Krebserkrankungen – Verhaltensbedingte Ursachen

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung   
    • Eine hohe Gesamtfettaufnahme steht im Zusammenhang mit einer erhöhten Häufigkeit für Brust-, Dickdarm-, Mastdarm-, Prostata- und Gebärmutterkrebs.
    • Zahlreiche Studien belegen, dass Menschen, die sich fleisch- und wurstarm ernähren, seltener an malignen Tumoren erkranken. Das wird vor allem darauf zurückgeführt, dass bei vorwiegend ovo-lacto-vegetarischer Ernährung mehr Mikronährstoffe und bioaktive Substanzen, die antikanzerogen (krebshemmend) wirken, sowie viele Ballaststoffe zugeführt werden.
      Rotes Fleisch, d. h. Muskelfleisch von Schwein, Rind, Lamm, Kalb, Hammel, Pferd, Schaf, Ziege, wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "wahrscheinlich karzinogen für den Menschen", das heißt als krebserregend, eingestuft.
      Fleisch- und Wurstwaren werden als sogenanntes „definitives Gruppe 1-Karzinogen“ eingestuft und sind damit vergleichbar (qualitativ, aber nicht quantitativ) mit der kanzerogenen (krebserregenden) Wirkung des Tabakrauchens. Zu den Fleischwaren zählen Produkte, deren Fleischbestandteil durch Verarbeitungsverfahren wie Salzen, Pökeln, Räuchern oder Fermentieren haltbar gemacht bzw. im Geschmack verbessert wurde: Würstchen, Wurstwaren, Schinken, Corned beef, Dörrfleisch, luftgetrocknetes Rindfleisch, Fleischkonserven [6].
      • Fleisch- und Fleischwarenkonsum fördern besonders die Entstehung von Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs). Der tägliche Verzehr von 50 g Fleischwaren (das entspricht zwei Scheiben Wurst) steigert das Risiko für ein Kolonkarzinom um 18 %, ein täglicher Verzehr von 100 g rotem Fleisch um 17 % [6].
        Beachte: Verzehr von verarbeitetem Fleisch wurde von der IARC (Internationale Agentur für Krebsforschung) als kanzerogen für den Menschen eingestuft; Verzehr von rotem Fleisch als wahrscheinlich kanzerogen [13].
      • Andere Studien weisen darauf hin, dass mit dem Fleisch aufgenommenes Eisen zur Risikoerhöhung beitragen könnte, da Eisen die Bildung schädlicher Nitrosoverbindungen im Körper fördern kann. "Rotes" Fleisch oder Fleischwaren (Schwein, Rind, Kalb, Lamm) haben im Durchschnitt einen höheren Eisengehalt als Geflügel, weshalb dessen Verzehr das Darmkrebsrisiko in dieser Studie nicht beeinflusst haben könnte [3].
      • Studien an Ratten mit chemisch-induziertem Kolonkarzinom (chemisch-herbeigeführtem Dickdarmkrebs) zeigten einheitlich, dass das mit der Nahrung aufgenommene Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) und rotes Fleisch Läsionen (Gewebeschädigungen) im Darm als Vorstufe eines Karzinoms (Tumors) begünstigen. Der Mechanismus ist noch unbekannt, jedoch hat Häm-Eisen einen katalytischen (beschleunigenden) Effekt auf die endogene (körpereigene) Bildung kanzerogener (krebsfördernder) Nitrosoverbindungen sowie auf die Bildung zytotoxischer (zellschädigender) und genotoxischer (erbgutschädigender) Aldehyde mittels Lipidperoxidation (Umwandlung von Fettsäuren, wobei freie Radikale entstehen) [4].
      • Weitere Studien beschreiben tierisches Protein als unabhängigen Risikofaktor für das Kolonkarzinom. Bei proteinreicher Kost treten vermehrt Proteine, Peptide und Harnstoff ins Kolon über. Als Endprodukt des bakteriellen Metabolismus entstehen Ammoniumionen, die zytotoxisch wirken [5].
    • Geräucherte und gepökelte sowie nitrat- und nitritreiche Lebensmittel
      • Benzpyren entsteht beim Toasten und Holzkohlegrillen. Es gilt als Risikofaktor für Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.
        Es kommt in allen gegrillten, geräucherten oder angebrannten Lebensmitteln vor.
        Auch Zigarettenrauch enthält Benzpyren, das wiederum zu Lungenkrebs führen kann.
      • Nitrat ist eine potenziell toxische Verbindung: Nitrat wird im Körper durch Bakterien (Speichel/Magen) zu Nitrit reduziert. Nitrit ist ein reaktives Oxidans, das bevorzugt mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin reagiert und diesen in Methämoglobin umwandelt. Des Weiteren bilden Nitrite (unter anderem auch enthalten in gepökelten Wurst- und Fleischwaren sowie gereiftem Käse) mit sekundären Aminen (enthalten in Fleisch- und Wursterzeugnissen, Käse und Fisch) Nitrosamine, die genotoxisch und mutagen wirken. Sie begünstigen die Entstehung von Speiseröhren-, Magen-,  Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs.
