Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) – Einleitung

Beim Ovarialkarzinom – umgangssprachlich Eierstockkrebs genannt – handelt es sich um eine maligne (bösartige) Neubildung im Bereich der Ovarien (Eierstöcke). Ausgangspunkt der Entstehung sind die unterschiedlichen Strukturen des Eierstocks (Epithel, Keimstrangstroma, Keimzellen). Die häufigste Form ist das epitheliale Ovarialkarzinom, welches 60-80 % aller Ovarialkarzinome ausmacht und der dritthäufigste maligne Tumor bei Frauen ist. 

Synonyme und ICD-10: bösartige Neubildung des Ovars; bösartiger Granulosazell-Tumor; bösartiger Leydigzell-Tumor bei der Frau; bösartiges Androblastom bei der Frau; bösartiges Arrhenoblastom bei der Frau; Carcinoma ovarii; Dermoidtumor mit maligner Transformation; Dermoidzyste mit maligner Transformation; Dysgerminoma ovarii; Endometrioides Zystadenokarzinom bei der Frau; extraovariales Ovarialkarzinom; Granulosazellkarzinom; kolloides Zystadenom; maligner Brenner-Tumor; maligner Ovarialtumor; malignes Follikulom; papilläres Zystadenokarzinom; papilläres Zystadenom des Ovars mit Borderline-Malignität; papillozystisches Adenokarzinom; papillozystisches Karzinom; pseudomuzinöses Adenokarzinom; pseudomuzinöses Zystadenokarzinom; seröses Zystadenokarzinom; seröses Zystadenom des Ovars mit Borderline-Malignität; Sertoli-Zell-Karzinom bei der Frau; Struma ovarii maligna; Thecoma malignum; Thekazellkarzinom; weibliches Dysgerminom; ICD-10-GM C56: Bösartige Neubildung des Ovars

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhter CA-125-Wert: CA-125 ist ein Tumormarker, der häufig bei Ovarialkarzinomen erhöht ist. Ein Wert über 35 U/mL kann auf ein Ovarialkarzinom hinweisen, ist jedoch nicht spezifisch und kann auch bei anderen gutartigen und malignen Erkrankungen erhöht sein.
  • Erhöhter HE4-Wert: HE4 (Humanes Epididymis-Protein 4) ist ein weiterer Tumormarker, der zur Diagnose und zum Monitoring von Ovarialkarzinomen verwendet wird. Es ist besonders hilfreich in Kombination mit CA-125.
  • Erhöhte AFP (Alpha-Fetoprotein)-Werte: Kann bei bestimmten Typen von Ovarialkarzinomen, insbesondere bei Keimzelltumoren, erhöht sein.
  • Erhöhte LDH (Laktatdehydrogenase)-Werte: Kann bei fortgeschrittenen Stadien des Ovarialkarzinoms erhöht sein und weist auf Gewebezerfall hin.
  • Erhöhte HCG (Humanes Choriongonadotropin)-Werte: Kann bei bestimmten Keimzelltumoren des Ovars erhöht sein.
  • Normale oder leicht erhöhte Entzündungsmarker (z. B. CRP, BSG): Diese können bei fortgeschrittenen Stadien oder bei begleitenden Entzündungen erhöht sein.
  • Verminderter Albuminwert: Kann auf einen schlechten Ernährungszustand oder fortgeschrittene Tumorerkrankung hinweisen.
  • Anämie: Eine Anämie (verminderte Hämoglobin- oder Erythrozytenzahl) kann bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom aufgrund von Blutverlust oder chronischer Erkrankung

Formen des Ovarialkarzinoms

Histologische Klassifikation

Die histologische (feingewebliche) Einteilung der Ovarialkarzinome unterscheidet sich basierend auf dem Ursprung der Tumorzellen. Die häufigsten Typen sind:

  • Epitheliale Tumoren – machen den Großteil der Ovarialkarzinome aus (60-80 %):
    • Seröses Karzinom: Der häufigste Subtyp mit teils aggressivem Verlauf, oft diagnostiziert in fortgeschrittenen Stadien.
    • Muzinöses Karzinom: Seltenere Form, charakterisiert durch schleimproduzierende Zellen, häufig besser differenziert.
    • Endometrioides Karzinom: Ähnelt histologisch (feingeweblich) dem Endometriumkarzinom (Gebärmutterschleimhautkrebs) und ist teils mit Endometriose assoziiert.
    • Klarzelliges Karzinom: Weniger häufig, jedoch besonders resistent gegenüber Chemotherapie, daher oft mit schlechterer Prognose.
    • Undifferenziertes Karzinom: Aggressiv und schwer zu behandeln, da es keine spezifischen Differenzierungsmerkmale zeigt.
  • Keimstrang-Stroma-Tumoren – entwickeln sich aus dem Keimstrang und Stromazellen:
    • Granulosazelltumor: Ein häufiger Vertreter dieser Gruppe, produziert oft Hormone und tritt manchmal bilateral (beidseitig) auf.
    • Sertoli-Leydig-Zell-Tumor: Seltener, kann Androgene produzieren und somit virilisierende Symptome (z. B. männliche Behaarung wie Barthaare, Brusthaare (Hirsutismus), tiefere Stimmlage) verursachen.
  • Keimzelltumoren – entstammen den Keimzellen und sind oft bei jüngeren Frauen zu finden:
    • Dysgerminom: Der häufigste maligne Keimzelltumor, meist unilateral (einseitig) und strahlensensibel.
    • Endodermaler Sinustumor (Dottersacktumor): Aggressiver Tumor mit schnellem Wachstum, zeichnet sich durch hohe AFP (Alpha-Fetoprotein)-Spiegel aus.
    • Teratom: Enthält differenziertes Gewebe aus verschiedenen Zelltypen und kann in reifer (gutartiger) oder unreifer (bösartiger) Form auftreten.

