Chronische lymphatische Leukämie (CLL) – Folgeerkrankungen

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine chronische lymphatische Leukämie (CLL) mit bedingt sein können:

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Anämien (Blutarmut)
    • Autoimmunhämolytische Anämien (AIHA; Form der hämolytischen Anämie, bei der das körpereigene Immunsystem Antikörper bildet, welche eine Hämolyse der Erythrozyten induzieren) – meist durch polyklonale IgG-Wärmeantikörper ausgelöst
    • Pure-red-cell-Anämien
  • Autoimmunzytopenien (ca. 20 %)
  • Autoimmunthrombozytopenien (AITP)
  • Blutungen
  • Hypersplenismus Komplikation der Splenomegalie (Milzvergrößerung). Durch diese steigt ihre funktionelle Kapazität der Milz über das notwendige Maß hinaus an und führt zur gesteigerten Elimination von Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) aus dem peripheren Blut, sodass eine Panzytopenie (Synonym: Trizytopenie; Verminderung aller drei Zellreihen im Blut) entsteht.
  • Hyperviskositätssyndrom (HVS) – klinischer Symptomenkomplex, der seine Ursache in der Erhöhung der Konzentration der Paraproteine des Blutplasmas hat. Durch die erhöhte Viskosität kommt es zu einer Herabsetzung des Fließvermögens des Blutes.
  • Zytopenien/Verminderung der Anzahl der Zellen im Blut (Anämie (Blutarmut), Thrombozytopenie (verminderte Anzahl der Thrombozyten/Blutplättchen), Neutropenie (Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut)) beziehungsweise deren klinische Folgen (Infekte, Blutungen, Müdigkeit)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionen aller Art

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Rezidiv Wiederauftreten der Erkrankung
  • Infiltration der CLL kann jedes Organ betreffen
  • Transformation der CLL in:
    • Hodgkin-Lymphom (0,7 %)
    • Übergang der niedrigmalignen CLL in ein höheres Stadium oder bei der Transformation in ein hochmalignes Lymphom (Richter-Syndrom; in 5-10 % der Fälle); das Richter-Syndrom ist dadurch definiert, dass ein hochmalignes NHL (Non-Hodgkin-Lypmphom) und eine CLL gleichzeitig vorliegen (schlechte Prognose); klinische Bild: schnelle Zunahme der B-Symptomatik* und des LDH-Wertes

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Priapismus – Erektion, die ohne sexuelle Stimulation > 4 h andauert; 95 % der Fälle ischämischer oder Low-flow-Priapismus (LFP), der sehr schmerzhaft ist; der LFP kann bereits nach 4 h zu irreversiblen Erektionsstörungen führen; Therapie: Blutaspiration und evtl. intrakavernöse (i.c.) Sympathomimetikainjektion (10 mg Etilefrin mit 10 ml 0,9 % NaCl verdünnt) sowie 1.000 IE Heparin; der "High-flow"-Priapismus (HFP) benötigt keine Sofortmaßnahmen
    Hinweis: Der Priapismus ist pathophysiologisch bedingt aufgrund der Hyperviskosität (Zähflüssigkeit) des Blutes, welche zu einer Aggregation (Anhäufung) von Leukämiezellen im Schwellkörper führt.

Weiteres

  • Infektionen; dieses sind die Haupttodesursachen einer CLL

*B-Symptomatik

  • Unerklärliches, anhaltendes oder rezidivierendes Fieber (> 38 °C)
  • Starker Nachtschweiß (nasse Haare, durchnässte Schlafbekleidung)
  • Ungewollter Gewichtsverlust (> 10 % Prozent des Körpergewichtes innerhalb von 6 Monaten)

Prognosefaktoren

  • TP53-Deletion oder -Mutation – diese ist mit einem schlechten Ansprechen auf eine Chemotherapie assoziiert
  • NFAT2 – Leukämiezellen von Patienten mit einem langsamen klinischen Verlauf weisen eine große Menge des Proteins NFAT2 auf; bei Patienten mit aggressiver Verlaufsform ist das Protein erheblich reduziert [1]
  • CLL-IPI [2] – validierter Score, um das Progressionsrisiko bezogen auf das Gesamtüberleben bei CLL-Patienten vorherzusagen; entscheidende Faktoren sind der TP53-Status, der IgHV-Mutationsstatus, ß-Mikroglobulin, Klinischer Status und das Alter (s. u.): CLL-IPI-Kalkulator 

CLL-IPI (CLL-International Prognostic Index) 

Variable Risikofaktor  Punkte 
TP53 (17p) Deletionen und/oder Mutation   4
IGHV  unmutiert  2
Beta-2-Mikroglobulin (mg/L) < 3,5  1
Alter > 65 Jahre  
Stadium*  Binet B/C, Rai I-IV  1
Gesamtscore     0 bis 10

*Stadieneinteilung nach Binet oder Rai.

Score Risikogruppe 5-Jahres-Überlebensraten (%) Häufigkeit der Subgruppen (%) 
 0-1  "niedrig"  93,2  28
 2-3  "intermediär  79,3  39
 4-6  "hoch"  63,3  28
 7-10  "sehr hoch"  23,3  6

Weitere Hinweise

  • Typ der Progression nach CLL-Therapie: Auftreten einer Lymphadenopathie nach Erstlinientherapie (signifikant geringere Überlebensdauer); es bleibt signifikant weniger Zeit bis zur nächsten Therapie [3].
  • Faktoren, die Hinweise bei Patienten mit einer rezidivierten oder therapierefraktären CLL liefern, dass mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit zu rechnen ist, sind Beta-2-Mikroglobulin, Laktatdehydrogenase (LDH), Hämoglobin sowie Zeitdauer seit Beginn der letzten Therapie (Akronym: "BALL"; zur Erinnerung an B2M, Anämie, LDH, letzte Therapie) [4]:
    Interpretation: niedriges Risiko. Score: 0 oder 1; intermediäres Risiko: Score: 2 oder 3; hohes Risiko: Score von 4
    • Patienten der Ibrutinib-Gruppe mit einem Hochrisikoscore: Wahrscheinlichkeit nach 24 Monaten noch zu leben lag bei 56 %; mit einem niedrigen Risiko bei 90 %. 
    • Patienten der Venetoclax-Gruppe mit einem Hochrisikoscore: Wahrscheinlichkeit nach 24 Monaten noch zu leben lag bei 95 %; mit einem niedrigen Risiko bei 82 %.
    Der Risikoscore lässt sich mithilfe eines Programms berechnen, das auf der Internetseite „Calculate by QxMD” abrufbar ist.

Literatur

  1. Märklin M et al.: NFAT2 is a critical regulator of the anergic phenotype in chronic lymphocytic leukaemia. Nature Communications 8, Article number: 755 (2017) doi:10.1038/s41467-017-00830-y
  2. International CLL-IPI working group. An international prognostic index for patients with chronic lymphocytic leukaemia (CLL-IPI): a meta-analysis of individual patient data. Lancet Oncol. 2016 May 13 doi:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(16)30029-8
  3. Al-Sawaf O et al.: Mode of progression after first line treatment correlates with outcome of chronic lymphocytic leukemia (CLL). Am J Hematol 2019; https://doi.org/10.1002/ajh.25561
  4. Soumerai JD et al.: Prognostic risk score for patients with relapsed or refractory chronic lymphocytic leukaemia treated with targeted therapies or chemoimmunotherapy: a retrospective, pooled cohort study with external validations. Lancet Haematol. 2019. doi: https://dx.doi.org/10.1016/S2352-3026(19)30085-7