Hodengeschwülste (Hodenmalignome) – Einleitung

Bei Hodenmalignomen handelt es sich um eine maligne Neoplasie (bösartige Neubildung) im Bereich des Hodens. Bei 95 % der Männer treten die Tumoren im Hoden auf und nur bei 5 % extragonadal (außerhalb des Hodens). Bei ca. 1-2 % der erkrankten Männer sind beide Hoden betroffen.

Synonyme und ICD-10: anaplastisches Seminom; bösartiger Leydigzell-Tumor beim Mann; bösartiges Androblastom beim Mann; bösartiges Arrhenoblastom beim Mann; Chorionkarzinom beim Mann; Dottersacktumor beim Mann; Dysgerminom beim Mann; Embryom eines deszendierten Hodens; Embryom eines nichtdeszendierten Hodens; Embryonalzellkarzinom; Epithelioma seminifere; Epithelioma spermatogonique Masson; Hodenchorionepitheliom; Hodenembryom; Hodengerminom; Hodenkarzinom; Hodenkarzinom bei Kryptorchismus; Hodenmesotheliom; Hodenseminom; Hodenteratokarzinom; Hodenteratom; Keimzelltumor; maligner Hodentumor; metastasierender Hodentumor; Orchioblastom; polyvesikulärer Dottersacktumor beim Mann; polyvesikulärer Vitellustumor beim Mann; Seminom; Sertoli-Zell-Karzinom; Sertoli-Zell-Karzinom beim Mann; spermatozytäres Seminom; Spermatozytom; Teratokarzinom; Teratom; Teratom eines maldeszendierten Hodens; Teratom eines skrotalen Hodens; Testiskarzinom; ICD-10-GM C62.-: Bösartige Neubildung des Hodens

Charakteristische Laborbefunde

Hodenmalignome, insbesondere Keimzelltumoren, zeigen spezifische Laborbefunde, die für Diagnose, Prognose und Therapiekontrolle entscheidend sind:

  • Erhöhte Tumormarker
    • Alpha-Fetoprotein (AFP): Typisch erhöht bei nichtseminomatösen Keimzelltumoren wie Dottersacktumoren und embryonalen Karzinomen. Bei reinen Seminomen bleibt AFP normalerweise im Normbereich.
    • Beta-hCG (Humanes Choriongonadotropin): Kann bei sowohl Seminomen als auch nichtseminomatösen Tumoren erhöht sein, insbesondere bei Chorionkarzinomen und Teratokarzinomen.
    • LDH (Laktatdehydrogenase): Unspezifischer Marker, der bei einer Vielzahl von Malignomen, einschließlich fortgeschrittener Keimzelltumoren, erhöht sein kann. Ein Anstieg kann auf Tumorlast und Zellzerfall hinweisen.
  • Erhöhte Östradiolwerte
    • In einigen Fällen, insbesondere bei hormonproduzierenden Tumoren (z. B. Leydig-Zelltumoren), können erhöhte Östradiolspiegel auftreten, was zu feminisierenden Symptomen führen kann.
  • Erhöhtes Testosteron
    • Bei hormonproduzierenden Tumoren kann der Testosteronspiegel erhöht sein, was zu virilisierenden Symptomen führt.
  • Anämie (Blutarmut) und Leukozytose (erhöhte Zahl weißer Blutkörperchen)
    • Bei fortgeschrittenen Tumoren können unspezifische Veränderungen im Blutbild auftreten, wie eine Anämie oder eine reaktive Leukozytose.
  • Alkalische Phosphatase (AP)
    • Kann bei Knochenmetastasen (Tochtergeschwülste im Knochen) erhöht sein, was auf eine fortgeschrittene Erkrankung hindeutet.
  • Erhöhte GGT (Gamma-Glutamyltransferase)
    • Kann bei Lebermetastasen (Tochtergeschwülste in der Leber) erhöht sein, was auf eine systemische Ausbreitung des Tumors hinweist.

Diese Laborbefunde unterstützen die Diagnose und das Monitoring von Hodenmalignomen und sind entscheidend für die Planung der weiteren Therapie.

