Gliome – Strahlentherapie

Die vollständige chirurgische Entfernung eines Glioms ist oft nicht möglich, da mikroskopische Tumorreste (nicht sichtbare Tumorzellen) verbleiben können oder die Tumorlokalisation eine operative Entfernung ausschließt. In solchen Fällen stellt die Strahlentherapie (Bestrahlungsbehandlung) eine essenzielle Behandlungsoption dar.

Ziele der Strahlentherapie 

  • Hemmung des Resttumorgewebes am weiteren Wachstum
  • Behandlung von Tumoren, die aufgrund ihrer Lage nicht operativ entfernt werden können

Basierend auf den Bestrahlungsfeldern (Zielvolumina) werden drei grundlegende Konzepte unterschieden:

  1. Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion – zur Erfassung möglicher mikroskopischer Tumorreste
  2. Strahlentherapie des gesamten Gehirns – inklusive Hirnhäute (Meningen, schützende Gewebeschichten des Gehirns)
  3. Strahlentherapie des gesamten Liquorraums – auch als kraniospinale Strahlentherapie (CSI) bekannt

Bestrahlungskonzepte

1. Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion

Diese Form der Strahlenbehandlung dient der gezielten Therapie des Tumorbettes und angrenzender Risikostrukturen. Indikationen umfassen:

  • Ependymome (Tumoren der Hirn- und Rückenmarkswände) ohne Liquoranschluss
  • Niedrig- und hochmaligne Gliome (Hirntumoren)
  • Optikusgliome
  • Kraniopharyngeome
  • Supratentorielle Tumoren

2. Strahlentherapie (Bestrahlungsbehandlung) des gesamten Gehirns 

Diese Behandlung wird vor allem in folgenden Fällen eingesetzt:

  • Hirnmetastasen (Tochtergeschwülste im Gehirn)
  • Prophylaktische Therapie bei malignen Systemerkrankungen, insbesondere lymphoblastische Leukämien (Blutkrebs)

3. Strahlentherapie des gesamten Liquorraumes (Hirnwasserraum, auch Neuroachse oder kraniospinale Achse genannt), CSI)

Diese Therapieform ist notwendig, wenn das Risiko einer liquorgängigen Tumorausbreitung besteht. Indikationen beinhalten:

  • Infratentorielle Tumoren
    • Ependymome (Tumoren der Hirn- und Rückenmarkswände)
    • Medulloblastome (bösartige Hirntumoren im Kleinhirn)
  • Supratentorielle Tumoren mit Anschluss an das Liquorsystem
    • Ependymome (Tumoren der Hirn- und Rückenmarkswände)
    • Pinealistumoren (Tumoren der Zirbeldrüse) (Keimzelltumoren, Pinealoblastome)
    • PNET (primitive neuroektodermale Tumoren, aggressive Hirntumoren bei Kindern) (Primitive neuroektodermale Tumoren)

Bestrahlungsverfahren

Stereotaktische Konformationsbestrahlung (präzise, auf den Tumor angepasste Bestrahlung)

Diese Methode ermöglicht eine dreidimensionale Anpassung der Strahlendosis an die Tumorform, wodurch gesundes Hirngewebe maximal geschont wird.

Stereotaktische Einzeitbestrahlung

Hierbei wird eine hohe Strahlendosis in einer einzigen Sitzung appliziert. Techniken umfassen:

  • Linearbeschleuniger-gestützte Systeme
  • Gamma-Knife-Therapie (hochpräzise Bestrahlung mit einer einzigen Dosis) – Vorteil: präzise Applikation hoher Dosen im Tumor bei minimaler Belastung des umliegenden Hirngewebes

Indikationen für stereotaktische Verfahren

  • Gefäßmissbildungen
  • Gutartige Tumoren des Hörnervs (Akustikusneurinome)
  • Hirnmetastasen (bei maximal drei Herden)
    • Patienten mit maximal drei Hirnmetastasen eines Mammakarzinoms (Brustkrebs) oder nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) überlebten mit stereotaktischer Radiochirurgie länger als bei Ganzhirnbestrahlung [2].

