Brustkrebs (Mammakarzinom) – Operative Therapie
Das Mammakarzinom (Brustkrebs) ist die häufigste maligne Erkrankung der Frau und eine der führenden Ursachen für krebsbedingte Todesfälle. Die Therapie folgt heute einem multimodalen Ansatz, der individuell auf die Tumorbiologie, das Erkrankungsstadium und die Patientinnenpräferenz abgestimmt wird.
Zu den wesentlichen Therapiebausteinen gehören:
- Chirurgische Therapie – Entfernung des Tumors mittels brusterhaltender Operation oder Mastektomie.
- Strahlentherapie (Radiatio) – Ergänzende Behandlung zur Reduktion des Rückfallrisikos.
- Systemische Therapie – Chemotherapie, Antihormontherapie oder zielgerichtete Therapie (z. B. HER2-Antikörper, CDK4/6-Inhibitoren) zur Kontrolle systemischer Tumorzellen.
Die präoperative Diagnostik basiert auf einer Kombination bildgebender Verfahren und histopathologischer Untersuchungen. Entscheidend für die Therapieplanung sind:
- Histologie und Grading – Differenzierung des Tumors und biologisches Verhalten.
- Molekularbiologische Marker – Hormonrezeptorstatus (Östrogen, Progesteron), HER2-Expression, Proliferationsrate (Ki-67).
- Tumorstadium – Bestimmung der lokalen und systemischen Ausbreitung (TNM-Klassifikation).
- Interdisziplinäre Fallbesprechung – Entscheidung über die Therapie im Tumorboard mit Gynäkologen, Onkologen, Radioonkologen und Pathologen.
Die operative Therapie bleibt der zentralste Baustein der kurativen Behandlung. Je nach individueller Situation kommen verschiedene chirurgische Verfahren zum Einsatz. Eine präoperative Therapie zur Tumorverkleinerung wird neoadjuvante Therapie genannt, während postoperative Maßnahmen zur Senkung des Rezidivrisikos als adjuvante Therapie bezeichnet werden.
Die folgenden Abschnitte widmen sich den chirurgischen Behandlungsoptionen:
- Prophylaktische Operation – Risikoreduzierende Mastektomie bei Hochrisikopatientinnen.
- Operative Primärtherapie (Ersttherapie) – Standardverfahren zur kurativen Behandlung.
- Brusterhaltende Operation (BEO) – Tumorentfernung mit Erhalt der Brustdrüse.
- Ablatio mammae (Brustamputation, Synonym: Mastektomie) – Vollständige Entfernung der Brustdrüse.
- Ausräumung der axillären Lymphknoten (Axilladissektion, axilläre Lymphonodektomie, ALNE) – Entfernung befallener Lymphknoten zur Stadienbestimmung und Therapie.
Diese chirurgischen Maßnahmen werden abhängig von Tumorgröße, Lymphknotenstatus, molekularbiologischen Faktoren und individuellen Patientinnenmerkmalen gewählt. Die optimale Strategie zielt darauf ab, eine maximale onkologische Sicherheit mit bestmöglicher Lebensqualität zu kombinieren.
Prophylaktische Operation
Die prophylaktische Operation umfasst chirurgische Maßnahmen zur Reduktion des individuellen Brustkrebs- und Ovarialkarzinomrisikos bei Hochrisikopatientinnen. Besonders Patientinnen mit einer nachgewiesenen Mutation der BRCA1- oder BRCA2-Gene oder einer ausgeprägten familiären Belastung profitieren von diesen Eingriffen. Die zwei Hauptoptionen sind:
- Prophylaktische Mastektomie – Entfernung beider Brüste zur Risikoreduktion.
- Prophylaktische Salpingoovarektomie – Entfernung von Eileitern und Eierstöcken zur Senkung des Ovarialkarzinomrisikos.
