Myelodysplastisches Syndrom (MDS) – Labordiagnostik

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Kleines Blutbild
    • [Hämoglobin oft < 12 g/dl
    • Leukozytenzahl oft < 4.000/μl
    • Thrombozytenzahl oft < 100.000/μl]
    Hinweis: Häufig liegt eine makrozytäre Anämie [MCV (mean corpuscular volume) ↑] mit fehlender adäquater Steigerung der Retikulozyten (junge, noch unreife rote Blutkörperchen) vor.
  • Differentialblutbild – zur Bestimmung der Untergruppen der Leukozyten (weiße Blutkörperchen)
  • Retikulozyten [oft vermindert]
  • Ferritin [bei Werten über > 1.000 µg/l ggf. Eisenentleerungstherapie]
  • Erythropoetin(EPO)-Spiegel [bei < 200 mU/ml ggf. Therapie mit EPO-α]
  • Laktatdehydrogenase (LDH) [über der Norm: mit schlechterer Prognose assoziiert]
  • Folsäure
  • Vitamin B12
  • Kupfer im Serum – zum Ausschluss eines Kupfermangels (z. B. infolge einer Zinküberversorgung)
  • Erythropoetin
    • bei Erythropoetin-Spiegel < 500 U/l ggf. Therapie mit einem Erythropoietin
  • Knochenmarkpunktion mit Zytologie, Zytogenetik, Histologie, Immunphänotypisierung (zum Abschätzen des Blastenanteils und Darstellung von Dysplasiezeichen) – um festzustellen, ob die Fehlproduktion der Blutzellen durch das blutbildende System bedingt ist:
    • 1. Entnahme von Knochenmark durch Punktion des Beckenkamms (Knochenmarkbiopsie)
    • 2. Histologische Untersuchung
    • 3. Bei Veränderungen im Knochenmark lässt sich nun der Subtyp des myelodysplastischen Syndroms bestimmen.
  • Mutationsanalysen
    • bcr-abl, pdgfr-α/β, (ggf. zur Abgrenzung CMML (chronische myelomonozytäre Leukämie)/CML/aCML)
    • SRSF2-, ASXL1- und TET2-Gen – Hinweis auf CMML
    • tet2, runx1, asxl1, sf3b1, srsf2, tp53, u2af1, dnmt3a, zrsr2, ezh2, nras, kras (ggf. Sicherung der Diagnose, Prognoseabschätzung)
    • ASXL1, RUNX 1, EZH2, TP53, IDH1, IDH2, SFRS2 usw. [ungünstige Prognose]
  • ggf. HLA-Typisierung (wg. allogener Transplantation) – bei jüngeren Hochrisikopatienten

Signifikant für ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) sind Blutbildveränderungen wie:

  • Monozytopenie (Verminderung der Monozyten im Blut) – Monozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen. Sie sind Vorläufer der Makrophagen, die als „Fresszellen“ eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen.
  • Bizytopenie – zwei Zellreihen der Blutbildung sind von der Störung betroffen
  • Panzytopenie (Trizytopenie) – Verminderung aller drei Zellreihen im Blut: Leukozyten/weiße Blutkörperchen, Thrombozyten/Blutplättchen, Erythrozyten/rote Blutkörperchen) 
  • Dyshämatopoese im peripheren Blut (Reifungsstörungen von Vorläuferzellen)
    • Anisozytose (ungleiche Größenverteilung von normalerweise gleich großen Zellen)
    • basophile Tüpfelung
    • hypersegmentierte Granulozyten
    • hypogranulierte Granulozyten
    • Makrozytose (Vergrößerung der Erythrozyten über den Normwert hinaus)
    • Plättchenanisometrie
    • Poikilozytose (Vorkommen von verschieden geformten, nicht runden Erythrozyten)
    • Polychromasie
    • Pseudo-Pelger-Zellen
    • vereinzelt Blasten
    • Riesenplättchen
    • etc.

