Hirntumoren – Einleitung

Als Hirntumoren werden Tumoren des neuroektodermalen Gewebes des zentralen Nervensystems bezeichnet.

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM C71.-: Bösartige Neubildung des Gehirns

Formen der Hirntumoren

Neuroepitheliale Tumoren (Gliome) – circa 50 % der Fälle

  • Astrozytome: Von den Astrozyten ausgehende Neubildung; 25 % der primären Hirntumoren, bei Kindern 50 %
  • Ependymome: Setzen sich vorwiegend aus neoplastischen Ependymzellen zusammen
  • Ganglioblastome: Von der Neuroepithelzelle ausgehende Neubildung; ca. 50 % aller Hirntumoren im Erwachsenenalter
  • Gangliozytome: Von Ganglienzellen und Schwann-Zellen ausgehende Neubildung
  • Glioblastome (Astrozytom Grad III-IV): 15 % aller primären Tumoren
  • Oligodendrogliome: Von Oligodendrozyten ausgehende Neubildung; 10 % der primären Hirntumoren
  • Medulloblastome: Von neuroektodermalen oder neuroepithelialen Zellen ausgehende Neubildung; 5 % der primären Hirntumoren (20 % bei Kindern)
  • Neurinome (Schwannom): Gutartiger und meist langsam wachsender Tumor des peripheren Nervensystems, der von den Schwann-Zellen ausgeht
  • Plexustumoren: Von Venengeflechten ausgehende Neubildung
  • Pinealome: Von der Zirbeldrüse ausgehend
  • Spongioblastome (pilozytisches Astrozytom)

Mesodermale Tumoren – circa 20 % der Fälle

  • Angioblastome: Werden in der Untergruppe der "Tumoren der unsicherer Histogenese" geführt
  • Meningeome: Häufigste Neubildung
  • Sarkome: Von mesenchymalem Gewebe ausgehende Neubildung

Ektodermale Tumoren – circa 10 % der Fälle

  • Hypophysenadenome: Benigne Tumoren aus den parenchymatischen Zellen des Hypophysenvorderlappens; 10-15 % aller Hirntumoren
  • Kraniopharyngeome: Vom Plattenepithel ausgehende Neubildung; treten vorwiegend bei Kindern/Jugendlichen sowie zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr auf

Keimzelltumoren – circa 2-3 % der Fälle

  • Dermoide: Seltene, benigne, langsam wachsende Neubildung, die verschiedene Gewebe beinhalten können
  • Epidermoide: Embryonal angelegte Tumoren des ZNS; wichtige Tumoren bei Raumforderungen im Kleinhirnbrückenwinkel
  • Germinome: Keimzelltumor des Zentralnervensystems
  • Hamartome: Tumor, der von einer Gewebsfehlentwicklung ausgeht
  • Teratome: Angeborene, oft organähnliche Mischgeschwulst, die sich aus primitiven, pluripotenten Stammzellen entwickelt

Hirnmetastasen (Metastasen/Tochtergeschwülste, symptomatische) – bis zu 20 % der Fälle

  • Treten bei ca. 15-30 % aller Patienten mit systemischer Tumorerkrankung auf: hauptsächlich bei Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), Mammakarzinom (Brustkrebs), Nierenzellkarzinom (Nierenkrebs), malignem Melanom, Lymphomen (bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems), Prostatakarzinom, Magen-Darm-Neubildungen, Schilddrüsenkarzinom

Epidemiologie

  • Geschlechterverhältnis
    • Primäre Hirntumoren: Männer zu Frauen 6:4
    • Männer sind häufiger betroffen von Astrozytom, Glioblastom, Medulloblastom, Neurinom
    • Pinealom: Männer zu Frauen 12:1
  • Häufigkeitsgipfel
    • Zwischen 40. und 60. (70.) Lebensjahr
    • Kinder: Zweithäufigste maligne Neubildung bei Kindern
    • Oligodendrogliom: Häufig bei Kindern zwischen 3 und 10 Jahren
    • Pinealom: Vorwiegend zwischen 10 und 30 Jahren
    • Ependymome: Häufig bei Kindern zwischen 8 und 15 Jahren
  • Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
    • Ca. 10 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr
    • Glioblastom: 3.000-5.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland
    • Neurinom: Ca. 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner pro Jahr
    • Kraniopharyngeom: 0,5-2 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Abhängig von der histologischen Graduierung und der Lokalisation des Tumors
  • Mehr als 50 % der Kinder, die Tumoren des ZNS überleben, führen im Erwachsenenalter kein unabhängiges Leben [2]

Prognose

  • 5-Jahres-Überlebensrate
    • Astrozytom: 10-60 % (je nach Grad)
    • Glioblastom: Maximal 3 %; mit Therapie ca. 1 Jahr, ohne Therapie 4-5 Monate
    • Maligne Oligodendrogliome: 35-60 %
    • Medulloblastome: 50-60 %
    • Pinealom: Mittlere Überlebenszeit 4 Jahre
    • Neurinom: Mortalität (Sterberate) maximal 2 %
    • Ependymom: 20-60 %
  • Zerebrale Metastasen (Tochtergeschwülste im Gehirn)
    • Mammakarzinom oder kleinzelliges Nierenkarzinom: Überlebenszeiten ≥ 24 Monate [1]
    • Malignes Melanom: Ungünstigste Prognose

Literatur

  1. Lin X, DeAngelis LM: Treatment of Brain Metastases. J Clin Oncol 2015; 33: 3475-84
  2. Brinkman TM et al.: Attainment of Functional and Social Independence in Adult Survivors of Pediatric CNS Tumors: A Report From the St Jude Lifetime Cohort Study. Journal of Clinical Oncology 2018 Aug 9:JCO2018779454. doi: 10.1200/JCO.2018.77.9454

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Hirnmetastasen und Meningeosis neoplastica. (AWMF-Registernummer: 030 - 060), März 2014 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Primäre ZNS-Lymphome (PZNSL). (AWMF-Registernummer: 030 - 059), Juli 2014 Langfassung
  3. S1-Leitlinie: ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter: Leitsymptome und Diagnostik. (AWMF-Registernummer: 025 - 022), September 2016 Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Gliome. (AWMF-Registernummer: 030 - 099), Februar 2021 Langfassung