Indikationsstellung zur prophylaktischen Operation
Die Entscheidung für eine prophylaktische Operation erfolgt individuell unter Berücksichtigung von genetischer Prädisposition, Tumorbiologie, familiärer Belastung und Patientinnenpräferenz. Sie wird in einer interdisziplinären Tumorkonferenz diskutiert.
Die folgende Tabelle fasst die aktuellen Empfehlungen zusammen:
BRCA-Mutationsstatus | Anamnese | Prophylaktische Mastektomie | Prophylaktische Salpingoovarektomie |
---|---|---|---|
Positiv (BRCA1 oder BRCA2) | Gesund | Ab dem 25. Lebensjahr indiziert oder fünf Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter anderer Familienmitglieder. Alternativ engmaschige Früherkennung (MRT, Ultraschall). | Um das 40.-45. Lebensjahr (indiziert bzw. ausdrücklich empfohlen) oder nach Abschluss der Familienplanung. Individuelle Abwägung bezüglich Hormonmangel. |
Unilaterales Mammakarzinom | Möglich bei jungen Erkrankten; abhängig vom betroffenen Gen, Erkrankungsalter, Hormonrezeptorstatus und Prognose. Alternativ kann eine intensivierte Nachsorge erwogen werden. | Zu empfehlen (in Abhängigkeit von der Prognose und Tumorbiologie). | |
Negativ | Unilaterales Mammakarzinom | Nicht indiziert; ggf. zu erwägen bei ungünstiger Prognose oder starker familiärer Belastung. | Nicht indiziert; nur im Einzelfall bei Ovarialkarzinom in der Familie. |
Gesund | Nicht indiziert; gegebenenfalls engmaschige Früherkennung erwägen. | Nicht indiziert; nur im Einzelfall bei Ovarialkarzinom in der Familie. |
Vorteile und Risiken der prophylaktischen Mastektomie
Vorteile:
- Signifikante Risikoreduktion – Das Brustkrebsrisiko sinkt um bis zu 90 % bei BRCA-Mutationsträgerinnen.
- Vermeidung invasiver Krebstherapien – Reduktion der Notwendigkeit für Chemotherapie (medikamentöse Krebsbehandlung mit Zellgiften) oder Strahlentherapie (Behandlung mit ionisierenden Strahlen zur Zerstörung von Tumorzellen).
- Psychologische Entlastung – Verminderung der Angst vor Brustkrebs.
Risiken:
- Chirurgische Komplikationen – Wundheilungsstörungen, Infektionen, Sensibilitätsverlust.
- Psychoemotionale Belastung – Veränderung des Körperbilds, möglicher Verlust der Brustsensibilität.
- Langfristige hormonelle Folgen (bei zusätzlicher Ovarektomie) – Vorzeitige Menopause mit erhöhtem Risiko für Osteoporose und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Alternative Strategien zur Risikoreduktion
Falls keine prophylaktische Mastektomie gewünscht wird, stehen folgende Alternativen zur Verfügung:
- Intensivierte Früherkennung – Regelmäßige Magnetresonanztomographie (MRT), Mammographie (Röntgenuntersuchung der Brust) und Sonographie (Ultraschalluntersuchung der Brust).
- Chemoprävention – Einsatz von Tamoxifen oder Aromatasehemmern (Medikamente zur Hemmung der Östrogenproduktion) zur Reduktion des Brustkrebsrisikos.
- Lebensstilinterventionen – Gewichtsmanagement, körperliche Aktivität und reduzierte Hormonexposition.
Fazit
Die prophylaktische Operation stellt eine effektive Maßnahme zur Reduktion des Brust- und Ovarialkarzinomrisikos dar, insbesondere bei BRCA-Mutationsträgerinnen. Die Entscheidung sollte unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren, möglicher Alternativen und psychosozialer Aspekte getroffen werden. Ein interdisziplinärer Beratungsansatz ist essenziell, um eine personalisierte, evidenzbasierte Empfehlung auszusprechen.