Genetische Faktoren

Genetische Mutationen spielen bei etwa 10 % der Ovarialkarzinome eine Rolle und können ein signifikant erhöhtes Risiko innerhalb von Familien aufweisen:

  • BRCA1- und BRCA2-Mutationen: Am häufigsten assoziiert mit hereditären (erblichen) Ovarialkarzinomen; erhöhen das Lebenszeitrisiko um das 20- bis 50-Fache. Frauen mit BRCA1-Mutation haben typischerweise ein höheres Risiko als jene mit BRCA2-Mutation.
  • DNA-Reparatur-Gene (z. B. MLH1, MSH2): Diese Gene sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko verbunden und verursachen hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinome (Lynch-Syndrom), was auch das Risiko für Ovarialkarzinome erhöht.
  • TP53-Mutationen: Häufig in sporadischen Ovarialkarzinomen zu finden und mit aggressiveren Tumorverläufen assoziiert.

Subtypen basierend auf Differenzierungsgrad

Der Differenzierungsgrad gibt Hinweise auf das Verhalten und die Aggressivität des Tumors:

  • Hochdifferenziert: Tumorzellen ähneln normalen Ovarialzellen und wachsen langsamer; Prognose meist besser.
  • Mäßig differenziert: Zellen zeigen Anzeichen von Abweichungen und neigen zu rascherem Wachstum.
  • Schlecht differenziert/undifferenziert: Tumorzellen haben stark veränderte Merkmale und eine erhöhte Aggressivität, was häufig zu einer schlechteren Prognose führt.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, steigt ab dem 60. Lebensjahr stark an. In etwa 10 % der Fälle sind auch Frauen unter 40 Jahren betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 68 Jahren.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
: Die 5-Jahres-Prävalenz lag im Jahr 2006 bei 26.000 Frauen in Deutschland.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
: Ca. 14-15 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Europa. Es gibt ein Nord-Süd-Gefälle: Skandinavien hat eine Inzidenz von 13,9-15,3/100.000 Einwohner pro Jahr, während sie in ländlichen Regionen Japans 2-4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr beträgt. Ungefähr 1-2 % aller Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens daran.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das Ovarialkarzinom ist eine besonders heimtückische Form von Krebs, da es oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Diese späte Diagnose trägt maßgeblich zu den schlechten Überlebensaussichten bei.

Frühstadien (Stadium I und II)

In den frühen Stadien I und II ist das Ovarialkarzinom auf die Eierstöcke oder das Becken begrenzt. Diese Stadien bieten die besten Chancen auf eine Heilung, da der Tumor noch nicht weit verbreitet ist und sich chirurgisch gut entfernen lässt. Leider werden nur weniger als 40 % der Ovarialkarzinome in diesen frühen Stadien erkannt.

  • Stadium I: Der Tumor ist auf die Eierstöcke beschränkt. Die 5-Jahres-Überlebensrate in diesem Stadium liegt bei über 80 %.
  • Stadium II: Der Tumor hat sich auf das Becken ausgebreitet, bleibt aber auf die Beckenorgane beschränkt. Auch hier bestehen noch gute Heilungschancen mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 60-70 %.

Fortgeschrittene Stadien (Stadium III und IV)

In den Stadien III und IV hat sich das Ovarialkarzinom über die Beckenorgane hinaus ausgebreitet und Metastasen in entfernten Organen gebildet. Diese fortgeschrittenen Stadien sind mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden.

  • Stadium III: Der Tumor hat sich auf die Bauchhöhle ausgebreitet und möglicherweise Lymphknoten befallen. Die 5-Jahres-Überlebensrate sinkt in diesem Stadium auf etwa 20-40 %.
  • Stadium IV: Der Tumor hat Fernmetastasen gebildet, beispielsweise in der Leber oder Lunge. Die 5-Jahres-Überlebensrate in diesem Stadium liegt bei weniger als 10 %.

Symptome und Diagnosestellung

Die späte Diagnosestellung des Ovarialkarzinoms ist darauf zurückzuführen, dass frühe Symptome oft unspezifisch und mild sind. Häufige Symptome umfassen:

  • Unklare Bauchschmerzen oder -beschwerden
  • Blähungen und Völlegefühl
  • Häufiger Harndrang
  • Veränderungen im Stuhlgang
  • Ungeklärter Gewichtsverlust

Aufgrund der unspezifischen Natur dieser Symptome werden sie oft übersehen oder anderen, weniger schwerwiegenden Gesundheitsproblemen zugeschrieben. Dies führt dazu, dass das Ovarialkarzinom oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird.

Prognose

  • Rezidivrate: Die Rezidivrate liegt beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom bei 65 %. Ein frühes Rezidiv verschlechtert die Prognose.
  • Mortalität: 5.500 Frauen pro Jahr in Deutschland.
  • 5-Jahres-Überlebensrate: Ca. 45 %.
  • 10-Jahres-Überlebensrate: Ca. 35 %.
  • Stadiumabhängige Überlebensrate: Frühe Tumorstadien (FIGO I-IIA) haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von > 80 %. Fortgeschrittene Stadien (FIGO IIB-IV) haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von unter 40 %.

Komorbiditäten

Das Ovarialkarzinom ist vermehrt mit psychiatrischen Erkrankungen wie Depression (35 %) vergesellschaftet.

Leitlinien

  1. Patientenleitlinie: Eierstockkrebs; Ratgeber für Patientinnen und Patienten. April 2018. Leitlinienprogramm Onkologie
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. (AWMF-Registernummer: 032-035OL), Oktober 2024 Kurzfassung Langfassung