Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) – Prävention
Zur Prävention des Bronchialkarzinoms (Lungenkrebs) muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Ausreichender Obst- und Gemüseverzehr – Eine Ernährung reich an Antioxidantien, Vitamin C, und sekundären Pflanzenstoffen kann protektiv wirken.
- Mikronährstoffversorgung (Vitalstoffe) – Eine ausreichende Versorgung mit Vitalstoffen wie Vitamin A, Zink und Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure) kann unterstützend sein.
- Unzureichende Vitalstoff-Zufuhr
- Genussmittelkonsum
- Alkohol (Frauen mehr als 10 g pro Tag; Männer mehr als 20 g pro Tag) – fördert u. a. die Entwicklung des Bronchialkarzinoms
- Tabak (Rauchen, Passivrauchen) – Das Risiko eines Mannes, der 20 Jahre lang pro Tag zwei Packungen geraucht hat, beträgt das 60- bis 70-fache eines Nichtrauchers. Nach Beendigung des Rauchens sinkt zwar das Risiko, erreicht aber nie wieder das Niveau eines Nichtrauchers [1, 2].
Ein Viertel aller Raucher, die Träger des „Brustkrebsgens“ BRCA2 sind, erkranken im Verlauf ihres Lebens [4] - E-Zigaretten (Vaper): Exraucher, die auf E-Zigaretten gewechselt sind, erkrankten in Südkorea häufiger an Lungenkrebs als Exraucher, die eine komplette Abstinenz erreichten [22].
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel; hohe kardiorespiratorische Fitness (Durchschnitt 13,0 MET ≈ 13-Fache des Grundumsatzes) im mittleren Lebensalter führte zu einer um 55 % reduzierten Lungenkrebsmortalität (Lungenkrebssterberate) [8]
- Psycho-soziale Situation
- Hoher Arbeitsstress: + 24 % Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) [18]
- Nachtdienst (+ 28 %) [16]
Medikamente
- ACE-Hemmer – Angiotensin-konvertierende Enzym metabolisiert neben Angiotensin I auch Bradykinin, einen aktiven Vasodilatator; Bronchialkarzinome exprimieren Bradykininrezeptoren; Bradykinin kann die Freisetzung von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren stimulieren (= Förderung der Angiogenese und damit des Tumorwachstums). Bei Patienten, die ACE-Hemmer erhalten hatten, betrug die Inzidenz 1,6 pro 1.000 Personenjahre gegenüber 1,2 pro 1.000 Personenjahre bei den anderen Hochdruckpatienten; die ACE-Hemmer Therapie erhöhte das Risiko relativ um 14 % [17]
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors, SSRI) ? [9]
- Trizyklische Antidepressiva (tricyclic anti-depressants, TCA) ? [9]
Umweltbelastung (inklusive Arbeitsplatzbelastungen) – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Beruflicher Kontakt
- mit Karzinogenen – z. B. Asbest, künstliche Fasern (engl. man made mineral fibers, MMMF), Kokereirohgase, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Arsen, Chrom-VI-Verbindungen, Nickel, halogenierten Ethern („Haloethern“), insbesondere Dichlordimethylether, Acrylnitril, radioaktive Stoffe etc.
- Kokereirohgase
- Umgang mit Teer und Bitumen (Straßenbau)
- Inhalation von Kohlestaub (Bergleute)
- Inhalation von Nickelstaub, Quarzstaub (Quarzfeinstaub gilt als Gruppe 1-Karzinogen)
- Arsen [15]
- Männer: Mortalitätsrisiko (Sterberisiko)/relatives Risiko (RR) 3,38 (95-Prozent-Konfidenzintervall 3,19-3,58)
- Frauen: Mortalitätsrisiko/relatives Risiko 2,41 (95-Prozent-Konfidenzintervall 2,20-2,64)
- Tetrachlorethen (Perchlorethylen, Perchlor, PER, PCE)?, bei Frauen [5]
- Dieselabgase (wg. polyzyklischer Kohlenwasserstoffe, PAH)
- Luftschadstoffe: Feinstaub (durch Autoabgase, Verbrennungsprozesse in der Industrie und Hausbrand) – bereits Feinstaubkonzentration unterhalb des europäischen Grenzwerts erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken [3]
- Ionisierende Strahlen, d. h. elektromagnetische Strahlung (Röntgen- und Gammastrahlung) und Teilchenstrahlung (z. B. Alpha-, Beta- und Neutronenstrahlung) – unter anderem Erzgewinnung und -verarbeitung insbesondere in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen (v. a. SDAG, Wismut); Arbeiten mit Uran und Thorium; zu Heilzwecken betriebene Radonbäder
- Radon – nach dem Rauchen ist das unfreiwillige Einatmen von radioaktivem Radon in den eigenen vier Wänden der häufigste Auslöser von Lungenkrebs; es ist in Deutschland für ca. 5 % aller Lungenkrebstodesfälle verantwortlich [10]
Eine signifikante Verringerung der Lungenkrebs-spezifischen Mortalität (Sterberate) konnte für aktuelle und ehemalige Raucher (> 30 packyears) im Alter zwischen 55 und 74 Jahren durch das National Lung Screening Trial (NLST) in einer ersten randomisierten, kontrollierten Lungenkrebs Screening-Studie nachgewiesen werden [11].
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Ernährung
- Ausreichender Obst- und Gemüseverzehr – Eine Ernährung reich an Antioxidantien, Vitamin C, und sekundären Pflanzenstoffen kann protektiv wirken.