Operative Primärtherapie (Ersttherapie)
Die operative Primärtherapie umfasst die brusterhaltende Therapie (BET, Entfernung des Tumors unter Erhalt der Brust) oder die Ablatio mammae (Brustamputation, vollständige Entfernung der Brustdrüse), welche in den meisten Fällen mit einer Ausräumung der axillären Lymphknoten (Entfernung der Lymphknoten in der Achselhöhle) verbunden ist.
Entsprechend der medizinischen Terminologie sind Ablatio mammae (chirurgische Abtragung der Brustdrüse) und Mastektomie (Herausschneiden der Brustdrüse).
Beachte – Die brusterhaltende Therapie (BET, Entfernung des Tumors mit Erhalt der Brust) mit obligat nachfolgender Radiatio (Bestrahlung) und die Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse) sind therapeutisch äquivalent.
Weitere Hinweise
- Unilaterale Tumoren (einseitige Tumoren) mit einem Durchmesser von maximal 5 cm (T1–2), höchstens drei positive Lymphknoten (N0–1) und keine Fernmetastasen (Absiedlungen in anderen Organen) – Die brusterhaltende Therapie (BCT, Entfernung des Tumors mit Erhalt der Brust), bestehend aus Lumpektomie (Entfernung des Tumorknotens mit umliegendem gesundem Gewebe) und Bestrahlung, zeigte in Vergleichsstudien bessere Ergebnisse als die Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse).
- Vergleich der Fünf-Jahres-Überlebensraten – Die Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse) war mit schlechteren Ergebnissen assoziiert (unter Adjustierung von Alter, Tumorstadium und Tumortyp).
- Gesamtüberleben (OS, Gesamtüberlebensrate unabhängig von der Todesursache) – 93,4 % bei BCT (brusterhaltender Therapie) vs. 87,6 % bei Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse).
- Brustkrebsspezifisches Überleben (BCSS, Überlebensrate nur bezogen auf Brustkrebs) – 97,4 % bei BCT (brusterhaltender Therapie) vs. 94,3 % bei Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse).
- Sterberate nach Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse) – 79 % höher als nach BCT (brusterhaltender Therapie).
- Brustkrebsspezifische Mortalität nach Mastektomie (vollständige Entfernung der Brustdrüse) – 88 % höher als nach BCT (brusterhaltender Therapie) [8].
Operative Verfahren
- Brusterhaltende Operation (BEO, Tumorentfernung mit Erhalt der Brustdrüse) – Entfernung des Tumors unter Erhalt der Brust.
- Ablatio mammae (Brustamputation, vollständige Entfernung der Brustdrüse) – Operative Entfernung der gesamten Brustdrüse.
- Ausräumung der axillären Lymphknoten (Axilladissektion, axilläre Lymphonodektomie, ALNE, Entfernung der Lymphknoten in der Achselhöhle) – Entfernung befallener Lymphknoten zur Stadienbestimmung und Therapie.
Brusterhaltende Operation (BEO)
Die brusterhaltende Therapie (BET, Entfernung des Tumors unter Erhalt der Brust) ist die Standardoption in der operativen Primärtherapie des Mammakarzinoms (Brustkrebs). Dabei wird der Tumor entfernt, während die Brust erhalten bleibt. Die Möglichkeit einer BET hängt vom Tumorausmaß ab. Eine BET ist in der Regel bis zu einer Tumorgröße von 3-4 cm durchführbar, sofern keine Hinweise auf einen multizentrischen (an mehreren Stellen der Brust vorkommenden) oder multifokalen (mehrere Herde innerhalb eines Brustsegments betreffenden) Tumor bestehen.
