastasen sollten wegen der häufigen lymphogenen Metastasierung mit einer systematischen Lymphknotendissektion reseziert werden [2].
- Eine Phase-III-Studie konnte bei Patienten mit metastasiertem klarzelligem Nierenzellkarzinom und einer mäßigen bis schlechten Prognose konnte die Nichtunterlegenheit einer alleinigen Therapie mit Sunitinib (Tyrosinkinaseinhibitor; 50 mg/d in Zyklen über vier Wochen, gefolgt von 14-tägigen Pausen) nachweisen: Die mediane Überlebenszeit betrug 18,4 Monate in der Gruppe ohne und 13,9 Monate in der Gruppe mit Nephrektomie [7].
Literatur
- Huang WC et al.: Management of Small Kidney Cancers in the New Millennium: Contemporary Trends and Outcomes in a Population-Based Cohort. JAMA Surg. 2015;150(7):664-672. doi:10.1001/jamasurg.2015.0294.
- S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung
- Lane BR, Tobert CM, Riedinger CB: Growth kinetics and active surveillance for small renal masses. Curr Opin Urol, 2012. 22(5): p. 353-9.
- Hanna N et al.: Survival Analyses of Metastatic Renal Cancer Patients Treated With Targeted Therapy With or Without Cytoreductive Nephrectomy: A National Cancer Data Base Study. JCO 2016; online 20. Juni. doi: 10.1200/JCO.2016.66.7931.
- Bhindi B et al.: Are We Using the Best Tumor Size Cut-Points for Renal Cell Carcinoma Staging? Urology 2017, online 12. April; doi: 10.1016/j.urology.2017.04.010
- Xi W et al.: Evaluation of Tumor Pseudocapsule Status and Its Prognostic Significance in Renal Cell Carcinoma. J Urol. 2017 Nov 8. pii: S0022-5347(17)77849-4. doi: 10.1016/j.juro.2017.10.043.
- Méjean A et al.: Sunitinib Alone or after Nephrectomy in Metastatic Renal-Cell Carcinoma. NEJM 2018; online 3. Juni. doi: http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1803675
- Chen K et al.: Evolving trends in the surgical management of renal masses over the past two decades: A contemporary picture from a large prospectively-maintained database. Int J Urol 2019. doi: https://doi.org/10.1111/iju.13909
- Liu Y et al.: Locoregional recurrence after nephrectomy for localized renal cell carcinoma: Feasibility and outcomes of different treatment modalities. Cancer Medicine 2022; doi: 10.1002/cam4.4790
- Tang Y et al.: Survival benefit stratification of partial nephrectomy versus non-surgical treatment in elderly patients with T1a renal cell carcinoma Cancer Medicine 11 January 2023 https://doi.org/10.1002/cam4.5580
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), September 2024 Kurzfassung Langfassung