Morbus Hodgkin – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der Morbus Hodgkin ist eine maligne (bösartige) Erkrankung des lymphatischen Systems (System von Organen und Geweben, das für die Abwehr von Infektionen verantwortlich ist). Die Entartung führt zur Bildung charakteristischer Reed-Sternberg-Zellen in den Lymphknoten.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Maligne Entartung der B-Lymphozyten: Die Hodgkin-Lymphom-Zellen entstehen aus B-Lymphozyten, die einen Defekt in der Reifung durchlaufen. Dies führt zur Bildung von dysfunktionalen Immunzellen.
- Einfluss des Epstein-Barr-Virus (EBV): Es wird angenommen, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) in etwa 50 % der Fälle in den Tumorzellklonen nachgewiesen wird, was auf eine mögliche Rolle bei der Entstehung des Morbus Hodgkin hinweist. Dennoch kann EBV allein nicht als Ursache betrachtet werden, da 95 % der Bevölkerung bis zum 30. Lebensjahr mit dem Virus infiziert sind, ohne an der Krankheit zu erkranken.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Immunsystemdysfunktion: Die maligne Transformation führt zu einer Störung der Immunüberwachung. Betroffene B-Zellen können nicht mehr richtig auf Infektionen reagieren, und es kommt zu einer Schwächung des Immunsystems.
- Zytokinfreisetzung: Die Reed-Sternberg-Zellen und die sie umgebenden Immunzellen setzen proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) frei, die die Entzündungsreaktion in den Lymphknoten verstärken und die klinischen Symptome wie Fieber und Nachtschweiß begünstigen.
Klinische Manifestation
- Vergrößerte Lymphknoten: Typische klinische Zeichen sind schmerzlose, vergrößerte Lymphknoten, insbesondere im Bereich des Halses, des Mediastinums oder der Achselhöhlen.
- B-Symptome: Betroffene Patienten leiden häufig unter allgemeinen Beschwerden wie Fieber, Nachtschweiß und ungewolltem Gewichtsverlust.
Progression und Organbeteiligung
- Infiltration von Organen: Im fortgeschrittenen Stadium kann der Morbus Hodgkin über das lymphatische System hinaus in Organe wie Milz, Leber oder Knochenmark metastasieren (sich ausbreiten). Dies führt zu systemischen Symptomen und einer Verschlechterung der klinischen Prognose.
- Prognostische Faktoren: Ein positiver EBV-Status hat sich bei älteren Patienten (> 70 Jahre) als ungünstiger Prognosefaktor erwiesen, was auf eine spezifische pathogenetische Rolle des Virus hinweisen könnte. Bei EBV-positiven Patienten ist das Risiko einer fortschreitenden Erkrankung höher [2].
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Beeinträchtigung der Immunfunktion: Die Fehlfunktion der B-Lymphozyten und die allgemeine Immunschwäche führen zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen.
- Lymphknotenschwellungen und Organvergrößerungen: Die betroffenen Lymphknoten und Organe werden durch die Ansammlung von malignen Zellen stark vergrößert und können zu mechanischen Beschwerden und Organfunktionsstörungen führen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Pathogenese des Morbus Hodgkin ist durch eine maligne Entartung von B-Lymphozyten gekennzeichnet, wobei EBV in etwa der Hälfte der Fälle eine mögliche Rolle spielt. Die Erkrankung manifestiert sich klinisch durch Lymphknotenschwellungen und systemische B-Symptome.
Die Prognose ist stark abhängig von Faktoren wie dem EBV-Status, insbesondere bei älteren Patienten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern.
Ätiologie (Ursachen)
Genaue ätiologische Faktoren sind nicht bekannt. Folgende Faktoren haben aber möglicherweise Einfluss auf die Entstehung:
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung – Verwandte 1. Grades eines Morbus Hodgkin-Patienten erkranken mit einer 3‑ bis 7‑fach erhöhten Wahrscheinlichkeit
- Die Heritabilität (Vererbbarkeit) wird mit 25,2 % für den nodulär-sklerosierende Typ (NSHL) und mit 21,9 Prozent für den Mischtyp MCHL angegeben [1]
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Pestizidbelastung durch konventionelle Lebensmittel – Der Konsum von Bio-Produkten ist mit einem signifikant geringeren Risiko für Lymphome assoziiert. Studien zeigen, dass der häufige Verzehr biologisch produzierter Nahrungsmittel das Risiko für Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphome senkt (Hazard Ratio: 0,24 bzw. 0,14) [3].
- Nitrosaminreiche Lebensmittel – Verarbeitete Fleischprodukte, die Nitrosamine enthalten, könnten das Risiko für Lymphome erhöhen.
- Genussmittelkonsum
- Rauchen – Tabakkonsum erhöht durch oxidative Prozesse und DNA-Schädigungen das Risiko für Lymphome.
- Alkohol – Ein hoher Alkoholkonsum kann die Immunfunktion beeinträchtigen und die Anfälligkeit für lymphatische Erkrankungen erhöhen. [Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC): Alkohol ist laut WHO ein Karzinogen der Kategorie 1.] [4]
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel – Ein inaktiver Lebensstil kann die Immunfunktion schwächen, was indirekt das Risiko für Lymphome erhöhen könnte.
Krankheitsbedingte Ursachen
- HIV-Infektion
- EBV-Infektion
- Immunsuppressive Therapie
Umweltbelastungen
- Exposition gegenüber Holzschutzmitteln und Haarfärbemitteln – Beide Stoffgruppen sind als potenziell karzinogen eingestuft.
- Pestizidexposition – Kontakt mit bestimmten Pestiziden wie Glyphosat oder Malathion, die von der IARC als wahrscheinlich karzinogen klassifiziert wurden, ist mit einem erhöhten Risiko für Lymphome assoziiert.
Literatur
- Sud A et al.: Genome-wide association study of classical Hodgkin lymphoma identifies key regulators of disease susceptibility. Nat Genet 1892 (2017) doi:10.1038/s41467-017-00320-1 Published online: 01 December 2017
- Murray PG et al. An etiological role for the Epstein-Barr virus in the pathogenesis of classical Hodgkin lymphoma. Blood 2019. doi: https://doi.org/10.1182/blood.2019000568
- Baudy J et al.: Association of Frequency of Organic Food Consumption With Cancer Risk. Findings From the NutriNet-Santé Prospective Cohort Study. JAMA Intern Med. Published online October 22, 2018. doi:10.1001/jamainternmed.2018.4357
- Wood AM et al.: Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies. Lancet. 2018 Apr 14;391(10129):1513-1523. doi: 10.1016/S0140-6736(18)30134-X.