Analkrebs (Analkarzinom) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Analkarzinom ist eine seltene, aber schwerwiegende bösartige Tumorerkrankung, die vor allem den Analkanal und die umgebende Region betrifft. Es entwickelt sich meist aus Vorstufen, den sogenannten analen intraepithelialen Neoplasien (AIN; Krebsvorstufen), die als Krebsvorstufen (Präkanzerosen) gelten. Die Erkrankung wird in der Mehrzahl der Fälle durch eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV; Warzenviren) verursacht, insbesondere Hochrisiko-HPV-Typen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • HPV-Infektion: In 80–85 % der Fälle ist eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV; Warzenviren) für die Entwicklung des Analkarzinoms verantwortlich [3]. Persistierende Infektionen mit sogenannten Hochrisiko-HPV-Typen, insbesondere HPV 16, spielen dabei eine zentrale Rolle.
  • DNA-Schädigung und Transformation: Das HPV-Virus integriert sich in das Wirtsgenom (Erbgut der Wirtszelle), was zu einer dauerhaften Schädigung der DNA (Erbinformation) und unkontrolliertem Zellwachstum führt. Besonders betroffen sind Tumorsuppressorgene (Gene, die das Zellwachstum regulieren), die normalerweise das Zellwachstum kontrollieren.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Zellproliferation (Zellvermehrung) und Dysplasie (Fehlbildung): Durch die Integration des viralen Genoms (Erbgut des Virus) kommt es zu einer erhöhten Zellvermehrung und der Entstehung dysplastischer Zellen (fehlgebildeter Zellen), die ihre normale Funktion verlieren.
  • Chronische Entzündung: Die anhaltende Infektion führt zu einer chronischen Entzündungsreaktion, die das Tumorwachstum weiter fördert.

Klinische Manifestation 

  • Frühe Symptome: Im Anfangsstadium verläuft das Analkarzinom häufig asymptomatisch (ohne Beschwerden) oder mit unspezifischen Symptomen wie Juckreiz, leichten Blutungen oder Schmerzen im Analbereich.
  • Fortgeschrittene Symptome: Mit fortschreitender Erkrankung treten tastbare Tumoren, stärkere Blutungen und Schmerzen sowie Defäkationsstörungen (Probleme bei der Stuhlentleerung) auf.

Progression und Organbeteiligung

  • Lokalfortschreiten: Das Analkarzinom breitet sich initial lokal aus, oft auf das umliegende Perianalgewebe (Gewebe um den Anus), den Analkanal oder das Rektum (Enddarm).
  • Lymphknotenmetastasen: Das Karzinom neigt dazu, frühzeitig in die inguinalen (Leisten-) und pelvinen (Becken-) Lymphknoten zu metastasieren (sich auszubreiten). Fernmetastasen (Metastasen in entfernten Organen) in Lunge oder Leber treten in fortgeschrittenen Stadien auf.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Infiltration umliegender Gewebe: Die Tumorinfiltration (Eindringen des Tumors) kann zu Funktionsverlust im Analkanal führen, was die Kontrolle der Darmentleerung beeinträchtigt.
  • Zerstörung der Schleimhaut und submukösen Strukturen (unter der Schleimhaut liegend): Die Tumorzellen zerstören die normale Gewebestruktur, was zu Ulzerationen (Geschwüren) und Komplikationen wie Fisteln (unnatürliche Gänge zwischen Organen) führen kann.