      • Die tägliche Aufnahme von Nitrat erfolgt in der Regel zu circa 70 % durch den Verzehr von Gemüse (Feld- und Kopfsalat, Grün-, Weiß- und Chinakohl, Kohlrabi, Spinat, Radieschen, Rettich, Rote Bete), 20 % aus Trinkwasser (Stickstoffdünger) und 10 % aus Fleisch und Fleischwaren sowie Fisch. 
    • Meiden von Lebensmitteln mit:
      • Acrylamid – wird metabolisch zu Glycidamid aktiviert, einem genotoxischen Metaboliten; es wurde ein Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber Acrylamid und dem Risiko für einen östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs nachgewiesen [1].
        Acrylamid entsteht bei der Überhitzung von Stärke, also beim Backen, Braten, Rösten, Grillen und Frittieren. Wenn kartoffel- und getreidehaltige Lebensmittel trocken über 180 °C erhitzt werden, wird besonders viel Acrylamid gebildet. Knäckebrot, Pommes Frites, Kartoffelchips, aber auch Kaffee, enthalten hohe Mengen an Acrylamid.
      • Aflatoxine werden von Schimmelpilzen gebildet und begünstigen die Entstehung von Lebertumoren, Speiseröhrenkrebs (Ösophaguskarzinom) und Magenkrebs (Magenkarzinom).
        Aflatoxine kommen in allen verschimmelten Lebensmitteln vor, z. B. in verschimmeltem Getreide, Brot und Obst. Betroffen ist vor allem die Maisproduktion in den USA oder in tropischen Ländern. Besonders hoch ist der Aflatoxingehalt häufig in Erdnüssen, aber auch in Hasel- und Paranüssen sowie Pistazien und Mandeln. Auch immer wieder mit Aflatoxinen belastet sind getrocknete Früchte, vor allem Feigen und zahlreiche Gewürze wie Chili, Paprika, Pfeffer, Muskatnuss, Ingwer oder Gelbwurz.  
    • Verzehr von Rindfleisch oder Milchprodukten?/BMMF (Bovine Meat and Milk Factors) [11]
    • Eine negative Korrelation existiert zwischen Obst-/Gemüseverzehr und Lungen-, Brust-, Mundhöhlen-, Dickdarm-, Prostata-, Gebärmutterhals und Blasenkrebs.
    • Geringe Zufuhr von Ballaststoffen: Ballaststoffe schützen vor Dickdarm- und Mastdarmkrebs.
    • Hoher Salzkonsum [10]
    • Glykämische Last (GL; diese bezieht nicht nur die Art der Kohlenhydrate mit ein, sondern auch die Menge an Kohlenhydraten pro Portion eines Lebensmittels)  wahrscheinlich erhöhtes Risiko für das Endometriumkarzinom
    • Verzehr von hoch verarbeiteten Nahrungsmitteln („Ultra-processed Foods“, UPF): Lebensmittel, die mit viel Salz, Fett und Zucker/Süßstoffen geschmacklich optimiert sind: Mit jedem Anteil der UPF an der Nahrung um 10 %-Punkte stieg das Gesamtrisiko einer Krebserkrankung um 2 % und das Risiko eines Ovarialkarzinoms um 19 % [15].
    • Auslassen des Frühstücks: Personen, die täglich frühstücken, hatten gegenüber diejenigen, die morgens nur selten oder gar nichts zu sich nahmen, ein 2,35- bzw. 2,06-fach erhöhtes Risiko für gastrointestinale Tumoren (Magen-Darm Tumoren) [16].
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frauen mehr als 10 g pro Tag; Männer mehr als 20 g pro Tag) – fördert die Entwicklung von Lungen-, Brust-, Mundhöhlen-, Speiseröhren-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs (hier exzessiver Konsum) sowie Mast- und Dickdarmkrebs.
    • Tabak (Rauchen inkl. Passivrauchen)
      • Erhöht das Risiko für einen Lungenkrebs; Tabakkonsum (exklusive Passivrauchen) – erhöht das Risiko für Lungen-, Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhre-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen-, Nieren- und Blasenkrebs (wg. aromatischer Amine im Tabakrauch) sowie für Dickdarm- und Mastdarmkrebs.
      • Kautabak – Erhöht das Risiko für orale Karzinome (Mundhöhlenkrebs) und Karzinome des Pharynx (Rachenkrebs).
      • Kautabak (z. B.  Pakistan und Afghanistan "Naswar") – 20-faches Risiko für Mundhöhlenkarzinome [8]
      • E-Zigaretten und Tabakerhitzer – Enthalten krebserregende Stoffe wie Formaldehyd und Acrolein, deren Langzeitwirkung auf das Krebsrisiko jedoch bis jetzt nicht vollständig untersucht ist.
  • Körperliche Aktivität
    • Geringe körperliche Aktivität [10]
    • Langes Sitzen – wer die meiste Zeit im Sitzen verbringt, hat ein um 50 % erhöhtes Risiko, an Krebs zu sterben [14].