Charakteristische Laborbefunde bei MDS

  • Panzytopenie: Verminderung aller drei Blutzellreihen (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten) im peripheren Blut, häufig bei fortgeschrittenem MDS. Bei milderen Formen kann eine isolierte Anämie oder Thrombozytopenie auftreten.
  • Dysplastische Zellen: Fehlgebildete Knochenmarks- und Blutzellen, die auf eine ineffektive Hämatopoese hindeuten. Dysplasien sind sowohl bei Erythrozyten als auch bei Leukozyten und Thrombozyten sichtbar.
  • Erhöhter Blastenanteil: Vorstufen der Blutzellen, insbesondere myeloische Blasten, können im Knochenmark erhöht sein (bis zu 20 %). Ein höherer Anteil weist auf die Progression zu einer akuten myeloischen Leukämie (AML) hin.
  • Erythrozyten:
    • Makrozytose: Erhöhtes mittleres korpuskuläres Volumen (MCV) > 100 fl, oft bis 115 fl.
    • Anisozytose: Ungleich große Erythrozyten, die auf die Störung der Erythrozytenreifung hindeutet.
    • Poikilozytose: Verformte Erythrozyten, was ebenfalls auf die Dysplasie hindeutet.
    • MCH: Oft erhöht (> 33 pg), aufgrund des größeren Zellvolumens, was auf eine hyperchrome oder normochrome Anämie hinweist.
  • Retikulozyten: Trotz der Anämie ist die Retikulozytenzahl oft erniedrigt, was auf eine ineffektive Erythropoese (Bildung von reifen Erythrozyten) hinweist. Dies ist ein Schlüsselmerkmal von MDS, da das Knochenmark nicht in der Lage ist, funktionell wirksame Erythrozyten zu produzieren.
  • Leukozyten:
    • Neutropenie: Verminderte Anzahl von neutrophilen Granulozyten, häufig begleitet von funktionellen Defiziten.
    • Hypogranulation: Eine fehlerhafte Reifung der Granulozyten, sichtbar in der Reduktion oder dem Fehlen von Granula in den Zellen.
    • Pelger-Huët-Anomalie: Hypolobulierung der Zellkerne der neutrophilen Granulozyten, die auf eine Reifungsstörung hinweist.
  • Thrombozyten:
    • Thrombozytopenie: Verminderte Thrombozytenzahl im peripheren Blut, oft begleitet von einer gestörten Funktion der Thrombozyten.
    • Megakaryozyten mit hypolobierten Kernen: Diese abnormen Megakaryozyten finden sich im Knochenmark, was auf eine Dysplasie der Thrombozytenvorläuferzellen hinweist.
  • Serum-Erythropoetin (EPO): Bei Patienten mit MDS und Anämie sind die EPO-Werte oft erhöht, da der Körper versucht, die ineffektive Erythropoese durch verstärkte EPO-Produktion zu kompensieren.

Ergänzungen in Bezug auf die Anämie

  • Ferritin: Häufig erhöht, insbesondere bei Patienten mit sideroblastischer Anämie oder bei Patienten, die multiple Bluttransfusionen erhalten haben.
  • Serumeisen und Transferrin: Bei sideroblastischen Anämien kann Serumeisen erhöht und Transferrin erniedrigt sein, was auf eine Eisenüberladung hindeutet. In anderen Fällen von MDS können diese Parameter normal sein.

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, körperlichen Untersuchung etc. – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Immunzytologie, i. d. R. T‑Zellen – bei Verdacht auf Large granular lymphocyte Lymphom
  • Immunzytologie, B‑Zellmarker + CD103? – bei Verdacht auf Haarzellleukämie
  • Immunzytologie, GPI-Anker – bei Verdacht auf paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
  • Anti-thrombozytäre Antikörper – bei Verdacht auf idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP, neuerdings eher Immunthrombozytopenie genannt)