Krebserkrankungen – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik einer Tumorerkrankung (Krebserkrankungen) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Tumorerkrankungen?
- Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
Soziale Anamnese
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen ausgesetzt?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Haben Sie ungewollt an Gewicht verloren?
- Fühlen Sie sich müde bzw. schlapp?
- Haben Sie einen Leistungsabfall festgestellt?
- Haben Sie ein Schwindelgefühl bzw. Herzrasen festgestellt?
- Haben Sie neu aufgetretene Sehstörungen?*
- Haben Sie neu auftretende Kopfschmerzen?
- Haben Sie neu auftretende Krampfanfälle festgestellt?
- Haben Sie neurologische Störungen wie Lähmungserscheinungen, Sprach- und Koordinationsstörungen oder neu auftretende Ungeschicklichkeiten?*
- Haben Sie Persönlichkeitsveränderungen festgestellt? (diese Frage kann am ehesten ein Familienangehöriger beantworten)
- Haben Sie lang anhaltende, chronische Schmerzen unklarer Herkunft?
- Haben Sie Fieber? Haben Sie Nachtschweiß?
- Haben Sie Atemnot?*
- Haben Sie eine Vergrößerung von Lymphknoten in den Achselhöhlen, den Leisten oder am Hals?
- Haben Sie Veränderungen des Kropfes festgestellt?
- Leiden Sie unter Appetitlosigkeit? Haben Sie Abneigung gegen Fleisch?
- Haben Sie Schluckbeschwerden?
- Haben Sie Symptome wie Reizhusten oder Fieber bemerkt?
- Haben Sie schon einmal Blut gehustet?*
- Sind Ihnen anhaltende Heiserkeit oder Schluckbeschwerden aufgefallen?
- Sind Ihnen Veränderungen im Stuhl wie Blutauflagerungen aufgefallen?
- Haben sich Ihre Stuhlgewohnheiten verändert?
- Haben Sie vermehrt Darmkrämpfe oder Bauchschmerzen?
- Haben Sie ungewöhnliche und anhaltende Veränderungen der Verdauungsgewohnheiten feststellen können?
- Sodbrennen
- anhaltendes Druck- oder Völlegefühl
- Bauchschmerzen
- Blähungen
- anhaltendes Aufstoßen oder Erbrechen
- Haben Sie ungewöhnliche Ausscheidungen aus Nase, Mund, Darm oder Harnröhre festgestellt?
- Hat sich die Hautfarbe bzw. die Größe eines Muttermals verändert?
- Sind Ihnen sonstige Veränderungen der Haut aufgefallen wie: Leberflecken und Warzen hinsichtlich ihrer Größe, Form und Farbe, auch Gelbsucht, fleckig gerötete Handinnenflächen oder Lebersternchen (spinnenartig erweiterte Äderchen in der Haut)
- Haben Sie ein nicht oder schlecht heilende Wunde?
- Haben Sie tastbare Schwellungen, Verhärtungen oder Knoten auf der Haut, Schleimhaut oder in Weichteilen festgestellt – oft ohne Schmerzempfindung?
- Haben Sie neuerdings anhaltenden Juckreiz?
- Haben Sie Störungen der Harnentleerung bzw. Schmerzen beim Wasserlassen?
- Haben Sie Blut im Urin festgestellt?
Frau
- Mit wie viel Jahren hatten Sie Ihre Menarche (erste Regelblutung)?
- Mit wie viel Jahren hatten Sie Ihre Menopause (letzte Regelblutung)?
- Haben Sie Kinder geboren? Wenn ja, wie alt waren Sie zum Zeitpunkt der ersten Geburt?
- Haben Sie in der letzten Zeit Veränderungen wie einen Knoten/Verhärtungen an der Brust bemerkt?
- Hatten Sie Ausfluss aus der Mamille (Brustwarze)?
- Haben Sie Unregelmäßigkeiten Ihrer Regelblutung (Häufigkeit; Zwischenblutungen) festgestellt?
- Haben Sie eine Blutung nach den Wechseljahren?
- Haben Sie bräunlichen/blutigen Ausfluss aus der Scheide?
- Haben Sie Blutungen nach dem Geschlechtsverkehr festgestellt?
Mann
- Haben Sie einen schwachen oder unterbrochenen Harnfluss?
- Haben Sie Schwierigkeiten zu Beginn des Wasserlassens?
- Haben Sie eine Verhärtung oder Vergrößerung eines Hodens festgestellt?
- Haben Sie Blut in der Samenflüssigkeit?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Sind Sie übergewichtig? Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Essen Sie fleisch- und fettreich?
- Essen Sie geräucherte bzw. gepökelte Nahrungsmittel?
- Wie häufig essen Sie Obst und Gemüse pro Tag?
- Ernähren Sie sich ballaststoffreich?
- Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser davon pro Tag?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
- Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
- Lieben Sie "Sonnenbaden"? Haben Sie als Kind häufiger Sonnenbrände "erlitten"?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen (Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – bedingt ein erhöhtes Risiko für Leberzellkarzinome [4])
- Operationen
- Allergien
Medikamentenanamnese
- Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erhöhen orale Kontrazeptiva ("Antibabypille") das Risiko an einem Mammakarzinom zu erkranken – noch nicht vollständig wissenschaftlich erforscht – nur um den Faktor 1,2 bis 1,5 bei einer Einnahme von mehr als fünf Jahren [2]
- Östrogentherapie – z. B. Hormonersatztherapie über mehr als fünf Jahre erhöht das Mammakarzinomrisiko (Brustkrebsrisiko)
- Testosterontherapie – Promotor eines Prostatakarzinoms/Prostatakrebs (siehe Kanzerogenese/Krebsentstehung)
- "Eisenüberladung" – Nicht gebundenes, freies Eisen wirkt zytotoxisch [1]. Eisen wird auch als Prooxidans im Zusammenhang mit der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen – wie beispielsweise Erkrankungen der Koronargefäße (Herzkranzgefäße) mit der Folge eines Myokardinfarktes (Herzinfarkt) – und neurodegenerativer Erkrankungen – beispielsweise Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson – und als Promotor von Tumorerkrankungen diskutiert.
Als zugrunde liegender Mechanismus wird vermutet, dass Eisen über seine katalytische Schlüsselfunktion bei der Bildung zytotoxischer Sauerstoff- und Hydroxylradikale oxidativen Stress begünstigt, zum Beispiel im Verlauf von Fenton- und Haber-Weiss-Reaktionen [2, 3].
Personen, die beispielsweise an einer Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) erkrankt sind, weisen ein erhöhtes Risiko für Leberzellkarzinome (Leberzellkrebs) auf [4]. Zudem zeigte sich in einer Studie aus den USA, dass ein erhöhter Serum-Eisenspiegel mit einem erhöhten Risiko für Tumorerkrankungen verbunden ist [5]. - Einige Zytostatika (Arzneimittel, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen) erhöhen das Risiko eines Zweittumors
Strahlenbelastung
- Exposition gegenüber ionisierender Strahlung
- UV-Strahlung – aktinische Keratose (Krebsvorstufe; Risikofaktor für ein Plattenepithelkarzinom), Plattenepithelkarzinom der Haut, Basalzellkarzinom (BZK; Basaliom; 10 mal häufiger als das maligne Melanom), malignes Melanom
- Röntgen- oder Gammastrahlung – Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) (Radon!), Mammakarzinom (Brustkrebs), Leukämie (Blutkrebs), Schilddrüsenkarzinom (Schilddrüsenkrebs)
- Auftreten maligner Weichgewebetumoren (Sarkome) nach vorangegangener Radiatio (Strahlentherapie)
Umweltbelastung inklusive Belastungen am Arbeitsplatz
- Karzinogene wie:
- Asbest – Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), Pleuramesotheliom (ein von den Mesothelzellen (Zölomepithel) ausgehender maligner (bösartiger) Tumor der Pleura, d. h. des Brustfells), Peritonealmesotheliom (ein von den Mesothelzellen (Zölomepithel) ausgehender maligner (bösartiger) Tumor des Peritoneums, d. h. des Bauchfells)
- Arsen – (Haut, Leber, Lunge) – Latenzzeit 15-20 Jahre
- Benzol – Leukämie
- Benzo(a)pyren – findet sich in Abgasen, Rauch und Teer. Es gilt als Risikofaktor für ein Magenkarzinom.
Auch Zigarettenrauch enthält Benzpyren, das wiederum zu Bronchialkarzinomen (Lungenkrebs) führen kann. - Cadmium – Prostatakarzinom
- Chrom (VI)-Verbindungen – Lebertumoren, nicht näher bezeichnet
- Nickel – Bronchialkarzinom sowie Tumoren der inneren Nase und der Nebenhöhlen
- polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK; Benzo(a)pyren, Benzanthracen, Methylcholanthren)
- Inhalation von Kohlestaub (Bergleute) – Bronchialkarzinom
- Kontakt mit
- in Ruß enthaltenem Benzo(a)pyren (1,2-Benzpyren) (Schornsteinfeger) – Hodenkarzinom
- Braunkohleteeren (Braunkohlearbeiter) – Hauttumore
- Fuchsin – Harnblasenkarzinom
- halogenierten Ethern („Haloethern“), insbesondere Dichlordimethylether – Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
- Holzstaub – Tumoren der inneren Nase und der Nebenhöhlen
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Literatur
- Forth W, Rummel W: Eisen. Pharmakotherapie des Eisenmangels. In: Forth W, Henschler D, Rummel W (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 5. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage,1987. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim
- Nelson RL: Iron and colorectal cancer risk: human studies. Nutr Rev. 2001 May;59(5):140-8.
- Schröder H: Störungen des Eisenstoffwechsels und Eisenpräparate zur Substitution. Pharmazeutische Zeitung 139: 9-13.1994
- Braunwald, Fauci, Kasper, Hauser, Longo, Jameson. Harrisons Innere Medizin 2, 15. Auflage. Dietel M, Dudenhausen J, Suttorp N (Hrsg)., Kap. 345, Seiten 2459-2462, ABW Wissenschaftsverlag, Berlin (2003)
- Wu T, Sempos CT, Freudenheim JL, Muti P, Smit E: Serum iron, copper and zinc concentrations and risk of cancer mortality in US adults. Ann Epidemiol. 2004 Mar;14(3):195-201.