    • Übermäßige sportliche Belastung – Kann bei schlecht dosierten oder extremen Trainingsprogrammen zu oxidativem Stress führen, der DNA-Schäden begünstigt.
    • Fehlende muskuläre Stärkung – Eine zu einseitige Belastung, ohne die Muskulatur ausreichend zu stärken, erhöht das Risiko für muskuloskelettale Schwächen, die langfristig zu entzündlichen Prozessen führen können, welche Tumorentstehung begünstigen.
  • Psycho-soziale Situation
    • Hoher Arbeitsstress: + 24 % Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), + 36 % Kolorektalkarzinom (Karzinome des Kolons (Dickdarm) und des Rektums (Mastdarm)),  + 112 % Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs) [12]
    • Nachtdienst (Krebsrisiko: + 19 Prozent) [9]
    • Wochenarbeitszeit > 52 Stunden [7]
    • Chronische Angststörungen – Langfristige Stressbelastung kann über neuroendokrine Mechanismen zur Schwächung der Immunabwehr und einer gesteigerten Entzündungsneigung führen, was das Krebsrisiko erhöht.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – ein erhöhtes Körpergewicht und die Energiezufuhr sind Risikofaktoren für Brust-, Dickdarm-, Prostata-, Gebärmutterschleimhaut-, Gebärmutterhals-, Nieren- und Schilddrüsenkrebs [2].
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; engl.: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor – tumorfördernde Effekte sind unter anderem bedingt durch Leptin und Insulin
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: < 102 cm bei Männern und < 88 cm bei Frauen.

Literatur

  1. Olesen PT, Olsen A, Frandsen H, Frederiksen K, Overvad K, Tjønneland A. Acrylamide exposure and incidence of breast cancer among postmenopausal women in the Danish Diet, Cancer and Health Study. Int J Cancer. 2008 May 1;122(9):2094-100.
  2. Andrew G Renehan, Margaret Tyson, Matthias Egger, Richard F Heller, Marcel Zwahlen: Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. The Lancet, Volume 371, Issue 9612, Pages 569-578, 16 February 2008
  3. Norat T, Bingham S, Ferrari P et al.: Meat, Fish, and Colorectal Cancer Risk: The European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Journal of the National Cancer Institute, 97(12):906-916, 2005
  4. Bastide NM, Pierre FH, Corpet DE: Heme iron from meat and risk of colorectal cancer: a meta-analysis and a review of the mechanisms involved. Cancer Prev Res (Phila). 2011 Feb;4(2):177-84. Epub 2011 Jan 5.
  5. Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin HB: Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004
  6. Bouvard V, Loomis D, Guyton KZ, Grosse Y, El Ghissassi F, Benbrahim-Tallaa L, Guha N, Mattock H, Straif K, International Agency for Research on Cancer Monograph Working Group: Carcinogenicity of consumption of red and processed meat. Lancet Oncology (2015; doi: 10.1016/S1470-2045(15)00444-1 
  7. Conway SH et al.: The Identification of a Long Work Hours Threshold for Predicting Elevated Risks of Adverse Health Outcomes. Am J Epidemiol 2017; online 28. April. doi: 10.1093/aje/kwx003
  8. Khan Z et al.: Oral cancer via the bargain bin: The risk of oral cancer associated with a smokeless tobacco product (Naswar). PLoS ONE 12(7): e0180445 Published: July 10, 2017 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0180445
  9. Yuan X et al.: Night Shift Work Increases the Risks of Multiple Primary Cancers in Women: A Systematic Review and Meta-analysis of 61 Articles. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev; 27(1); 25-40. doi: 10.1158/1055-9965.EPI-17-0221
  10. Behrens G et al.: Krebs durch Übergewicht, geringe körperliche Aktivität und ungesunde Ernährung. Dtsch Arztebl Int 2018;115;578-85.-doi:10.3238/arztebl.2018.0578
  11. zur Hausen H et al.: Specific Nutritional Infections Early in Life as Risk Factors for Human Colon and Breast Cancers Several Decades Later. IJC First published: 24 September 2018 https://doi.org/10.1002/ijc.31882
  12. Yang T et al.: Work stress and the risk of cancer: A meta-analysis of observational studies. Int J Cancer 2018 https://doi.org/10.1002/ijc.31955
  13. Bouvard VR, Loomis D, Guyton KZ et al.: Carcinogenicity of consumption of red and processed meat. Lancet Oncol 2015;16(16):1599-1600. https://​doi.​org/​10.​1016/​S1470-2045(15)00444-1
  14. Gilchrist S et al.: Association of Sedentary Behavior With Cancer Mortality in Middle-aged and Older US Adults. JAMA Oncol 2020; https://doi.org/10.1001/jamaoncol.2020.2045
  15. Chang K et al.: Ultra-processed food consumption, cancer risk and cancer mortality: a large-scale prospective analysis within the UK Biobank eClinicalMedicine January 31, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2023.101840
  16. Liu T et al.: Habitually skipping breakfast is associated with the risk of gastrointestinal cancers: evidence from the Kailuan cohort study. J Gen Intern Med. 2023;38(11):2527-36 doi: 10.1007/s11606-023-08094-7