Formen der Hodenmalignome 

  • Keimzelltumoren (KZT): machen etwa 85-90 % der Hodentumoren aus; bei Männern zwischen 20 und 44 Jahren ist ein KZT mit einem Anteil von etwa 25 % die häufigste bösartige Tumorerkrankung; KZT können unterteilt werden in:
    • Seminome (häufiger als Nichtseminome)
    • Einheitliche nicht-seminomatöse Keimzelltumoren
    • Kombinierte nicht-seminomatöse Keimzelltumoren
    • Kombinierte Tumoren
  • Tumoren des Gonadenstromas: wie die Leydig- oder Sertoli-Zell-Tumoren
  • Keimzell-Stroma-Mischtumoren
  • Maligne Lymphome: bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel:

  • Seminome: 35-45 Jahre
  • Nicht-Seminome: 20-30 Jahre

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): etwa 1-2 % der bösartigen Tumoren bei Männern

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): ca. 11,9 pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland, mit signifikanten nationalen Unterschieden.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Hodenmalignome haben im Regelfall sehr hohe Heilungschancen, insbesondere bei Früherkennung.
  • Bis zu 80 % der Seminome befinden sich im klinischen Stadium I, nur etwa 3 % im Stadium III.
  • In der weltweit größten Studie über Patienten mit Seminomen im Stadium I wurde festgestellt, dass die Überwachung eine sichere Alternative zu adjuvanten Therapien darstellt. Die Tumorgröße war ein wesentlicher Faktor für einen Rückfall, zusammen mit einer Invasion der Nebenhoden oder einer Gefäßinvasion [1].

Prognose

  • Aktive Überwachung bei CSI-Hodenkrebs (im Stadium I) führt zu hervorragenden Ergebnissen. Die überwiegende Mehrheit der Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung) tritt innerhalb von 2 Jahren nach der Orchiektomie (operativen Hodenentfernung) bei CSI-Nicht-Seminomen und innerhalb von 3 Jahren bei CSI-Seminomen auf. Spätrezidive und Rezidive im fortgeschrittenen Stadium werden selten beobachtet [2]. 
  • Heilungsraten in den niedrigen Stadien erreichen bis zu 100 %.
  • Spätrezidive (Wiederauftreten der Erkrankung mehr als zwei Jahre nach Beginn) können schwere Verläufe nehmen.
  • Die Prognose hängt von der Histologie, dem Tumorstadium, dem Alter des Patienten und der Qualität der Versorgung ab.
  • Die Letalität beträgt etwa 4 %.
  • Langzeitremissionsrate für Hodentumoren im klinischen Stadium I liegt bei nahezu 100 %.
  • 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit:
    • Seminome: 97,9 %
    • Nichtseminomatöse KZT: 94,9 %
  • 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit für KZT im Stadium I:
    • Krebsspezifisch: 99,7 %
    • Gesamt: 95-99 %
  • Metastasierte KZT:
    • Gute Prognosegruppe: 86-95 %
    • Intermediäre Prognosegruppe: 72-85 %
    • Schlechte Prognosegruppe: 48-64 %

Literatur

  1. Mortensen MS et al.: A nationwide cohort study of stage I seminoma patients followed on a surveillance program. Eur Urol 2014 Dec;66(6):1172-8. doi: 10.1016/j.eururo.2014.07.001. Epub 2014 Jul 23.
  2. Kollmannsberger C et al.: Patterns of relapse in patients with clinical stage I testicular cancer managed with active surveillance. J Clin Oncol 2015 Jan 1;33(1):51-7. doi: 10.1200/JCO.2014.56.2116. Epub 2014 Aug 18.

Leitlinien

  1. Oldenburg J, Fosså SD, Nuver J, Heidenreich A, Schmoll HJ, Bokemeyer C, Horwich A, Beyer J, Kataja V; ESMO Guidelines Working Group: Testicular seminoma and non-seminoma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2013 Oct; 24 Suppl 6:v i125-32 doi: 10.1093/annonc/mdt304
  2. Albers P, Albrecht W, Algaba F et al.: Guidelines on Testicular Cancer: 2015 Update. Euro Urol. 2015;68:1054-68
  3. Lorch A, Albers P,  Beyer J,  Cathomas R,  Oing C,  Souchon R,  Stöger H,  Bokemeyer C: Keimzelltumoren des Mannes. onkopedia leitlinien: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Blut- und Krebserkrankungen; September 2016
  4. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens. (AWMF-Registernummer: 043 - 049OL), Mai 2019 Kurzfassung Langfassung
  5. Patientenleitlinie: Hodenkrebs; Ratgeber für Patientinnen und Patienten. Juli 2021. Leitlinienprogramm Onkologie