- Hoher Verzehr von Nüssen (Walnuss, Haselnuss, Mandeln, Erdnuss, Sämereien): invers korreliert mit dem gesamten Lungenkrebsrisiko (höchstes niedrigstes Quintil, OREAGLE = 0,74; 95 % CI, 0,57-0,95; HRAARP = 0,86; 95 % CI, 0,81-0,91), unabhängig vom Rauchstatus [13]
- Ernährung mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren: 8 % geringeres Erkrankungsrisiko (HR: 0,92) als Teilnehmer in der Gruppe der niedrigsten Mengenquintile [14]
- Hoher Konsum von Ballaststoffen und Joghurt (Bronchialkarzinom-Risiko 33 % geringer) [21]
- Genussmittelkonsum
- Verzicht auf Tabak (Rauchen) – Aktives und passives Rauchen gehören zu den Hauptrisikofaktoren für Bronchialkarzinome.
- E-Zigaretten vermeiden – Der Wechsel von Tabak auf E-Zigaretten reduziert das Risiko nicht vollständig.
- Moderater Alkoholkonsum – Begrenzung des Konsums auf < 10 g/Tag (Frauen) und < 20 g/Tag (Männer).
- Körperliche Aktivität
- Eine hohe versus eine niedrige körperliche Aktivität in der Freizeit ist mit einem geringeren Risiko für Bronchialkarzinom verbunden (-26 %; HR 0.74, 95 % CI 0.71-0.77) [12].
- Probanden in der höchsten Fitnesskategorie ≥ 12 MET [19]:
- 77 % geringeres Risiko für Bronchialkarzinom, als die am wenigsten fitten Teilnehmer; Inzidenzraten: 0,28 bzw. 2,00 je 1.000 Personenjahre; Risiko nach einer Lungenkrebsdiagnose während der Nachbeobachtungszeit zu sterben, war für die fittesten Patienten um 44 % vermindert.
- Medikamente
- BCG-Impfung im Schulkindesalter: Ein Follow-up von sechs Dekaden zeigte in der retrospektiven Studie bei Studienteilnehmern mit BCG-Impfung, dass Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) signifikant seltener ist als in der Placebogruppe [20].
- Metformin – Typ-2-Diabetiker, die Metformin eingenommen hatten und Nichtraucher waren, erkrankten zu 43 % seltener an einem Bronchialkarzinom. Der Schutzeffekt stieg mit der Dauer der Einnahme: Nichtraucher, die über mindestens 5 Jahre Metformin einnahmen, erkrankten zu 52 % seltener an Lungenkrebs [6].
- Arbeitsplatzsicherheit
- Vermeidung von Exposition gegenüber Kanzerogenen – Minimierung des Kontakts mit Schadstoffen wie Asbest, Radon und Dieselabgasen.
- Umwelt
- Aufenthalt in großen Höhen: Abnahme der Bronchialkarzinominzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) mit jeder Höhenzunahme um 1.000 m um 7,23 pro 100.000 Einwohner [7].
Sekundärprävention
Die Sekundärprävention zielt darauf ab, Risikopersonen frühzeitig zu identifizieren und eine gezielte Diagnostik einzuleiten, um Bronchialkarzinome im Frühstadium zu erkennen.
- Screening und Diagnostik
- Niedrigdosis-CT (LDCT) – Empfehlung für Raucher und Exraucher mit ≥ 20 Packungsjahren und Alter zwischen 50-80 Jahren.
- Lungenfunktionsdiagnostik – Zur Überwachung bei Personen mit bekannter Exposition gegenüber kanzerogenen Stoffen.
- Biomarker-Analyse – Untersuchung auf spezifische Tumormarker bei Risikopersonen.
- Raucherentwöhnung
- Nikotin-Ersatztherapie – Pflaster, Kaugummis oder Medikamente zur Unterstützung bei der Tabakentwöhnung.
- Psychologische Unterstützung – Verhaltenstherapie zur Förderung des Rauchstopps.
Tertiärprävention
Die Tertiärprävention zielt darauf ab, die Lebensqualität bei diagnostiziertem Bronchialkarzinom zu verbessern und Komplikationen zu minimieren.
- Therapie und Rehabilitation
- Onkologische Behandlung – Kombination aus Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie und/oder Immuntherapie.
- Palliativmedizin – Symptomlinderung, insbesondere bei Atemnot und Schmerzen.
- Körperliche Aktivität
- Rehabilitationsprogramme – Individuell angepasstes Training verbessert die körperliche Fitness und verringert die Dyspnoe (Atemnot).
- Ernährungsberatung
- Körpergewichtsstabilisierung – Ausreichende Kalorien- und Mikronährstoffzufuhr zur Unterstützung der Therapie.
- Psychosoziale Unterstützung
- Psychologische Begleitung – Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung.
- Selbsthilfegruppen – Austausch mit anderen Betroffenen.
Literatur
- Deutsches Krebsforschungszentrum. Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
- Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish.Lancet Oncol, 10, 1033-1034
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- Wang Y et al.: Rare variants of large effect in BRCA2 and CHEK2 affect risk of lung cancer. Nature Genetics (2014) doi:10.1038/ng.3002
- Mattei F et al.: Exposure to chlorinated solvents and lung cancer: results of the ICARE study. Occup Environ Med. 2014 Jul 11. pii: oemed-2014-102182.doi: 10.1136/oemed-2014-102182.
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- Bundesamt für Strahlenschutz 1989 - 2014
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Leitlinien
- S3-Leitlinie: Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 020-007OL), November 2022 Kurzfassung Langfassung