Nach der Entfernung des Tumors erfolgt eine histopathologische (feingewebliche) Untersuchung, um sicherzustellen, dass die Schnittränder tumorfrei sind. Der minimale Sicherheitsabstand zwischen Tumor und Schnittrand muss mindestens 1 mm betragen, beim duktalen Carcinoma in situ (DCIS, nicht-invasiver Brustkrebs in den Milchgängen) 2 mm [5]. Falls kein R0-Status (kein Residualtumor, vollständige Entfernung) erreicht wurde, ist eine erneute Operation erforderlich.
Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass die brusterhaltende Therapie unter den genannten Bedingungen identische Überlebensraten wie die Mastektomie (vollständige Entfernung der Brust) erzielt.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Mammakarzinome (Brustkrebs) bis zu einer Tumorgröße von 3-4 cm ohne Hinweise auf Multizentrizität (mehrere Tumorherde in verschiedenen Brustquadranten) oder Multifokalität (mehrere Tumorherde innerhalb eines Quadranten)
- Tumore im Stadium pT1-pT2/cN0 (kleinere bis mittelgroße Tumoren ohne tastbare Lymphknotenmetastasen), sofern eine postoperative Radiotherapie (Bestrahlung) durchgeführt wird
- Patientinnen mit bis zu zwei positiven Sentinel-Lymphknoten (Wächterlymphknoten), wenn auf eine Axilladissektion (operative Entfernung von Lymphknoten aus der Achselhöhle) verzichtet werden soll
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Multizentrische oder multifokale Tumoren
- Tumoren mit ausgedehnter intraduktaler (in den Milchgängen gelegener) Komponente
- Entzündliches Mammakarzinom (Brustkrebs mit Hautrötung und Schwellung)
- Absolute Kontraindikation gegen eine postoperative Strahlentherapie
- Ungünstige Tumor-Brust-Relation (Verhältnis zwischen Tumorgröße und Brustgröße ungeeignet für BET)
Operationsverfahren
- Segmentresektion (Lumpektomie, Entfernung eines Tumorsegments): Entfernung des Tumors mit einem Sicherheitsabstand
- Quadrantenresektion (Entfernung eines Brustquadranten): Entfernung eines Brustquadranten bei größerem Tumorbefall
- Onkoplastische Resektion (Tumorentfernung mit plastischer Brustrekonstruktion): Kombination aus Tumorentfernung und plastischer Rekonstruktion zur Erhaltung der Brustform
Postoperative Nachsorge
- Strahlentherapie (Bestrahlung): Standardmaßnahme zur Reduktion des lokalen Rezidivrisikos (Wiederauftreten des Tumors in der Brust)
- Hormontherapie (Medikamentöse Blockade von Östrogenen bei hormonabhängigem Tumorwachstum): Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren zur Rezidivprophylaxe
- Chemotherapie (Medikamentöse Tumorbehandlung zur Vermeidung von Metastasen): Indiziert bei aggressiven Tumorbiologien oder hohem Rezidivrisiko
- Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen: Mammographie (Röntgenuntersuchung der Brust), Sonographie (Ultraschalluntersuchung), ggf. Magnetresonanztomographie (MRT, Schnittbildverfahren zur Weichteildarstellung)
Mögliche Komplikationen
- Wundheilungsstörungen
- Serombildung (Flüssigkeitsansammlung im OP-Gebiet)
- Infektionen
- Narbenbildung mit Asymmetrien (ungleiche Brustform)
- Lymphödem (Schwellung durch Lymphstau) bei gleichzeitiger Axilladissektion
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Lumpektomie (Segmentresektion, Entfernung des Tumors mit Sicherheitsabstand) | Tumorentfernung mit Sicherheitsabstand | Brustform bleibt erhalten, kurze OP-Dauer | Höheres Rezidivrisiko bei unzureichendem Sicherheitsabstand |
Quadrantenresektion (Entfernung eines Brustquadranten) | Entfernung eines Brustquadranten | Radikale Entfernung bei ausgedehnterem Tumor | Mögliche Deformation der Brust |
Onkoplastische Resektion (Tumorentfernung mit plastischer Brustrekonstruktion) | Tumorentfernung mit plastischer Rekonstruktion | Kosmetisch günstiger, erweiterte Resektion möglich | Längere OP-Dauer, höherer Aufwand |
Fazit
Die brusterhaltende Therapie stellt bei geeigneten Indikationen eine gleichwertige Alternative zur Mastektomie (Brustentfernung) dar. Sie bietet eine höhere Lebensqualität bei identischen Überlebensraten. Die postoperative Strahlentherapie (Bestrahlung der Brust) ist essenziell, um das lokale Rezidivrisiko (Wiederauftreten des Tumors) zu minimieren.
