Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) – Operative Therapie
Epitheliale Ovarialkarzinome [S3-Leitlinie]
Patientinnen mit genetischer Disposition (gesunde Mutationsträger) für ein Ovarialkarzinom
- Eine prophylaktische beidseitige Salpingo-Ovarektomie (PBSO; Entfernung von Eileiter und Eierstock) nach abgeschlossener Familienplanung führt zu einer Risikoreduktion von 80 bis > 90 %, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken.
Indikation: Frauen mit einer Mutation im BRCA1/2-Gen und nachgewiesene Mutationen in anderen Hochrisikogenen, wie etwa RAD 51C.
Patientinnen mit unilateralem Tumor im Stadium FIGO IA, G1 oder G2
- Fertilitätserhaltende (Fruchtbarkeit-erhaltende) Operation mit Belassung des Uterus (Gebärmutter) und des kontralateralen (“auf der anderen Seite liegendes“) Ovars ist möglich.
Voraussetzung ist ein Staging (Stadienbestimmung) des gesamten Abdomens mit multiplen Biopsien (Entnahme einer Gewebeprobe) und einer Peritoneal-Lavage (Bauchspülung) nach ausführlicher Risikoaufklärung. - Patientinnen benötigen in diesem Stadium keine adjuvante Chemotherapie.
Frühes Ovarialkarzinom (Stadium FIGO I-IIA)
- Standardtherapie besteht in einer primären Stagingoperation per Längslaparotomie (Längstschnitt) mit dem Ziel der makroskopisch kompletten Tumorresektion. Dazu gehört:
- Inspektion und Palpation (Betrachtung und Abtasten) der gesamten Abdominalhöhle (Bauchhöhle)
- Peritonealzytologie (Spülzytologie: Zelluntersuchung von Zellen des Bauchfells)
- Biopsien (Gewebeentnahme) aus allen auffälligen Stellen
- Peritonealbiopsien aus unauffälligen Regionen
- Hysterektomie (Gebärmuttersentfernung), ggf. extraperitoneales Vorgehen
- Bilaterale Salpingo-Ovarektomie (beidseitige Eileiter- und Eierstockentfernung)
- Omentektomie (Entfernung des großen Netzes) mind. infrakolisch
- Appendektomie (Blinddarmentfernung) bei muzinösem/unklarem Tumortyp)
- Lymphonodektomie (Lymphknotenentfernung: bds. Lymphknoten der Paraaortal‑, Parakaval- und Interaortokavalregion sowie der Vasa iliaca communis, externa und interna)
Weitere Hinweise
- Bei etwa 30 Prozent der Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom ist die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung auf das kleine Becken begrenzt (Stadium FIGO I oder II). In diesen Frühstadien bestehen gute Aussichten auf eine dauerhafte Heilung.
- Ein Vorteil für eine primäre Chemotherapie (= neoadjuvante Chemotherapie, NACT) gefolgt von einer Intervalloperation existiert nicht, daher soll die Chemotherapie nach der Operation durchgeführt werden. Standard ist damit weiterhin die primäre Debulking-Operation (Reduktion der Tumormasse aus kurativen oder palliativen Gründen).
- Eine Second-Look-Operation soll nicht durchgeführt werden
Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom
Entscheidend für die Prognose der fortgeschrittenen Erkrankung ist die makroskopisch komplette Tumorresektion (chirurgische Entfernung (Resektion) einer Geschwulst).
Das operative Vorgehen entspricht dem des frühen Ovarialkarzinoms.
Bei makroskopisch ("mit bloßem Auge erkennbar") unauffälligen Lymphknoten wird aufgrund der Daten der prospektiven, randomisierten LION-Studie eine systematische Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung) nicht mehr durchgeführt [3].
Patientinnen mit einem Rezidiv (Wiederauftreten des Tumors)
- Das Ovarialkarzinomrezidiv stellt eine palliative Therapiesituation dar.
- Ziel der Rezidivchirurgie ist die makroskopische komplette Resektion des Rezidivs
Weitere Hinweise
- Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, bei denen eine komplette makroskopische Resektion des Tumors und seiner Metastasen gelungen war, lebten nach der Operation median noch 65,5 Monate, davon 25,5 Monate ohne Tumorprogression (Kontrollgruppe ohne Lymphadenektomie: Patientinnen lebten median noch 69,2 Monate, davon 25,5 Monate ohne Tumorprogression (Fortschreiten des Tumors); damit kein signifikanter Unterschied). Des Weiteren waren für die Lymphadenektomie-Gruppe ebenso keine signifikanten Vorteile nachweisbar für das Todesfallrisiko und das Risikos auf Tumorprogression oder Tod [1].
