Chronische myeloische Leukämie – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Verbesserung der Symptomatik
  • Remission (Verschwinden der Krankheitssymptome)
  • Verlängerung der Überlebenszeit
  • Heilung

Therapieempfehlungen

  • Therapieeinleitung vor Erhalt des BCR-ABL-Status: Hydroxyurea (40 mg/kg KG) bei Leukozytenzahlen > 100.000/μl (Vermeidung einer Leukostase/Zusammenlagern von Leukozyten in Blutgefäßen mit der Folge von Gefäßverschlüssen
  • Prophylaxe eines Tumorlysesyndroms (TLS; lebensbedrohende Stoffwechselentgleisung, die bei der plötzlichen Zerstörung einer größeren Anzahl von Tumorzellen auftreten kann): Einstellung des Urin-pH auf 6,4-6,8 mit Natriumbicarbonat (1-2 g/Tag p.o.) sowie Harnsäureclearance.
    • Xanthinoxidasehemmer Febuxostat (bei mittlerem TLS-Risiko)
    • Rasburicase (bei hohem TLS-Risiko)
  • Lebenslange Therapie in der chronischen Phase (< 15 % Blasten im Blut oder Knochenmark) einer chronischen mye­loischen Leukämie (CML) zur Verhinderung eines Rezidiv und eines möglichen Progress der Erkrankung in die akze­lerierte Phase (s. u.) oder der Blastenkrise.
    Möglicherweise ist eine Absatzstrategie bei chronischer biologischer Leukämie möglich. In einer Studie mit 190 Teilnehmern, die in der Phase der therapiefreien Remissionen (TFR) kamen, blieb bei 51,6 % eine majore molekulare Response (MMR, major molecular response) erhalten, beim überwiegenden Teil auch die MR 4,5 (= Abfall der BCR-ABL-Transkripte um 4,5 Logstufen des Ausgangswertes (entsprechend 0,0032 % nach internationaler Skala)). Die Nilotinibtherapie (s. u.) wurde bei 86 Patienten wieder aufgenommen. Die Wiederaufnahme der Therapie führte bei 85 Patienten mindestens wieder zu einer MMR. Innerhalb 40 Wochen nach Wiederaufnahme der Therapie war bei fast 89 % (76/86) die BCR-ABL-Last wieder auf eine MR 4,5 abgefallen [2].
  • Zur Erstlinientherapie werden Tyrosinkinaseinhibitoren (TKi; Imatinib; bei Imatinib-Resistenz Dasatinib, Nilotinib); Beachte: Risiko einer Hepatitis B Reaktivierung [1]:
    • 10,9 Jahre nach Beginn der Therapie mit Imatinib waren noch 84,4 Prozent am Leben [4]
    • Patienten, die nach 18 Monaten ein optimales Ergebnis (Major molecular response mit Abfall der BCR-ABL-Werte < 0,1 %) erreichten: Überlebensraten > 90 % [4]
    • nach dauerhafter Reduktion der Tumorlast um mehrere Logstufen, ist auch ein kontrolliertes Absetzen der Medikamente möglich (=  therapiefreie Remission (TFR)) [8]
  • Die Kombination von Imatinib mit pegyliertem IFN-α2a führt zu einem vermehrten tiefen molekularen Ansprechen. Eine Erhaltungstherapie mit IFN nach TKI-Therapie führt zu guten Langzeitremissionen [6, 7].
  • Zur Zeitlinientherapie Interferone; ggf. auch Hydroxyharnstoff bwz. Cytosinarabinosid (hämatologische und zytogenetische Remission in 40-60 %); Bosutinib kann in der Zweitlinientherapie eingesetzt werden, wenn mit mindestens einem anderen TKI vorbehandelt wurde und Imatinib, Dasatinib und Nilotinib nicht als geeignete Therapieoption angesehen werden. Nebenwirkungen: Nausea, Erbrechen, Hautausschlag, Diarrhoe (Durchfall)
  • Ponatinib (dritten TKI-Generation): Therapie der Wahl bei CML-Patienten mit T315I-Mutation und in Fällen, wenn andere TKI nicht indiziert sind; Nebenwirkungen: vasookklusive Erkrankungen, thrombotische Ereignisse, Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), schwerwiegende Hautausschläge;
  • Asciminib (STAMP-Inhibitor; erster Vertreter einer neuartigen TKI-Klasse): hemmt nicht im Bereich der Tyrosinkinasedomäne, sondern in dem der Myristylbindungsstelle: es bremst das Fusionsprotein BCR-ABL, das durch eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 („Philadelphia-Chromosom“) entsteht; die meisten Patienten erreichten zumindest eine hämatologische Remission (Normalisierung des Blutbildes) (Phase-I-Studie) [9]. Inzwischen erfolgte die Zulassung basierend auf der Phase-III-Studie ASCEMBL.
  • Beachte: Regelmäßige Verlaufskontrolle (Zytogenetische Untersuchung und Molekulargenetik) zur Beurteilung des Remissionsstatus
  • Eine Heilung der CML nur durch eine allogene Stammzelltransplantation möglich; Patienten, die keine Stammzelltransplantation erhalten müssen sich auf eine lebenslange Dauermedikation einstellen
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie" (Stammzelltransplantation).

