Neuroblastom – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Neuroblastom ist eine Tumorerkrankung, die sich aus unreifen Zellen des sympathischen Nervensystems entwickelt. Diese Zellen stammen aus dem embryonalen Neuralleistengewebe, welches die Grundlage für das sympathische Nervensystem und die Nebenniere bildet. Das Neuroblastom ist der häufigste solide Tumor bei Kindern und betrifft hauptsächlich Kleinkinder und Säuglinge.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Genetische Mutationen und Onkogen-Amplifikationen: Ein zentraler pathogenetischer Mechanismus des Neuroblastoms ist die Amplifikation des n-myc-Onkogens. Diese Amplifikation ist bei einem Teil der Neuroblastome nachweisbar und führt zu einem aggressiven Tumorwachstum. Neuroblastome mit n-myc-Amplifikation weisen häufig einen schlechteren klinischen Verlauf und eine schlechtere Prognose auf.
- Neurale Ursprungszellen: Neuroblastome entstehen aus unreifen neuralen Zellen, die sich während der embryonalen Entwicklung nicht vollständig differenzieren. Diese Zellen verbleiben im sympathischen Nervensystem und in der Nebenniere und entwickeln sich unter bestimmten Bedingungen zu Tumorzellen. Die Tumore können sowohl entlang der sympathischen Kette als auch in der Nebenniere auftreten.
Hinweis: Neuroblastome entstehen unabhängig vom späteren Verlauf bereits im ersten Trimester (Schwangerschaftsdrittel) [2].
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Tumorwachstum und Infiltration: Im Verlauf der Tumorentstehung infiltrieren die Tumorzellen zunehmend das umliegende Gewebe, insbesondere in den betroffenen Nervenbahnen und der Nebenniere. In fortgeschrittenen Stadien kann das Neuroblastom metastasieren (d. h., Bildung von Tochtergeschwülsten), wobei es sich besonders in Knochen, Knochenmark, Leber und Haut ausbreitet.
- Immunevasion: Neuroblastome weisen Mechanismen auf, die eine Erkennung durch das Immunsystem verhindern. Hierbei sind vor allem Veränderungen in der Expression von Immunzellen-regulierenden Molekülen von Bedeutung.
Klinische Manifestation
- Frühe Symptome: Die klinischen Manifestationen des Neuroblastoms sind oft unspezifisch. Zu den häufigsten frühen Symptomen gehören Bauchschmerzen, tastbare Tumormassen im Abdomen oder Nacken und Gewichtsverlust.
- Fortgeschrittene Symptome: In fortgeschrittenen Stadien können Symptome wie Knochenschmerzen, Blässe aufgrund einer Anämie (Blutarmut) und Hypertonie (Bluthochdruck) durch Tumorwachstum in der Nebenniere auftreten. Die Metastasierung führt zu systemischen Beschwerden, abhängig von den betroffenen Organen.
Progression und Organbeteiligung
- Lokale Invasion: Das Neuroblastom wächst lokal invasiv und dringt in nahegelegene Strukturen wie Organe und Gewebe ein. Besonders betroffen sind die Nebenniere und sympathische Nervenstrukturen.
- Metastasierung: In fortgeschrittenen Stadien metastasiert das Neuroblastom häufig in das Knochenmark, die Knochen, die Leber und die Haut. Diese Metastasen verschlechtern die Prognose und sind häufig ein Zeichen für einen aggressiveren Krankheitsverlauf.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Beeinträchtigung der Organfunktion: Infolge des Tumorwachstums und der Metastasierung können betroffene Organe, insbesondere die Nebenniere und Knochenmark, ihre Funktionen nicht mehr ausreichend erfüllen. Dies führt zu hormonellen Störungen und einer Beeinträchtigung der Blutbildung.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
- Spontane Regression: Bei einigen Neuroblastomen, insbesondere bei Kleinkindern, kann es zu einer spontanen Regression (Rückbildung) des Tumors kommen, ohne dass eine Behandlung erforderlich ist. Dieser Mechanismus ist jedoch bislang nicht vollständig verstanden.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Neuroblastom ist ein Tumor, der sich aus unreifen neuralen Zellen des sympathischen Nervensystems entwickelt und vorwiegend Kinder betrifft. Genetische Faktoren, insbesondere die Amplifikation des n-myc-Onkogens, spielen eine zentrale Rolle in der Pathogenese und beeinflussen den klinischen Verlauf. Die Erkrankung kann sich durch lokale Invasion und Fernmetastasierung aggressiv ausbreiten. Die Prognose hängt stark vom genetischen Profil und dem Stadium der Erkrankung ab. Spontane Rückbildungen sind in einigen Fällen möglich, was die Bedeutung einer individualisierten Therapie unterstreicht.
Ätiologie (Ursachen)
Die Ätiologie ist noch unbekannt.
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (sehr selten)
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Gene: BARD1
- SNP: rs6435862 im Gen BARD1
- Allel-Konstellation: GT (1,7-fach)
- Allel-Konstellation: GG (2,8-fach)
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Rauchen in der Schwangerschaft [1]
- Mütter von erkrankten Kindern haben häufiger in der Schwangerschaft geraucht als die Kontrollen (24,1 vs. 19,7 %; Odds-Ratio [OR] 1,3; 95 % Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,9-1,7); unter Einbezug einer Metaanalyse waren die Daten gerade noch signifikant (OR 1,1; 95 %-KI 1,0-1,3)
- Wenn beide Eltern während der Schwangerschaft geraucht hatten (OR 1,5; 95 %-KI 1,1-2,1)
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
Literatur
- Rios P et al.: Parental smoking, maternal alcohol consumption during pregnancy and the risk of neuroblastoma in children. A pooled analysis of the ESCALE and ESTELLE French studies. Int J Cancer. 2019; https://doi.org/10.1002/ijc.32161
- Körber V. et al.: Neuroblastoma arises in early fetal development and its evolutionary duration predicts outcome. In: Nature Genetics (Online Publikation March 27, 2023) doi: 10.1038/s41588-023-01332-y