Ablatio mammae (Brustamputation; Synonym: Mastektomie)
Die Ablatio mammae sollte durchgeführt oder mit der Patientin diskutiert werden bei:
- Großen Tumoren
- Ungünstigem Tumor-Brust-Größenverhältnis
- Multizentrischem Karzinom (Krebs an mehreren Stellen der Brust)
- Besonderen Konstellationen eines DCIS (nicht-invasiver Brustkrebs in den Milchgängen)
- Nichterreichbarkeit einer Resektion in sano (vollständige Entfernung des Tumors) bei der Nachresektion
- Intramammärem Rezidiv (Wiederauftreten des Tumors in der Brust) bei:
- DCIS
- Invasivem Karzinom (bösartiger Brusttumor mit Eindringen in umliegendes Gewebe) (bei erneuter organerhaltender Operation besteht mit 30 % nach 5 Jahren ein erhöhtes Rezidivrisiko)
- Inflammatorischem Mammakarzinom (entzündlicher Brustkrebs mit Hautrötung und Schwellung)
- Nachbestrahlung technisch nicht möglich (z. B. Armabduktion eingeschränkt)
- Ablehnung der Bestrahlung durch die Patientin
- Wunsch der Patientin
Beachte: Im Rahmen einer Mastektomie sollte mit jeder Frau eine plastische Wiederherstellung der amputierten Brust (Brustwiederaufbau) besprochen werden.
Fazit
Die brusterhaltende Therapie stellt bei geeigneten Indikationen eine gleichwertige Alternative zur Mastektomie (Brustentfernung) dar. Sie bietet eine höhere Lebensqualität bei identischen Überlebensraten. Die postoperative Strahlentherapie (Bestrahlung der Brust) ist essenziell, um das lokale Rezidivrisiko (Wiederauftreten des Tumors) zu minimieren.
Ausräumung der axillären Lymphknoten (Axilladissektion; axilläre Lymphonodektomie, ALNE)
Die Bestimmung des Nodalstatus (pN), also ob und wie viele Lymphknoten bereits von Tumorzellen befallen sind, ist beim invasiven Mammakarzinom obligat. Aufgrund neuer Erkenntnisse und der Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SNB, Wächter-Lymphknoten-Biopsie) kann auf die Ausräumung von mindestens zehn Lymphknoten zunehmend verzichtet werden. Dies führt zu einer erheblichen Reduktion der Morbidität und Beschwerden der Patientinnen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Eine Axilladissektion ist indiziert bei Patientinnen:
- bei denen kein Sentinel-Lymphknoten detektiert wurde
- mit einer Makrometastase in einem positiven Sentinel-Lymphknoten
- mit positivem Lymphknotenstatus vor einer neoadjuvanten Chemotherapie
Beachte: Inzwischen gilt, dass die axilläre Lymphknotendissektion in den meisten Fällen durch eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie (operative Entfernung des Wächterlymphknotens) ersetzt werden kann [9].
Operationsverfahren
Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SNB) ist seit 2004/2005 Standard. Der Sentinel-Lymphknoten ist der erste Lymphknoten im Lymphabfluss eines Mammakarzinoms und wird mithilfe von Radionukliden und/oder Farbstoffen markiert und entfernt. Ist dieser nicht von Tumorzellen befallen, kann davon ausgegangen werden, dass die nachgeschalteten Lymphknoten ebenfalls nicht befallen sind, sodass sie nicht entfernt werden müssen. Es können auch mehrere Sentinel-Lymphknoten existieren, die dann alle entfernt werden.
