Blasenkrebs (Harnblasenkarzinom) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Harnblasenkarzinoms (Blasenkrebs) dar.

Familienanamnese

  • Bestehen in Ihrer Familie gehäuft Krebserkrankungen, insbesondere solche des Harntrakts oder der ableitenden Harnwege?
  • Gibt es in Ihrer Familie Fälle von Blasenkrebs oder anderen urologischen Tumorerkrankungen?
  • Gibt es familiäre Prädispositionen für chronische Harnwegserkrankungen oder genetische Syndrome, die mit Blasenkrebs in Verbindung stehen (z. B. interstitielle Zystitis, Li-Fraumeni-Syndrom)?
  • Besteht in Ihrer Familie eine Neigung zu Urolithiasis (Harnsteinerkrankung), die zu chronischen Irritationen der Blasenschleimhaut und einem erhöhten Risiko für maligne Veränderungen beitragen könnte?

Soziale Anamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen ausgesetzt?
    • Betroffene Wirtschaftszweige sind:
      • Chemie, Bau, Gesundheitsdienst, Feinmechanik, Elektrotechnik
      • Ab 2008: auch Textil, Metall, Bergbau, Handel und Verwaltung
      • Textil und Leder (ab 2008: nur Leder), Holz, Verkehr, Gas, Fernwärme (Quelle DGUV 2012)
    • Besteht eine Exposition gegenüber krebserregenden Stoffen wie aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder anderen Industriechemikalien?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Ist Ihnen Blut im Urin aufgefallen?*
  • Wie lange besteht diese Veränderung bereits?
  • Tritt die Blutung intermittierend oder kontinuierlich auf?
  • Ist der Urin konzentriert oder trüb (flockig)?
  • Haben Sie Schmerzen im Bereich der Blase oder beim Wasserlassen?*
  • Hat sich das Wasserlassen in Bezug auf die Dauer und die Menge verändert?
  • Entleeren Sie nur wenig Urin, obwohl Sie das Gefühl einer prall gefüllten Blase haben?
  • Haben Sie Schwierigkeiten, den Urin zu halten?*
  • Müssen Sie häufiger als gewöhnlich auf die Toilette?
  • Haben Sie nächtlichen Harndrang?
  • Haben Sie Schmerzen im Unterbauch oder an den Flanken? Falls ja:
  • Bestehen allgemeine Symptome wie Abgeschlagenheit oder anhaltende Müdigkeit?
  • Leiden Sie unter Stress oder andauernden Anspannungen?
  • Gibt es Anzeichen für eine Infektion wie Fieber oder allgemeines Krankheitsgefühl?*

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Hat sich Ihr Appetit verändert?
  • Haben Sie in der letzten Zeit ungewollt an Körpergewicht verloren? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Haben Sie eine veränderte Flüssigkeitsaufnahme (z. B. zu wenig Trinken)?
  • Sind Sie Raucher oder haben Sie in der Vergangenheit geraucht? Falls ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Bestehen chronische Erkrankungen der Harnwege (z. B. chronische Blasenentzündungen, interstitielle Zystitis (chronische, nicht-infektiöse Blasenentzündung), Urolithiasis (Blasensteine))?
    • Haben Sie eine bekannte Blasenfunktionsstörung (z. B. neurogene Blase)?
    • Gab es in der Vergangenheit eine Tuberkulose oder eine andere urologische Infektion?
  • Operationen und medizinische Eingriffe:
    • Wurden bei Ihnen Operationen an den Harnwegen durchgeführt?
    • Wurde eine Harnleiterdarminplantation oder eine Nierentransplantation vorgenommen?
    • Wurde bei Ihnen eine frühere Strahlentherapie im Bereich des Beckens durchgeführt?
  • Allergien:
    • Bestehen bekannte Allergien gegen Medikamente, Kontrastmittel oder andere Stoffe?
    • Haben Sie Unverträglichkeiten gegenüber Chemikalien oder bestimmten Umweltstoffen?

Medikamentenanamnese

  • Aristolochiasäuren, eine Gruppe strukturähnlicher aromatischer Nitroverbindungen aus Aristolochia-Arten (zu dieser Gattung zählen etwa 400-500 Arten)
  • Chlornaphazin – Arzneimittel, welches in Deutschland seit den 1960er Jahren nicht mehr erhältlich ist; wurde davor gegen Polyzythämie eingesetzt (seltene myeloproliferative Erkrankung, bei der sich alle Zellen im Blut übermäßig vermehren)
  • Cyclophosphamid – Medikament, welches vor allem zur Therapie bei Karzinomen eingesetzt wird (Zytostatikum)
  • Phenacetin (Analgetikum; Antipyretikum) – dieses Arzneimittel ist seit 1986 nicht mehr im Handel
  • Rosiglitazon (Antidiabetikum aus der Gruppe der Insulin-Sensitizer) (+ 60 %) [1]
  • Zweittumorrisiko ist erhöht nach Chemotherapie wg. chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) – 3,5-mal höheres Risiko für Harnblasenkarzinom

Röntgenstrahlen

  • Externe Hochvoltbestrahlung im kleinen Becken
  • Strahlentherapie (externe Radiatio oder radioaktive Implantate) des lokalisierten Prostatakarzinoms [3]

Umweltanamnese 

  • Arsen [2]
    • Männer: Mortalitätsrisiko (Sterberisiko)/relatives Risiko (RR) 4,79 (95-Prozent-Konfidenzintervall 4,20-5,46)
    • Frauen: Mortalitätsrisiko/relatives Risiko 6,43 (95-Prozent-Konfidenzintervall 5,49-7,54)
  • Aufnahme von Nitrosaminen
  • Beruflicher Kontakt mit Karzinogenen wie aromatischen Aminen (wie z. B. Anilin, Benzidin, Toluidine, 2-Naphthylamin, Naphthylamine etc. und deren Abkömmlinge; Ausgangsstoff für Arzneimittel, Kunststoffe, Pflanzenschutzmittel oder Farbstoffe)
    Im Sinne einer Berufskrankheit BK 1301 sind vor allem aromatische Amine der Kategorie 1 und, mit Einschränkungen, der Kategorie 2 von Bedeutung:  z. B. Exposition des in Benzin und Motoröl enthaltenen Gefahrenstoffes o-Toluidin (chemische Verbindung aus der Gruppe der aromatischen, einfach methylierten Aniline) 
  • Chemische Reinigung (4-Chlor-o-toluidin)
  • Dieselabgase (wg. polyzyklischer Kohlenwasserstoffe, PAH; Ausscheidung von PAH-Metabolite über die Nieren)
  • Massive Exposition gegenüber Verbrennungsprodukten
  • Umgang mit Haarfärbemitteln (β-Naphtylamin)

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Tuccori M et al.:Pioglitazone use and risk of bladder cancer: population based cohort study. BMJ 2016;352:i1541
  2. Smith AH et al.: Lung, Bladder, and Kidney Cancer Mortality 40 Years After Arsenic Exposure Reduction. JNCI: Journal of the National Cancer Institute, djx201, https://doi.org/10.1093/jnci/djx201
  3. Guo X et al.: Impact of prostate cancer radiotherapy on the biological behavior and specific mortality of subsequent bladder cancer. Int J Clin Oncol 2019;24:957-965 https://doi.org/10.1007/s10147-019-01427-9