- Eine sekundäre chirurgische Zytoreduktion (Entfernung eines Großteils der Tumormassen/Senkung der Tumorlast) versus Verzicht auf eine Zytoreduktion führte zu folgendem Ergebnis: mittlere Überlebenszeit der operierten Patienten betrug 50,6 Monate gegenüber 64,7 Monate der nicht operierten Patientinnen (Hazard Ratio auf einen Tod im Vergleich zur Gruppe der nicht operierten Patienten betrug 1,29 mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,97-1,72) [2].
Fazit: Bei einem Rezidiv eines Ovarialkarzinoms muss der Sinn einer zweiten Zytoreduktion und infrage gestellt werden.
Borderlinetumoren [S3-Leitlinie]
Primäres Ziel ist die komplette Tumorentfernung: mediane Laparotomie (Längsschnitt bis zum Nabel (mindestens)) + Adnexektomie (Entfernung von Eierstock und Eileiter) beidseits + Omentektomie ((Entfernung des großen Netzes/Bauchfell; infrakolisch) + evtl. vorhandene Tumoren + Resektion aller auffälligen Areale + Staging (Stadienbestimmung):
- Inspektion (Betrachtung) + Palpation (Abtasten) des gesamten Bauchraumes
- Spülzytologie (Untersuchung von Zellen, die durch Spülung von einer Oberfläche abgeschert werden)
- Abstrichzytologie
- peritoneale Biopsien (Entnahme von Gewebeproben aus dem Bauchfell) unauffälliger Bereiche
Weitere Hinweise
- Ergibt die Histologie einen muzinöses Borderlinetumor, so ist ein extraovarieller (außerhalb des Eierstocks) Tumor auszuschließen. Dazu besteht auch die Indikation zur Appendektomie (Blinddarmentfernung)
- Wird unter fertilitäterhaltenden Gesichtspunkten lediglich die Ovarialzyste (Eierstockzyste) entfernt (anstatt einer Adnexektomie/Entfernung von Eierstock und Eileiter beidseits) besteht eine erhöhte Rezidivrate.
Keimstrangstromatumoren [S3-Leitlinie]
Die Operation beinhaltet: mediane Laparotomie (Längsschnitt bis zum Nabel (mindestens)) + Adnexektomie (Entfernung von Eierstock und Eileiter) der betroffenen Seite. Keine Lymphonodektomie (Lymphknotenentfernung) bei unauffälligen Lymphknoten + Staging (Stadienbestimmung):
- Inspektion + Palpation des gesamten Bauchraumes
- Peritonealzytologie
Bei Tumoren mit malignem Potenzial (Granulosazelltumor, Sertoli-Leydigzell-Tumor G2/G3 oder Steroidzell-Tumor NOS):
- Definitives operatives Staging analog Ovarialkarzinom.
- Der Nutzen der systematischen Lymphonodektomie (Lymphknotenentfernung) bei unauffälligen Lymphknoten ist nicht belegt.
- Bei Belassen des Uterus (Gebärmutter) Hysteroskopie (Gebärmuttersspiegelung) und Abrasio (Ausschabung) empfohlen (zum Ausschluss einer Endometriumhyperplasie (Wucherung der Gebärmutterschleimhaut) oder eines Endometriumkarzinoms).
Keimzelltumoren [S3-Leitlinie]
Die Operation beinhaltet: mediane Laparotomie (Längsschnitt bis zum Nabel) + Adnexektomie (Entfernung von Eierstock und Eileiter) der betroffenen Seite, die komplette Tumorresektion möglichst unter Erhalt der Fertilität bei jungen Patientinnen. Keine Lymphonodektomie (Lymphknotenentfernung) bei unauffälligen Lymphknoten + Staging
- Inspektion + Palpation des gesamten Bauchraumes
- Peritonealzytologie
- Abstrichzytologie
- ggf. peritoneale Biopsien
Literatur
- Harter P et al.: A Randomized Trial of Lymphadenectomy in Patients with Advanced Ovarian Neoplasms. N Engl J Med 2019; 380:822-832 doi: 10.1056/NEJMoa1808424
- Coleman RL et al.: Secondary Surgical Cytoreduction for Recurrent Ovarian Cancer N Engl J Med 2019; 381:1929-1939 doi: 10.1056/NEJMoa1902626
- Harter P, Sehouli J, Lorusso D et al.: A randomized trial of lymphadenectomy in patients with advanced ovarian neoplasms. N Engl J Med 2019;380:822-832 doi: 10.1056/NEJMoa1808424
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. (AWMF-Registernummer: 032-035OL), Oktober 2024 Kurzfassung Langfassung