Die Methode kann bei kleinen Tumoren bis 2 cm Größe angewendet werden. In zahlreichen Studien zeigte die SNB bei klinisch unauffälliger Axilla (cN0) eine hohe Staginggenauigkeit [2,3,4].
Postoperative Nachsorge
- Regelmäßige klinische Kontrolle der Axilla
- Ultraschalluntersuchungen zur Beurteilung des Lymphknotenstatus
- Frühzeitige physiotherapeutische Maßnahmen zur Prävention eines Lymphödems
- Engmaschige onkologische Nachsorge nach den S3-Leitlinien
Mögliche Komplikationen
- Lymphödem der betroffenen Extremität
- Sensibilitätsstörungen im Bereich der Axilla und des Oberarms
- Infektionen und Wundheilungsstörungen
- Schulterbewegungseinschränkungen durch Narbenbildung
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Axilladissektion | Entfernung von ≥10 Lymphknoten aus der Axilla | Sicherste Methode zur Beurteilung des Nodalstatus, hohe diagnostische Genauigkeit | Hohes Risiko für Lymphödeme, postoperative Beschwerden |
Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SNB) | Entfernung von 1-3 Wächterlymphknoten | Geringere Morbidität, weniger postoperative Beschwerden | Bei falsch-negativen Befunden können befallene Lymphknoten verbleiben |
Fazit
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie kann in den meisten Fällen auf eine Axilladissektion verzichtet werden, wenn stattdessen eine Bestrahlung der Axillaregion erfolgt.
- Die ACOSOG-Studie (American College of Surgeons Oncology Group Z0011) zeigte, dass bei Patientinnen mit Mammakarzinom im klinischen Stadium T1 oder T2, die eine brusterhaltende Therapie (BET), adjuvante Radiatio und systemische Therapie erhielten, eine alleinige Exstirpation der Sentinel-Lymphknoten der Axilladissektion nicht unterlegen war [5].
- Laut aktueller Daten kann bei Frauen mit T1-, T2- und sogar T3-Mammakarzinomen und 1-2 Sentinel-Lymphknoten-Makrometastasen eine Axilladissektion weggelassen werden, wenn eine leitliniengerechte adjuvante systemische Therapie und Strahlentherapie erfolgen [10].
Präinvasive Neoplasien
Lobuläre Neoplasie (LN, Wucherung von Zellen in den Drüsenläppchen der Brustdrüse)
Die Lobuläre Neoplasie (LN, Wucherung von Zellen in den Drüsenläppchen der Brustdrüse) ist eine Wucherung neoplastischer Zellen in den Lobuli der Brustdrüse, die auf die Milchgänge übergreifen kann. Sie umfasst drei unterschiedliche Wachstumsformen, die fast ausschließlich auf die Lobuli beschränkt sind:
- Atypische lobuläre Hyperplasie (ALH, frühe Zellveränderung in den Brustläppchen) – Die Zellen sind auf den Lobulus beschränkt.
- Carcinoma lobulare in situ (CLIS, nicht-invasive Krebsvorstufe der Brust) – Die Lobuli sind aufgeweitet.
- Carcinoma lobulare in situ vom extended Typ – Aufweitung der Lobuli mit Übergang auf die Milchgänge, teils mit Nekrosen und Mikroverkalkungen.
Charakteristika
- Etwa 5 % aller präinvasiven Neoplasien.
- In 46-85 % der Fälle multizentrisch.
- Bis zu 30-67 % beidseitig.
- In der Regel symptomlos, meist Zufallsbefund (z. B. Biopsie (Gewebeentnahme) nach auffälliger Mammographie).
