Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom) – Strahlentherapie

Die Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio) wird risikoadaptiert postoperativ eingesetzt = adjuvante Strahlentherapie). Folgende Verfahren stehen dafür zur Verfügung:

  • vaginale Brachytherapie ((lokale, intravaginale Bestrahlung) im Afterloading-Verfahren (typisches Dosiskonzept 3‑mal 5-7 Gy)
  • externe Radiatio als Teletherapie (perkutane Bestrahlung) mit hochenergetischen Photonen am Linearbeschleuniger
    • intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT)

Eine primäre Strahlentherapie ist indiziert bei Patientinnen,die wegen anderer Erkrankungsrisiken nicht operiert werden können.

Hinweis: Die Röntgensensitivität von Tumorzellen, d. h. die Wirksamkeit der Radiotherapie auf Krebszellen, beim Endometriumkarzinom wird durch das Gen ERCC6L2 stark beeinflusst. Eine Mutation dieses Gens, dass die Krebszellen daran hindert, Doppelstrangbrüche ihrer DNA zu reparieren, verursacht dieses. Patienten mit dieser Mutation überlebten nach einer Radiotherapie zu 100 %. Von den Patientinnen, deren ERCC6L2 keine Störung aufwies, war nach 10 Jahren nur die Hälfte gestorben [3].
Fazit: Dieser Befund legt nahe, dass ERCC6L2 ein prädiktiver Biomarker für die Strahlentherapie-Reaktion ist.

Stadienabhängige Strahlentherapie [S3-Leilinie]

Postoperative externe Strahlentherapie des Beckens, Endometriumkarzinom Typ I, Stadium I-II

Stadium Empfehlungen
pT1a, pNX/0, G1 oder G2, endometrioides EC (Typ I), nach Hysterektomie mit oder ohne Lymphknotendissektion weder eine Brachytherapie noch eine Perkutanbestrahlung  

Postoperative vaginale Brachytherapie beim Endometriumkarzinom Typ I, Stadium I-II

Stadium Empfehlungen
pT1a, pNX/0 ohne Befall des Myometriums, G3, endometrioides EC (Typ I) kann eine vaginale Brachytherapie zur Reduktion des Risikos eines Vaginalrezidivs durchgeführt werden
pT1b, G1 oder G2 pNX/0 und im Stadium pT1a (mit Myometriumbefall), G3 pNX/0, endometrioides EC (Typ I) vaginale Brachytherapie (zur Reduktion des Vaginalrezidivrisikos)
pT1b pNX G3 oder im Stadium pT2 pNX, endometrioides EC (Typ I) sollte eine vaginale Brachytherapie erfolgen, alternativ kann eine perkutane Strahlentherapie durchgeführt werden
nach systematischer LNE im Stadium pT1b pN0 G3 oder im Stadium pT2 pN0, endometrioides EC (Typ I) vaginale Brachytherapie 
pT1pNX (jegliches Grading) mit „substanzieller VSI“ (h hste Stufe in dreistufiger Graduie rung der Lymphgefäßinvasion) anstatt der vaginalen Brachytherapie eine perkutane Beckenbestrahlung

Bei Patientinnen mit serösem Endometriumkarzinom im Stadium Ia ohne Myometiumbefall kann zusätzlich zur fakultativen Brachytherapie oder perkutanen Strahlentherapie eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden [S3-Leitlinie].

Postoperative Strahlentherapie beim Endometriumkarzinom Typ I, Stadium III-IVA

Stadium Empfehlungen
positiven LK, Befall der uterinen Serosa, der Adnexe, der Vagina, der Blase oder des Rektums (also insgesamt Stadien III bis IVA) mit endometrioidem EC (Typ I) zusätzlich zur Chemotherapie zur Verbesserung der lokalen Kontrolle eine postoperative externe Beckenbestrahlung

Postoperative Strahlentherapie beim Endometriumkarzinom Typ II

  • Die Indikationsstellung zur postoperativen vaginalen Brachytherapie bzw. externen Beckenbestrahlung bei Typ-II-Karzinom (serös oder klarzellig) sollte sich an den Empfehlungen für Typ-I-Karzinome (endometrioid) des Gradings G3 desselben Stadiums orientieren.

