Analkrebs (Analkarzinom) – Einleitung
Beim Analkarzinom – umgangssprachlich Analkrebs genannt – handelt es sich um eine maligne (bösartige) Neubildung im Bereich des Analkanals und des Analrandes.
Synonyme und ICD-10: anorektaler Krebs; anorektales Karzinom; bösartige anorektale Neubildung; bösartige Neubildung des Analbereichs; bösartige Neubildung des Analkanals; bösartige Neubildung des Analsphinkters; bösartige Neubildung des Anorektums; bösartige Neubildung des Anus; Karzinom des Analkanals; Karzinom des Anus; Krebs des Anus; Maligner Analtumor; Maligner Tumor des Analkanals; ICD-10-GM C21.-: Bösartige Neubildung des Anus und des Analkanals
Formen des Analkarzinoms
Nach Histologie
Die histologische Einteilung des Analkarzinoms ist entscheidend für die Diagnose und das Therapieregime:
- Plattenepithelkarzinom: Mit etwa 80-90 % der Fälle ist dies die häufigste Form des Analkarzinoms. Es entsteht aus den Plattenepithelzellen des Analkanals, die die Schleimhaut auskleiden. Dieser Typ ist häufig mit einer Infektion durch das Humane Papillomavirus (HPV) assoziiert.
- Adenokarzinom: Seltener, entsteht dieser Karzinomtyp aus den Drüsenzellen, die typischerweise im Rektum oder in seltenen Fällen im Analkanal lokalisiert sind. Adenokarzinome sind aggressiver und haben eine schlechtere Prognose im Vergleich zu Plattenepithelkarzinomen.
- Basaloides Karzinom (kloakogenes Karzinom): Diese Tumoren zeigen Eigenschaften sowohl von Plattenepithelkarzinomen als auch von Basalzellkarzinomen. Sie treten an der Übergangszone zwischen Rektum und Analkanal auf und verhalten sich biologisch ähnlich wie Plattenepithelkarzinome.
- Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom: Ein sehr seltener und hochaggressiver Typ des Analkarzinoms, der aus neuroendokrinen Zellen stammt. Dieser Tumor hat oft eine schlechte Prognose aufgrund seiner aggressiven Natur und des schnellen Wachstums.
Nach Lokalisation
Die genaue Lage des Tumors im Analkanal spielt eine entscheidende Rolle bei der Planung der Behandlung und der Prognose:
- Perianal: Diese Tumoren entwickeln sich in der Haut um den Anus herum und ähneln häufig Hauttumoren. Sie haben eine bessere Prognose, da sie chirurgisch leichter entfernt werden können.
- Analkanal: Tumoren, die im eigentlichen Analkanal auftreten, haben oft ein komplexeres biologisches Verhalten und erfordern häufig eine Radiochemotherapie als primäre Behandlungsstrategie.
- Kloakogen: Karzinome, die in der Übergangszone zwischen dem Analkanal und dem Rektum entstehen. Diese Tumoren weisen Merkmale auf, die zwischen denen von Rektumkarzinomen und Analkarzinomen liegen, was die Behandlung komplizierter macht.
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie werden Analrand- und Analkanalkarzinome wie folgt abgegrenzt:
- Analrandkarzinome: Unter Spreizung der Nates (Gesäß, Hinterbacke) makroskopisch vollständig sichtbar. Sie liegen mit ihrem überwiegenden Gewebeanteil innerhalb eines Radius von 5 cm um die Linea anocutanea (Anokutanlinie: markiert den Übergang der Analhaut (Anoderm) in die normale äußere Haut (Epidermis)).
- Analkanalkarzinome: Mindestens teilweise so weit im Analkanal gelegen, dass eine Sichtbarkeit des makroskopischen Tumorbefundes unter Spreizung der Nates nicht oder nicht vollständig gegeben ist.
Das Analkarzinom ist mit einem Anteil von unter 5 % aller bösartigen Neubildungen im Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) ein relativ seltener Tumor.
Molekulares Profil
Das molekulare Profil des Analkarzinoms hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da es die Therapieentscheidungen und Prognosen direkt beeinflusst:
- HPV-assoziierte Karzinome: Ein Großteil der Analkarzinome ist mit einer Infektion durch das Humane Papillomavirus (HPV) verbunden, insbesondere mit den Hochrisikotypen HPV 16 und 18. Diese Tumoren haben eine gute Ansprechrate auf Radiochemotherapie und zeigen oft eine bessere Prognose im Vergleich zu nicht-HPV-assoziierten Karzinomen. HPV-assoziierte Tumoren neigen weniger zur Metastasierung.
- Nicht-HPV-assoziierte Karzinome: Diese sind seltener und treten häufiger bei älteren Patienten ohne erkennbaren Zusammenhang zu HPV auf. Nicht-HPV-assoziierte Analkarzinome sprechen schlechter auf Standardtherapien wie Radiochemotherapie an und zeigen insgesamt eine schlechtere Prognose.
Epidemiologie
Analkanalkarzinome kommen ca. 2- bis 5-mal häufiger vor als Karzinome des Analrandes. In ca. 90 % der Fälle liegt ein Plattenepithelkarzinom vor, welches in der Regel durch eine persistierende Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) induziert ist.
Geschlechterverhältnis
- Analkanalkarzinome: Bevorzugung des weiblichen Geschlechts.
- Analrandkarzinome: Männer ca. 4-mal häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel
- Analkanalkarzinome: 6.-7. Lebensdekade.
- Analrandkarzinom: 5.-6. Lebensdekade.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt 1-2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr – Tendenz steigend.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Die Erkrankung tritt häufig mit Frühzeichen wie beispielsweise Blutauflagerungen auf dem Stuhl, Juckreiz im Analbereich, Fremdkörpergefühl und Stuhlunregelmäßigkeiten auf. Diese Symptome veranlassen meist eine proktologische Untersuchung des Patienten.
Nach Sicherung der Diagnose durch eine histologische (feingewebliche) Untersuchung erfolgt eine umfangreiche Diagnostik zur Feststellung des Ausmaßes der Erkrankung (Staging).
Prognose
- Beim lokalisierten Analkanalkarzinom mit einem Durchmesser < 2 cm ohne regionale oder Fernmetastasen kann eine alleinige R0-Exzision (Entfernung im Gesunden) erwogen werden.
- Im Stadium II-III erfolgt die Behandlung mittels einer Radiochemotherapie (RCT; Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie). Der Erfolg der Therapie stellt sich häufig erst Wochen oder Monate nach Abschluss der Behandlung ein.
- Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt in Europa bei 81 % und die 5-Jahres-Überlebensrate bei 56 %.
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Analkarzinom (Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Analkanal- und Analrandkarzinomen). (AWMF-Registernummer: 081-004OL), Dezember 2020 Kurzfassung Langfassung
- Patientenleitlinie: Analkrebs; Ratgeber für Patientinnen und Patienten. Juni 2021. Leitlinienprogramm Onkologie