Myelodysplastisches Syndrom (MDS) – Einleitung

Das Myelodysplastische Syndrom (MDS) stellt eine Gruppe von heterogenen Erkrankungen des Knochenmarks (Stammzellerkrankungen) dar. Das Syndrom geht einher mit einer Störung der Hämatopoese (Blutbildung), das heißt, es kommt zu qualitativen und quantitativen Veränderungen der Hämatopoese sowie zu einer peripheren Zytopenie (verminderte Anzahl der Zellen im Blut). Es finden sich dysplastische (fehlgebildete) Knochenmarks- und Blutzellen mit einem erhöhten Anteil an Blasten (Vorstufen bzw. junge, noch nicht endgültig differenzierte Zellen).

Synonyme und ICD-10: Myelodysplasie; ICD-10-GM D 46.9: Myelodysplastisches Syndrom, nicht näher bezeichnet

Aus den Stammzellen des Knochenmarks gehen beim gesunden Menschen durch Differenzierung und Reifung Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen), die klassifiziert werden in Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten) sowie Thrombozyten (Blutplättchen) hervor.

Charakteristische Laborbefunde

  • Panzytopenie: Verminderung aller drei Blutzellreihen (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten) im peripheren Blut.
  • Dysplastische Zellen: Fehlgebildete Knochenmarks- und Blutzellen.
  • Erhöhter Blastenanteil: Vorstufen der Blutzellen, die im Knochenmark erhöht sind.
  • Erythrozyten: Anisozytose (ungleich große Erythrozyten), Poikilozytose (verformte Erythrozyten).
  • Retikulozyten: Trotz der Anämie (Blutarmut) ist die Retikulozytenzahl oft erniedrigt, was auf eine ineffektive Erythropoese (Bildung von reifen Erythrozyten aus hämatopoetischen Stammzellen des blutbildenden Knochenmarks) hindeutet.
  • Leukozyten: Hypogranulation und Pelger-Huët-Anomalie.
    • Neutropenie: Eine verminderte Anzahl von neutrophilen Granulozyten kommt häufig vor.
  • Thrombozyten: Megakaryozyten mit hypolobierten Kernen werden vor allem im Knochenmark gefunden; Thrombozytopenie ist auch im peripheren Blutbild sichtbar
  • Serum-Erythropoetin (EPO): Erhöhte Werte bei Patienten mit MDS und Anämie (Blutarmut)

Formen des myelodysplastischen Syndroms

Nach der Ursache 

  • Primäres myelodysplastisches Syndrom (> 90 %)
    • ohne erkennbare Ursache
  • Sekundäres myelodysplastisches Syndrom (< 10 %)
    • Therapie-assoziiertes myelodysplastisches Syndrom
      • nach vorangegangener Zytostatikatherapie (Synonym: Chemotherapie) – Alkylanzien, Topoisomerase II-Inhibitoren, Cisplatin, Fludarabin, Azathioprin
      • nach Radiatio (Strahlentherapie)
      • nach kombinierter Radiochemotherapie (RCTX; v. a. Alkylanzien in Kombination mit einer Bestrahlungstherapie)
      • nach Radiojodtherapie
    • ausgelöst durch langjährige Exposition (10-20 Jahre) gegenüber toxischen (giftigen) Substanzen wie Benzole und auch bestimmte Lösungsmittel – betroffen sind besonders Tankstellenbedienstete, Lackierer und Maler sowie auch Bedienstete von Flughäfen (Kerosin)

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind etwas seltener betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 75 Jahren.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): ca. 4-5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. In der Gruppe der über 80-Jährigen liegt die Inzidenz bei > 50 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr [1].

Das myelodysplastische Syndrom zählt zu den häufigsten malignen (bösartigen) Knochenmarkserkrankungen älterer Menschen (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Das Myelodysplastische Syndrom (MDS) führt zu einer Störung der Hämatopoese mit qualitativen und quantitativen Veränderungen sowie einer peripheren Zytopenie: Verminderung aller drei Blutzellreihen (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten) im peripheren Blut.
  • Charakteristisch sind dysplastische Knochenmarks- und Blutzellen sowie ein erhöhter Anteil an Blasten.
  • Im Verlauf der Erkrankung werden zunehmend unreife Blutzellen produziert.

Prognose

  • Übergang in prognostisch ungünstigere Formen wie akute myeloische Leukämie (AML) oder chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) möglich.
  • Trotz Diagnose benötigen etwa 10 % der Patienten langfristig nur Beobachtung.
  • 70 % der Erkrankten sterben an Blutungen, den Folgen einer AML oder durch Infekte.

Therapie und Management

  • Stärkung des Immunsystems durch gesunde Ernährung, sportliche Aktivität, ausreichende Ruhephasen und mentales Training.
  • Aussicht auf Heilung nur durch Stammzelltransplantation.
  • Adäquate Therapie kann die Überlebenszeit verlängern.

Prognosefaktoren

  • Negative Prognosefaktoren:
    • Medullärer Blastenanteil > 5 %.
    • Komplexe chromosomale Aberrationen.
    • Erhöhte Laktatdehydrogenase (LDH).
    • Höheres Alter.
    • Komorbiditäten (Begleiterkrankungen).
    • Reduzierter Allgemeinzustand.
    • Transfusionsbedarf.

Prognosesysteme

  • International Prognostic Scoring System (IPSS)
  • International Prognostic Scoring System-Revised (IPSS-R)
  • Diese Systeme helfen, das Gesamtüberleben und das Risiko einer Progression in eine AML einzuschätzen.

Literatur

  1. Williamson PJ, Kruger AR, Reynolds PJ, Hamblin TJ, Oscier DG: Establishing the incidence of myelodysplastic syndrome. Br J Haematol 1994; 87: 743-5