Beachte: Kriterien der akzelerierten Phase sind [5]:

  • 10-19 % Blasten in Blut oder Knochenmark oder
  • ≥ 20 % Basophile in Blut oder Knochenmark oder
  • therapieunabhängige Thrombozytopenie < 100.000/μl oder
  • Thrombozytose (Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut über den Normalbereich) > 1.000.000/μl, nicht auf Therapie ansprechend oder
  • zusätzliche klonale chromosomale „Major-Route-Aberrationen“ der Ph+-Zellen (2. Ph-Chromosom, Trisomie 8, Isochromosom 17q, Trisomie 19, komplexer Karyotyp, Abberationen des Chromosomenabschnitts 3q26.2) trotz Behandlung oder
  • neu entstandene klonale Evolution oder
  • progrediente Splenomegalie (Milzvergrößerung) und ansteigende Leukozyten, die auf eine Therapie nicht ansprechen

Weitere Hinweise

  • Bei minimaler Resterkrankung (MRD = minimal residual disease) unter der Nachweisschwelle kann der Tyrosinkinasehemmer Imatinib ohne großes Risiko versuchsweise abgesetzt werden [3].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Rote-Hand-Brief zu BCR-ABL-Tyrosinkinaseinhibitoren: Risiko einer Hepatitis-B-Reaktivierung. AkdÄ Drug Safety Mail | 14-2016
  2. Hochhaus A et al.: Treatment-free remission (TFR) in patients (pts) with chronic myeloid leukemia in chronic phase (CML-CP) treated with frontline nilotinib: Results from the ENESTFreedom study. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 7001)
  3. Etienne G et al.: Long-Term Follow-Up of the French Stop Imatinib (STIM1) Study in Patients With Chronic Myeloid Leukemia. J Clin Oncol 2016; online 3. Oktober. doi: 10.1200/JCO.2016.68.2914
  4. Hochhaus A et al.: Long-Term Outcomes of Imatinib Treatment for Chronic Myeloid Leukemia. N Engl J Med 2017; 376:917-927 March 9, 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1609324
  5. Arber DA et al.: The 2016 revision to the World Health Organization classification of myeloid neoplasms and acute leukemia. Blood 2016 May 19;127(20):2391-405. doi: 10.1182/blood-2016-03-643544. Epub 2016 Apr 11.
  6. Burchert A et al.: Sustained molecular response with interferon alfa maintenance after induction therapy with imatinib plus interferon alfa in patients with chronic myeloid leukemia. J Clin Oncol 2010 Mar 10;28(8):1429-35. doi: 10.1200/JCO.2009.25.5075. Epub 2010 Feb 8.
  7. Burchert A et al.: Interferon alpha 2 maintenance therapy may enable high rates of treatment discontinuation in chronic myeloid leukemia. Leukemia 2015 Jun;29(6):1331-5. doi: 10.1038/leu.2015.45. Epub 2015 Feb 25.
  8. Mahon FX et al.: Long-term treatment-free remission (TFR) in patients (pts) with chronic myeloid leukemia in chronic phase (CML-CP) after stopping second-line (2L) nilotinib: ENESTop 144-wk results. Meeting: 2018 ASCO Annual Meeting Abstract No: 7003 J Clin Oncol 36, 2018 (suppl; abstr 7003)
  9. Hughes TP et al.: Asciminib in Chronic Myeloid Leukemia after ABL Kinase Inhibitor Failure N Engl J Med 2019; 381:2315-2326 doi: 10.1056/NEJMoa1902328

Leitlinien

  1. Hochhaus A et al.: Chronic myeloid leukaemia: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Annals of Oncology, 2017;28 (Supplement 4): iv41-iv51. doi.org/10.1093/annonc/mdx219