- Erhöhtes Mammakarzinomrisiko (7- bis 12-fach erhöht).
- Das maligne Potenzial des CLIS scheint geringer als das des DCIS zu sein.
Therapie
Die Therapie der LN ist eine individuelle Entscheidung, abhängig von Bildgebung und Histologie. Falls eine offene Biopsie erforderlich ist, erfolgt:
- Einfache Tumorentfernung.
- Keine Entfernung des Sentinel-Lymphknotens oder der axillären Lymphknoten.
- Keine Nachbestrahlung.
- Keine adjuvante prophylaktische Therapie.
- Empfehlung: jährliche Mammographiekontrollen.
Duktales Carcinoma in situ (DCIS, nicht-invasiver Brustkrebs in den Milchgängen)
Das Duktale Carcinoma in situ (DCIS) ist eine Neoplasie, die von den Milchgängen ausgeht. Die Milchgänge sind dabei vollständig oder teilweise mit atypischen Zellen ausgekleidet. Histologisch unterscheidet man drei Grading-Typen (low, intermediate und high grade), die Hinweise auf die Tumoraggressivität liefern.
- 60 % der DCIS entwickeln sich auch nach 30 Jahren nicht zu invasiven Karzinomen.
- Die 20-Jahres-Mortalität bei DCIS liegt laut S3-Leitlinie bei 3,3 %, ohne kontralaterale Zweitkarzinome sogar nur bei 1,7 %.
Charakteristika
- Basalmembran (dünne Gewebeschicht zwischen Epithelzellen und Bindegewebe) intakt.
- Multifokales Wachstum.
- DCIS-Herde > 2 cm enthalten häufig invasive Bezirke, die nur durch detaillierte histologische Analyse nachweisbar sind.
- Etwa 15 % aller Mammakarzinome sind DCIS.
- Indikator für erhöhtes Mammakarzinomrisiko.
- 50 % der DCIS entwickeln sich zu invasiven Karzinomen innerhalb von 10-20 Jahren.
- Bei vollständiger Entfernung ist das DCIS nahezu zu 100 % heilbar.
- 50 % der DCIS-Rezidive sind invasive Tumoren.
Therapie
Das DCIS erfordert in jedem Fall eine operative Abklärung mittels offener Biopsie. Optionen:
- Brusterhaltende Operation (BEO) bei:
- Kleinen in-situ-Befunden (< 4 cm)
- Unifokalem Wachstum
- Günstigem Tumor-Brust-Verhältnis
- Voraussetzung: Postoperative Radiatio (Strahlentherapie)
- BEO ungünstig oder nicht möglich bei:
- Sehr großen Läsionen
- Multifokalem Wachstum
- Ungünstigen histologischen Prognosefaktoren (z. B. Van-Nuys-Index)
- Ungünstigem Tumor-Brust-Verhältnis
- Häufig erfolgt zeitnah ein plastisch-chirurgischer Brustaufbau.
- Axilladissektion (Entfernung von Lymphknoten in der Achselhöhle) soll nicht durchgeführt werden.
- Sentinel-Node-Biopsie (Untersuchung des ersten Lymphknotens im Abflussgebiet eines Tumors) nur, wenn eine spätere Sentinel-Node-Biopsie (Untersuchung des ersten Lymphknotens im Abflussgebiet eines Tumors) technisch nicht mehr möglich wäre.
Weitere Hinweise
- Bei Screening-entdecktem DCIS besteht ein langfristig erhöhtes Risiko für ein invasives Mammakarzinom (> 20 Jahre).
- Das Risiko ist umso höher, je weniger aggressiv die Therapie war.
- Mastektomie (operative Entfernung der Brust) oder BET mit Radiotherapie reduziert das Risiko.
- Endokrine Therapie kann das Risiko weiter senken (z. B. um 38 % im Vergleich zu Frauen ohne endokrine Therapie [7]).