Weitere Hinweise

  • Bei einem niedrigen lokalen Rezidivrisiko (Wiederauftreten der Erkrankung am gleichen Ort) ist eine adjuvante Bestrahlungstherapie nicht angezeigt: Stadium T1a (FIGO I A), endometrioides Karzinom, G1/G2
  • Bei einem fortgeschrittenen Endometriumkarzinom (Stadium III/IV) kann eine lokale Radiotherapie als Radiochemotherapie (Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie) zwar die Zahl der lokalen Rezidive gegenüber einer alleinigen Chemotherapie reduziere, aber die Zahl der Fernmetastasen war jedoch erstaunlicherweise höher (27 versus 21 %), sodass nach einer lokale Radiotherapie kein Vorteil im progressionsfreien Überleben erkennbar war [2].
  • Eine adjuvante Radiochemotherapie (RCT; adjuvant: nach einer OP) im Vergleich zu einer alleinigen adjuvanten externen Beckenbestrahlung (RT) zeigte bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 60,2 Monaten, dass sich die Raten für das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben signifikant unterschieden: 75,5 % (simultane RCT) versus 68,6 % (alleinige RT; HR 0,71; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,53-0,95, p = 0,022); allerdings unterschied sich nicht die Rate für das 5-Jahres-Gesamtüberleben: in der Gruppe RCT lag diese bei 81,8 % und in der Gruppe alleinige RT betrug diese 76,7 % (HR 0,76; 95 %-KI 0,54-1,06; p = 0,11) [2].
    Hinweis: In beiden Studienarmen wiesen 30 % der Patientinnen Tumoren im Stadium I auf, 24 % (RCT) bzw. 27 % (RT) im Stadium II und 46 % (RCT) bzw. 43 % (RT) im FIGO-Stadium III.
    Fazit: Eine Chemotherapie sollte individuell abgewogen werden, wobei besonders eine höhere therapiebedingte Toxizität und das Tumorstadion berücksichtigt werden sollte.
  • Die adjuvante externe Beckenradiation verursacht häufig Inkontinenz (Harn- bzw. Stuhlinkontinenz). Die adjuvante vaginale Brachytherapie ist  sehr viel weniger nebenwirkungsreich. Die externe Beckenradiatio sollte nur noch bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko eingesetzt werden.
  • In den Stadien T1 und T2 (FIGO I und FIGO II) ließ sich durch die Strahlentherapie die lokale Rezidivrate (Wiederauftreten des Tumors an gleicher Stelle) signifikant senken ohne Effekt auf das Gesamtüberleben. Für fortgeschrittene Stadien sind die Zahlen nicht aussagekräftig.
  • Bei Beckenwandrezidiven erzielt  eine Radiatio eine 5‑Jahres-Überlebensrate von etwa 70-80 %.
  • Palliative Strahlentherapie (Behandlung, die nicht auf die Heilung einer Erkrankung abzielt, sondern darauf, die Symptome zu lindern oder sonstige nachteilige Folgen zu reduzieren): Als Palliativmaßnahme bei vaginaler Blutung oder Schmerzen durch ein Scheidenstumpf- oder Beckenwand-Rezidiv kann eine Strahlentherapie mit niedriger Gesamtdosis auch nach früherer Strahlentherapie eingesetzt werden [S3-Leitlinie]..

Literatur

  1. de Boer SM et al.: Adjuvant chemoradiotherapy versus radiotherapy alone for women with high-risk endometrial cancer (PORTEC-3): final results of an international, open-label, multicentre, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2018; 19(3):295-309. doi:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(18)30079-2
  2. Matei D et al.: Adjuvant Chemotherapy plus Radiation for Locally Advanced Endometrial Cancer N Engl J Med 2019; 380:2317-2326 doi: 10.1056/NEJMoa1813181
  3. Francica P et al.: Functional Radiogenetic Profiling Implicates ERCC6L2 in Non-homologous End Joining. Cell Reports 2020;32,8,108068 doi:https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.108068

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Endometriumkarzinom. (AWMF-Registernummer: 032 - 034OL), Juni 2024 Kurzfassung Langfassung