Weitere Hinweise

  • Die Protonentherapie erzielt bei Kindern mit Medulloblastom wahrscheinlich gleich häufig eine Heilung wie die Radiotherapie mit Photonen.
    In der vorliegenden Studie wurde 
    der Tumor teilweise oder vollständig durch eine Operation entfernt. Anschließend erhielten alle Patienten eine Chemotherapie sowie eine kraniospinale Protonenbestrahlung (Dosis 23,4 biologisches Gray-Äquivalent, GyRBE, plus eine mediane Boost-Bestrahlung von 54,0 GyRBE). Die progressionsfreie Überlebensrate nach 5 Jahren betrug 85 % (95-%-Konfidenz­intervall: 69-93 %) für Patienten mit Standardrisiko und 70 % (45-85 %) bei Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko. Dieses entspricht den Ergebnissen, die mit der derzeitigen Standardbehandlung unter Einbeziehung der "Photonen"-The­rapie erreicht werden. Ein Vorteil der Protonentherapie könnte die fehlenden Spätfolgen am Herzen, Lungen und Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) sein. Weitere Studien sind abzuwarten [1].
    • Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) nach Primärtherapie des Medulloblastoms: Ein erheblicher Anteil der Patienten mit rezidiviertem iMB (young childhood medulloblastoma) wird nach anfänglichen CSI-schonenden Ansätzen (kraniospinale Strahlentherapie) gerettet. Patienten mit SHH-Untergruppe (sonic hedgehog), lokalisiertem Rückfall, höherem Alter bei Erstdiagnose und Patienten, die Salvage-CSI erhalten, zeigen ein verbessertes PRS (postrelapse survival/Überleben nach einem Rückfall). Zukünftige prospektive Studien sollten die optimalen CSI-Dosen und die Rolle der Salvage-Chemotherapie in dieser Population untersuchen [6].
  • Glioblastom
    • Radiochemotherapie (RCTX) nach einer Operation bei hochbetagten Glioblastompatienten: das progressionsfreie Überleben stieg von 3,9 auf 5,3 Monate und das Gesamtüberleben von 7,6 auf 9,3 Monate [3].
    • Eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie beim Glioblastom führt zu einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 15 Monaten. Eine Schwerionentherapie soll die von Natur aus widerstandsfähigen Tumorstammzellen und die sogenannten hypoxischen Zellen, die aus dem inneren Bereich des Tumors stammen, in dem meist Sauerstoffmangel herrscht, besser zerstören [5]. Humane Studien liegen dazu bislang nicht vor!
    • Glioblastome (WHO-Grad 4): Der Standard-Strahlenchemotherapie sollten (bei normofraktionierter Radiotherapie) sechs Erhaltungstherapie-Zyklen mit Temozolomid folgen (außer bei älteren Patienten).
      Zur Primärbehandlung älterer Glioblastom-Patienten war die sogenannte hypofraktionierte Radiochemotherapie mit Temozolomid (mit bis zu zwölf Erhaltungszyklen) der alleinigen Strahlentherapie überlegen (NCIC-CE.6/EORTC-26062-Studie).
  • Bei Patienten mit Hirnmetastasen kommt es nach stereotaktischer Bestrahlung der Resektionshöhle seltener zu kognitiven Einschränkungen als nach Resektion und Bestrahlung des gesamten Gehirns; die Überlebensrate war in beiden Gruppen fast gleich (11,6 Monate versus 12,2 Monate) [4].

Literatur

  1. Yock TI et al.: Long-term toxic effects of proton radiotherapy for paediatric medulloblastoma: a phase 2 single-arm study. doi: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(15)00167-9
  2. Halasz, Lia M et al.: Comparative effectiveness of stereotactic radiosurgery versus whole-brain radiation therapy for patients with brain metastases from breast or non-small cell lung cancer. Cancer 2016; 122: 2091-100.
  3. Perry JR et al.: Short-Course Radiation plus Temozolomide in Elderly Patients with Glioblastoma. N Engl J Med 2017; 376:1027-1037 March 16, 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1611977
  4. Brown PD et al.: Postoperative stereotactic radiosurgery compared with whole brain radiotherapy for resected metastatic brain disease (NCCTG N107C/CEC·3): a multicentre, randomised, controlled, phase 3 trial. Lancet Oncology 2017; 18(8):1049–1060. doi: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(17)30441-2
  5. Chiblak S et al.: Carbon irradiation overcomes glioma radioresistance by eradicating stem cells and forming an antiangiogenic and immunopermissive niche. ICI insigt January 24, 2019 10.1172/jci.insight.123837
  6. Erker C et al.: Outcomes of Infants and Young Children With Relapsed Medulloblastoma After Initial Craniospinal Irradiation–Sparing Approaches: An International Cohort Study Journal of Clinical Oncology 2023;41(10):1921-1932 doi: 10.1200/JCO.21.02968