Karzinom-Sonderform: Paget-Karzinom der Brust (Morbus Paget der Mamille)
Der Morbus Paget der Brust ist eine seltene Form des Mammakarzinoms. Es ist entweder ein Sondertyp des DCIS oder eines infiltrierenden duktalen Karzinoms.
Klinische Merkmale
- Ekzemartige, krustig-schuppige, braunrote Hautveränderungen der Brustwarze.
- Ulkusbildung (Geschwürbildung) oder Nässen möglich.
- Differentialdiagnostisch abzugrenzen von Ekzemen oder entzündlichen Mamillenveränderungen.
Therapie
- Entspricht der Therapie des DCIS oder des invasiven duktalen Karzinoms, abhängig vom Vorliegen eines invasiven Anteils.
- In vielen Fällen erforderlich:
- Brusterhaltende Therapie (BET) mit Radiotherapie
- Mastektomie (operative Entfernung der Brust) mit Brustrekonstruktion bei fortgeschrittenem Befund
- Sentinel-Lymphknotenbiopsie oder Axilladissektion (Entfernung von Lymphknoten in der Achselhöhle) bei nachgewiesenem invasiven Anteil
Literatur
- Houssami N et al.: Meta-analysis of the impact of surgical margins on local recurrence in women with early-stage invasive breast cancer treated with breast-conserving therapy.. Eur J Cancer. 2010 Dec;46(18):3219-32. doi: 10.1016/j.ejca.2010.07.043.
- Janni W, Kühn T, Schwentner L, Kreienberg R, Fehm T, Wöckel A: Sentinel node biopsie and axillary dissection in breast cancer-the evidence and its limits. Dtsch Arztebl Int 2014 Apr 4;111(14):244-9. doi: 10.3238/arztebl.2014.0244.
- Bromham N, Schmidt-Hansen M, Astin M, Hasler E, Reed MW: Axillary treatment for operable primary breast cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Jan 4;1:CD004561. doi: 10.1002/14651858. CD004561. pub 3
- dkfz. Deutsches Krebsforschungszentrum Krebsinformationsdienst: Brustkrebs: Lymphknotenentfernung und Sentinel-Lymphknoten-Biopsie. Erstellt 6. 12. 2011, zuletzt überprüft 15.5.2017. www.krebsinformationsdienst.de
- Giuliano AE et al.: Effect of Axillary Dissection vs No Axillary Dissection on 10-Year Overall Survival Among Women With Invasive Breast Cancer and Sentinel Node Metastasis The ACOSOG Z0011 (Alliance) Randomized Clinical Trial. JAMA. 2017; 318 (10): 918−926. doi: https://dx.doi.org/10.1001/jama.2017.11470
- Lagendijk M et al.: Breast conserving therapy and mastectomy revisited: Breast cancer-specific survival and the influence of prognostic factors in 129,692 patients. IJC 2017;142,1:165-175 doi: 10.1002/ijc.31034
- Mannu GS et al.: Invasive breast cancer and breast cancer mortality after ductal carcinoma in situ in women attending for breast screening in England, 1988-2014: population based observational cohort Study. BMJ 2020; https://doi.org/10.1136/bmj.m1570
- Ji J et al.: Breast-conserving therapy is associated with better survival than mastectomy in Early-stage breast cancer: A propensity score analysis. Cancer Medicine 2022; https://doi.org/10.1002/cam4.4510
- Kaidar-Person O et al.: The Lucerne Toolbox 2 to optimise axillary management for early breast cancer: a multidisciplinary expert consensus eCliniclaMedicine July 14, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2023.102085
- de Boniface J et al.: Omitting Axillary Dissection in Breast Cancer with Sentinel-Node Metastases N Engl J Med 2024;390:1163-1175 doi: 10.1056/NEJMoa2313487
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. (AWMF-Registernummer: 032-045OL), Juni 2021 Kurzfassung Langfassung