Regenerative und kompensatorische Prozesse 

  • Versuche der Geweberegeneration: Das Gewebe versucht, die Schäden durch Regenerationsprozesse zu kompensieren, jedoch sind diese bei fortgeschrittener Erkrankung ineffektiv.
  • Immunologische Reaktionen: Das Immunsystem versucht, auf die persistierende HPV-Infektion zu reagieren, allerdings reicht die Immunantwort häufig nicht aus, um das Tumorwachstum zu verhindern.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Analkarzinome entstehen meist als Folge persistierender HPV-Infektionen (Infektionen mit humanen Papillomviren), insbesondere durch Hochrisiko-Typen wie HPV 16. Die pathophysiologischen Mechanismen umfassen die Integration des viralen Genoms (Erbgut des Virus), DNA-Schädigungen und chronische Entzündungen, die letztlich zur malignen (bösartigen) Transformation führen. Frühzeitige Erkennung und Behandlung der Vorstufen, analen intraepithelialen Neoplasien (AIN; Krebsvorstufen), sind entscheidend, um die Entstehung eines Analkarzinoms zu verhindern. Die Prognose hängt stark vom Stadium der Erkrankung und dem Ausmaß der Metastasierung (Ausbreitung) ab.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Sozioökonomische Faktoren: stärkerer Anstieg der Inzidenz in Ländern mit niedrigerer Einkommensstruktur

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) (gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Analkarzinomen)
  • Hohe Promiskuität bzw. Sexualkontakte mit promisken Partnern
    • insb. rezeptiver Analverkehr (hohes Risiko der Schleimhautverletzung)
    • Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
      (Höchstes Risiko haben HIV-positive Männer, die Sex mit Männern haben)
  • Schlechte Genitalhygiene

Krankheitsbedingte Ursachen

  • HPV-assoziierte anogenitale Vorerkrankungen
  • HPV-Infektion – in 80 bis 85 % der Fälle ist eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) ursächlich [2]. Die S3-Leitlinie geht von 89-100 % durch persistierende Infektionen mit sogenanntem Hochrisiko (HR)-HPV-Typen aus, wobei HPV 16 eine herausragende Rolle spielt [2]
    • Anogenitalwarzen: Condylomata acuminata (spitze Kondylome, Feigwarzen)
      • Bei 5,9 Prozent der meist männlichen Studienteilnehmer im Durchschnittsalter von 50 Jahren wurden innerhalb der Beobachtungszeit von 18 Monaten Anogenitalwarzen festgestellt; Auftreten war gehäuft bei jüngeren Männern, Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)) und Personen mit einem CD4-Zell-Nadir << 200/μl; Personen mit Werten >> 200/μl steigt das Risiko um das 5,7-fache [5]
      • Menschen mit HIV und Anogenitalwarzen haben ein knapp 13-fach höheres Risiko für ein Analkarzinom als für Personen ohne "Warzenvorgeschichte" [4]
    • HPV-Infektion und Immundefizienz (Abwehrschwäche): höchstes Risiko für die Entwicklung eines Analkarzinoms besteht bei HIV-positiven MSM (> 100-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung) [1]
    • Bei HIV-infizierten Männern und Frauen sind fast 100 % der Analkarzinome HPV-positiv.
  • Immundefizienz durch HIV-Infektion

Operationen

  • Zustand noch Organtransplantation und Einnahme von immunsupprimierten Medikamenten

Medikamente

  • Immunsuppression: langjähriger Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten (z. B. Organtransplantation, Autoimmunerkrankungen oder bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankung)

Literatur

  1. Silverberg MJ et al.: Risk of anal cancer in HIV-infected and HIV-uninfected individuals in North America. Clin Infect Dis. 2012 Apr;54(7):1026-34.
    doi: 10.1093/cid/cir1012. Epub 2012 Jan 30.
  2. Lin CS et al.: Human papillomavirus types from infection to cancer in the anus, according to sex and HIV status: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis, 2018 Feb;18(2):198-206. doi: 10.1016/S1473-3099(17)30653-9.
  3. Buttmann-Schweiger N, Kraywinkel K. Reporting of colorectal cancer (ICD-10 C18-C21): Decline in colorectal cancer incidence does not apply to temporal anal cancer trends in Germany. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 1) VII–191, ID 0330 Seite 69
  4. Arnold JD et al.: The Risk of Anal Carcinoma After Anogenital Warts in Adults Living With HIV. JAMA Dermatol. Published online January 13, 2021. doi:10.1001/jamadermatol.2020.5252